Wenn einst im großen Netz der Unterfränkischen Überlandzentrale eine Störung auftauchte, dann rückte erst einmal der Monteur mit Pickel und Schaufel aus, um nach dem Fehler zu suchen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute klickt sich der Monteur über einen der sechs Störungsrechner ins Netz der ÜZ ein und bekommt auf dem Schirm Einblick in alle vorhandenen elektrischen Anlagen bis hinunter zur letzten Muffe. Dadurch sind Fehler oft schnell zu lokalisieren.
Eines von vielen Beispielen, das zeigt, wie weit die Digitalisierung schon längst ins Stromgeschäft hineinwirkt. Ohne elektronischer Hilfsmittel wäre heutzutage ein vernünftiger Betrieb beim Stromversorger überhaupt nicht mehr vorstellbar.
Das gilt auch für das Verhältnis vom Versorger zum Kunden. Über den Klick auf die Homepage der Versorger erhält der Verbraucher zahlreiche Informationen aus dem Energie-Alltag. Dafür war früher jedes Mal ein Telefongespräch notwendig, oft mit immer gleichem Inhalt, sagt geschäftsführender Vorstand Gerd Bock. Heute kann sich der Kunde auf Kacheln mit bestimmten Themenfeldern wie zum Beispiel Tarife, Stromkostenrechner oder Online-Kundencenter einklicken.
Weg zum direkten Kontakt
Das Online-Portal ebnet aber auch den Weg zum direkten Kontakt, also zu Ansprechpartnern zu bestimmten Themen. Hier möchte sich die ÜZ von mehr oder weniger anonym bleibenden Stromversorgern unterscheiden. „Wir machen das eine, ohne das andere zu lassen“, sagt Gerd Bock. Er meint damit den persönlichen, also analogen Kontakt zum Kunden. Der dürfe bei aller Digitalisierung nicht zu kurz kommen.
Ein anderes Beispiel, bei dem digitale Hilfe im Geschäftsalltag für die ÜZ unverzichtbar geworden ist: Immer wenn eine Firma eine Straße oder eine andere Fläche aufgraben will, kann sie ein digitales Planwerk der ÜZ abrufen, das zeigt, wo Stromleitungen liegen. Früher waren dafür ausführliche vorbereitende Gespräche notwendig. Den Planwerken sind auch gleich die Bebauungspläne der Gemeinden hinterlegt, so dass eine Baufirma weiß, was sie tun kann und was nicht, erklärt Artur Brei, der Leiter der grafischen Datenverarbeitung. Rund 1400 Mal nutzen Firmen diesen Service im Jahr. „Ohne das wären das mindestens 1400 Telefongespräche und viele Ortseinsichten“, sagt Gerd Bock.
Die digitale Welt hat aber auch Grenzen. Das Ablesen der Stromzähler zum Beispiel könnte längst auch auf digitalem Weg geschehen. Ein Modellprojekt in Geesdorf hat das gezeigt.
Aber Stromdaten sind sensibel. Es kann nicht sein, dass ein Stromlieferant zu viel über die Lebensgewohnheiten seiner Kunden erfährt, meint das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Rein technisch gesehen könnte ein Versorger inzwischen genau feststellen, wann eine Kunde kocht, wäscht oder sonst wo Strom verbraucht. Um das zu verhindern, hat das BSI Schutzprofile herausgegeben.
So drehen nach wie vor Mitarbeiter ihre Runden, um die Stromzähler abzulesen und die Daten auf Papier zu notieren. „Damit kommt ein Ableser in einem dunklen Keller auch besser zurecht als mit einem digitalen Gerät“, sagt Alexander Weth, Leiter des Kundenservicesystems. Die Stromverbräuche werden dann eingescannt und zum Beispiel für die Stromrechnungen genutzt.
Digitale Durchdringung
Obwohl besonders im handwerklichen Bereich noch vieles analog geschieht, gibt es bei der ÜZ keinen einzigen Arbeitsplatz mehr, der nichts mit der digitalen Welt zu tun hat. Das hat auch die Ausbildung von Nachwuchskräften total verändert. „Vor zehn Jahren kamen unsere Azubis erst im dritten Lehrjahr mit der EDV in Berührung, heute ist das das erste, was wir tun“, erklärt Robert Ruppenstein.
Auch der Stromhandel auf den Märkten, für den Robert Ruppenstein zuständig ist, wäre ohne digitale Hilfe nicht mehr möglich. „Ein Stromeinkauf übers Telefon oder per E-Mail wäre unvorstellbar“, sagt Ruppenstein. Zudem wird jedes Geschäft gespeichert. In die Daten hat die Bundesnetzagentur Einsicht. Damit soll verhindert werden, dass Stromanbieter mit der Ware spekulieren. Sie müssen möglichst genau an der Linie zum Kundenverbrauch einkaufen. Auch das macht eine digitale Erfassung und Bilanzierung notwendig. „Das geht halt nicht mehr mit dem Rehenschieber.“
Es gibt auch Nachteile
Sowohl für die ÜZ als auch die Stromverbraucher hat die digitale Welt auch Nachteile. Auf Online-Portalen werden oft unfaire Tarifvergleiche der Anbieter vorgegaukelt, sofern sich der Nutzer nicht wirklich gut auskennt und an der richtigen Stelle seine Häkchen setzt. „Da ist schon so mancher auf die Nase gefallen. Hier ist ein persönliches Gespräch einfach besser“, meint Ruppenstein.
Trotzdem das Fazit: Ein heutiger Stromversorger hat einen enormen Aufwand zu betreiben, der nur noch elektronisch bewältigt werden. Ein Ausfall der Systeme hätte unabsehbare Folgen. Schließlich kostet die Digitalisierung selbst Strom. Auf zehn bis 15 Prozent des Gesamtverbrauchs schätzt Robert Ruppenstein den Anteil der digitalen Geräte. Obwohl sie immer stärker und in immer größerer Zahl genutzt werden, hat sich dieser Aneil nicht erhöht. Grund dafür ist eine immer höhere Effizienz dieser Technik.