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Ochsen in der Kutscher-Schule

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Ochsen in der Kutscher-Schule

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    Zur Erinnerung an treue Ochsen: Am Ochsenstüble sind Franz und Ringo verewigt.
    Zur Erinnerung an treue Ochsen: Am Ochsenstüble sind Franz und Ringo verewigt.

    Fritz Reuther und seine neun Freunde haben in diesem Sommer gleich zweimal Grund zum Feiern. Vor 20 Jahren haben die Ochsenkutscher aus Brünnau (Lkr. Kitzingen) den Startschuss für ihr gemeinsames tierisches Hobby gegeben und sind seither Jahr für Jahr mit dem Leiterwagen auf unterhaltsamen Ochsentouren unterwegs.

    Mit Wastl und Leo hat Rinderzüchter Fritz Reuther zwei neue prächtige „Zugpferde“ im Stall. Wastl und Leo sollen dafür sorgen, dass das erfolgreiche Unternehmen „Ochsenkutscher“ weitergeht. Die beiden Vollblutrinder sind noch keine zwei Jahre alt und machen zurzeit mit ihrem „Fahrlehrer“ Fritz den Ochsenkutscher-Führerschein.

    Dass noch kein ausgereifter Zugochse vom Himmel gefallen ist, musste Reuther erst jetzt feststellen. Während Wastl mit seinem weißen Kopf sehr zutraulich ist und konzentriert die Weisungen seines Lehrers befolgt, ist der bullige Leo ein echter Dickschädel – von wegen den Ochsenkarren aus dem Dreck ziehen. Wer Franken-Ochse Leo zu nahe kommt, läuft Gefahr, erst einmal einen heftigen Tritt abzubekommen. „Leo ist noch sehr nervös und muss die Begegnungen mit den Menschen erst einmal in aller Ruhe lernen“, sagt Fritz Reuther und streicht Leo übers Fell. Dieser genießt die Streicheleinheiten des Nebenerwerbslandwirts sichtlich.

    Die Brünnauer Ochsenkutscher sind eine muntere Truppe. Mehrmals pro Jahr ging es auf unterhaltsame Ochsenexkursionen. Bei Jubiläen, Kirchweihen und Festzügen oder im Fasching waren die von zwei oder drei Ochsen gezogenen Wagen stets Blickfang.

    Vor sechs Jahren musste Fritz Reuther einen ersten Tiefschlag verkraften. Ochse Franz, der ihm bis dahin zuverlässige Dienste erwiesen hatte, starb. Zwei Jahre später kam der nächste Schock, als Franz' Zugpartner Ringo einging. Franz war 16 und Ringo 18 Jahre alt geworden.

    Mit Toni, Xaver und Falco hatte Fritz Reuther schnell drei kräftige Nachfolger gefunden. Doch die Zusammenarbeit der drei Ochsen harmonierte nicht. „Es hat alles nicht geklappt mit den drei Jungs“, berichtet der Bauer aus Brünnauer, der mittlerweile in den Nachbarort Schallfeld umgezogen ist. „Und Toni war ein Totalausfall. Der wollte gar nicht ziehen.“ Reuther musste umdenken. Da Reuther nur Ochsen aus der eigenen Rinderzucht vertraut, dauerte es nun wieder eine geraume Zeit, bis mit Wastl und Leo die nächste Generation herangewachsen war.

    „Der Ochse muss eine schöne Form und gesunde Beine haben. Er muss gehorchen und vor allem im Kopf fit sein“, nennt Reuther das Idealbild eines Zugochsen. In Wastl und Leo, die als Jungstiere kastriert wurden, glaubt er zwei ideale Wegbegleiter gefunden zu haben, die sich allerdings noch im Flegelalter befinden. Erziehung hat also bei Reuther oberste Priorität.

    Bevor er die beiden Neuen vor den Leiterwagen spannen kann, sind unzählige Laufeinheiten hinter dem Traktor notwendig. „Damit sie sich an den Verkehr und vor allem an die Menschen gewöhnen,“ erklärt der Züchter. Er kennt ganz genau die Schwierigkeiten und den notwendigen Aufwand, damit ein Ochse gehorsam ist, sich das Geschirr anlegen lässt und sauber läuft. Gegenseitiges Vertrauen baut sich dabei nur langsam auf. „Man muss viel mit den Tieren reden,“ weiß Reuther. Mehrfach mit Seilen und Ketten sind die beiden Ochsen am Schlepper gesichert. „Es soll ja nichts passieren“, lautet die Devise des 59-Jährigen, der als Kraftfahrer für Wurst und Fleisch seine Brötchen verdient. Die ersten „Gehversuche“ mit Leo und Wastl hinter dem Traktor waren erfolgreich, doch schon das Annähern eines Fotografen lässt Leo spontan „ausflippen“ und zeigt, welche Urgewalt in den Ochsen steckt.

    Weil die beiden Ochsen auch Lernpausen brauchen, nutzt Reuther die Zeit mit seinen Freunden auf der Ochsenkutscher-Ranch in Brünnau für gesellige Dinge. Für die nächste Tour wird die Ochsenkutscher-Hymne einstudiert. Fred Seßler, der das Lied getextet und komponiert hat, stimmt an. „Wir fahren mit den Ochsen durch unser Frankenland, auf des Steigerwaldes Höhen oder an des Maines Strand,“ singen die Ochsenkutscher, deren ältestes Mitglied schon 78 Jahre alt ist. „Wir essen, trinken und singen,“ schwärmt Seßler von dem eingeschworenen Team.

    Als Mädchen für alles fungiert Ernst Schömig. Reuther ist für die Tiere zuständig. Er hat auf dem Grundstück eine Ammenkuhhaltung. „Ich versuche die Rinder auf der Koppel artgerecht zu halten,“ nennt er sein Ziel. Für ein idyllisches Landleben am Ochsenstüble sorgen etwa 30 Kühe, die im Gegensatz zu Wastl und Leo das gesamte Jahr „unterrichtsfrei“ haben. Auf die beiden Reuther-Schützlinge wartet bereits die nächste „Fahrstunde“.

    Und Leos Halbbruder Hansl steht auch schon in den Startlöchern. „Den will ich nächstes Jahr dazu spannen,“ sagt Fritz Reuther und freut sich schon auf seine nächste Erziehungsaufgabe und den ersten öffentlichen Auftritt des neuen Ochsenterzetts.

    Die Ochsenkutscher

    Vor 20 Jahren gründeten Fritz Reuther und einige befreundete „Naturburschen“die Ochsenkutscher aus Brünnau. Von Ochsen gezogen, fahren sie seither zu besonderen Anlässen auf einem Leiterwagen durch die Lande, singen fränkische Lieder und pflegen Geselligkeit.

    Auch beim Kirchweihumzug sind sie dabei. Der erste Wagen des Zugs wird von zwei Ochsen aus dem Stall von Fritz Reuther gezogen. Im August 2011 mussten die Kutscher allerdings selbst ran: Weil es zu der Zeit keine Ochsen gab, die eingespannt werden konnten, sprangen die acht Brünner Ochsenkutscher ein und zogen den Leiterwagen selbst durch den Ort – sehr zur Belustigung der Einwohner.

    Der 59-jährige Berufskraftfahrer Fritz Reuther ist Nebenerwerbslandwirt und züchtet auf seiner Ranch in Brünnau Rinder. Mit Wastl und Leo hat er wieder zwei Ochsen groß gezogen, die den „Karren aus dem Dreck ziehen sollen“. 15 Jahre lang war Fritz Reuther mit Franz und Ringo unterwegs, die vor ein paar Jahren gestorben sind.

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