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WERNECK: Ohne Angst und Hemmungen

WERNECK

Ohne Angst und Hemmungen

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    Die Männer sind an diesem Abend eindeutig in der Mehrzahl. Den etwa 40 jungen, dunkelhaarigen Syrern und Afghanen sitzen auf Sofas und Stühlen einige Wernecker Frauen und zwei Männer gegenüber. Tee wird herbeigebracht, Datteln und Nüsse auf den Couchtischen fordern zum Zugreifen auf. Der Geräuschpegel steigt angesichts angeregter Unterhaltung und engagierter Kicker-Spieler. Im „Café Kontakt“ geht es um gegenseitiges Kennenlernen, um Verstehen, lockeres Miteinander von Einheimischen und Flüchtlingen.

    Die Räume des Wernecker Jugendtreffs im Keller der alten Grundschule bieten den idealen Rahmen für das „Café Kontakt“. Groß, gemütlich eingerichtet, mit Musikanlage und Spielen. Dorothy Stretz ist eine der Ansprechpartner aus dem Helferkreis Asyl.

    „Eigentlich soll das Angebot heute für Männer und Frauen gelten“, weist sie auf die in der Notunterkunft des Wernecker Pfarrheims untergebrachten 100 Flüchtlinge hin. Dass nur Männer gekommen seien, sei wohl „religiös geprägt“. „Unser Ziel ist, ihnen zu zeigen, dass wir hier in Europa gleichberechtigt sind, dass Männer und Frauen gemeinsam gehen.“

    Auf Englisch teilt sie das einem jungen Syrer mit. Mamoun meint dazu, das sei auch in seiner Heimat üblich. Vielleicht habe man das Angebot missverstanden, hofft Stretz. Denn es gibt noch einen reinen Frauentreff jeden Mittwochnachmittag. „Parallel wird eine Kinderbetreuung angeboten, dann können die Frauen hier mal durchschnaufen.“

    Der 31-jährige IT-Techniker Mamoun aus Damaskus spricht gut Englisch. Auch die meisten Landsleute in seiner Sofaecke verstehen diese Sprache. Die Unterhaltung mit den Werneckern funktioniert. Und sie kann tiefer gehen, muss sich nicht im Small Talk ergehen.

    Ein syrischer Kinderarzt will wissen, ob seine Ausbildung hier anerkannt wird und er arbeiten kann. Er spricht neben englisch auch russisch, hat in Warschau studiert, so wie sein Bruder, der Frauenarzt, der ebenfalls aus seiner Heimat geflohen ist. Henryk Velde spricht etwas russisch, der Wernecker Ingenieur hat es in seiner Jugend in der DDR gelernt. In der Runde sitzen noch ein syrischer Elektriker, ein Geograph, ein Buchhalter, ein Pizzabäcker und ein Bauer. Alle wollen schnell Deutsch lernen, sagen sie, weil sie hier bleiben und arbeiten wollen. Dass das angesichts der Vielzahl der Flüchtlinge zunehmend mehr Probleme bereitet, dass viele Einwohner mit dieser Vorstellung überfordert sind, wie entgegnet wird, hören die Flüchtlinge zwar.

    Aber sie wiederholen, dass sie nur in Deutschland und in keinem anderen europäischen Land leben wollen: „Weil wir hier willkommen sind.“

    Auf Nachfrage berichten sie über die Zustände in Syrien, über schlimme Einzelschicksale. Andrea Bauer-Lampert erzählt, dass ihre Wernecker Firma ganz normale Geschäftsbeziehungen auch nach Syrien unterhalten und Schweißgeräte dorthin geliefert hat. Aber vor drei Jahren verließ ihr dortiger Händler seine Stadt Aleppo. „Es ist alles zerstört.“

    Zwar ist die Kommunikation zwischen Einheimischen und Flüchtlingen an anderer Stelle im Raum mühsamer. Aber echte Hemmungen haben die Wernecker kaum. Sie gehen auf die Männer offen zu. „Weil es mir gut tut neben meiner Arbeit und weil ich damit Vorurteile abbauen kann“, erklärt Dorothy Stretz. „Weil es interessant ist und wir einiges lernen“, meint Petra Velde. „Zum Beispiel zu sehen, wie gut es uns geht.“ Aktiv mit der Situation auseinandersetzen, sehen, welche Menschen da in Werneck vorübergehend leben. Und: „Man muss dagegen halten gegen die vielen dummen Sprüche“, sagt Klaus Schröder. „Ich bin da gern mal ein Gutmensch.“

    Getrennt von den Syrern sitzen in einer anderen Sofa-Ecke etliche Afghanen. „Ich heiße Amanullah“, sagt einer, stolz über seine ersten deutschen Worte und froh über die gesprächsbereiten Wernecker. Weil er Henryk Velde nicht versteht, bemüht der 25-Jährige die Google-Übersetzung auf seinem Handy.

    Die Spiele des Jugendtreffs sind den Afghanen zu kompliziert. „Monopoly“ ist dabei und „Deutschlandreise“. Ein Junge sucht Städte auf der Landkarte, steckt kleine Fähnchen auf. Begehrter ist das Kickerspiel, das permanent von den jungen Männern umlagert ist.

    Am Ende des Abends spülen die Flüchtlinge wie selbstverständlich das Geschirr. Die Helferinnen hoffen, dass das Treff-Angebot von mehr Werneckern angenommen wird. „Aufeinander zugehen, das gehört einfach zu unserer Gesellschaft“, meint Dorothy Stretz.

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