Bevor die Mama mit Verspätung aus dem Hotel eintrudelt, flirtet Sohn Beau Jarred erstmal mit Abigail Tucker. Die australische Film- und Farmschönheit, bekannt aus „MacLeods Töchter“, spielt im Stattbahnhof die Vorband von Melanie Safka, haucht gefälligen, soundstarken Folkrock ins Mikro und groovt dazu mit kleinen Glocken. Beau begleitet sie mit der Gitarre, bevor die Tourbegleiterin „ganz viel much peace und love“ plus Mutter Safka verspricht, nach einer kleinen Pause.
Es wird ein Treffen der Musikgenerationen: Abi Tucker war schon mal bei „Wetten, dass??“, Melanie damals – im August 69 – in Woodstock. Vom legendären Auftritt zehrt die rüstige Flowerpower-Veteranin, optisch eine Mischung aus Mama Kelly und Indianermutti, noch nach 40 Jahren: Seinerzeit wurde sie, die hübsche No-Name-Sängerin jüdischer, ukrainischer und italienischer Herkunft, mit gerade mal 22 als Ersatz für die „Incredible String Band“ auf die Bühne des Schlamm-Festivals gestoßen, wo sie einfach Gitarre zu spielen begann. Vor 500 000 Fans, die bei strömendem Regen Kerzen und Lichter entzündeten, was sie später zu „Lay Down“ oder „Candles in the Rain“ inspirierte.
Der Song ließ das Schwenken von Feuerzeugen bei Konzerten populär werden und jahrzehntelang Veranstaltern den Angstschweiß über die Stirn fließen, des Brandschutzes wegen. Nicht Sex, Drugs and Rock'n'Roll seien auf der Bethel-Farm das Entscheidende gewesen, sagt Melanie (jedenfalls nicht für sie), sondern das „Erwachen“ der Menschen: das Gefühl, dass weltweit Frieden und Humanität möglich seien.
Kein Zweifel: Melanie Safka-Schekeryk war weit mehr als nur ein Prototyp der Kelly Family, ihr von den Rolling Stones gecovertes „Ruby Tuesday“ ist ein Choral, eine Hymne, ebenso das „Peace will come“. „Wer hat mein Lied so zerstört?“, singt sie auf Deutsch, wie Daliah Lavi, die den englischen Original-Titel wiederum von ihr übernommen hat. Mit dem eigenwilligen, manchmal spleenigen Charisma von Kumpeltyp Safka könnte man heute eine ganze Musiker-Generation aufpeppen: „Ich bin schmerzlich real“, kokettiert die 62-Jährige, einst Jüngerin indischer Gurus, in Richtung des Mainstreams, der nach ewiger Jugendfrische lechzt – und verdammt das „amerikanische Lächeln“, das die Menschen immer nur entwaffnen wolle. Ihr Lächeln ist echt, auch, wenn es zuletzt still um das singende Blumenkind wurde. „I tried to die young“, entschuldigt sie sich musikalisch in Richtung Jimi Hendrix, man kann als Legende nicht alles richtig machen. Heute ist sie dreifache Mutter und zweifache Oma, Sohn Beau und Abi huldigen ihr als Mitsinger zur Linken wie Rechten.
Nun lebt selbst eine Hippie-Ikone wie Melanie Safka nicht von Peace, Love and Happiness allein, die Eintrittspreise sind, für Stattbahnhofverhältnisse, saftig. Entsprechend mau die Schweinfurter Verkaufszahlen, die meisten Fans kommen von außerhalb. Auch Gatte und Produzent Peter Schekeryk sorgt hinter der Bühne mit einer Cash-Forderung für Irritationen, droht anfänglich gar damit, das Konzert platzen zu lassen. Offenbar hängt es damit zusammen, dass Melanie am frühen Morgen wieder gen Florida fliegen will.
Das Konzert findet statt, die Künstlerin gibt hernach ein paar Unterschriften, entschwindet und überlässt die meisten Autogrammhungrigen dem wortreich lamentierenden Ehemann. Ein eigensinniger Auftritt, nicht ohne Widersprüche, aber doch irgendwie mit Weltklasse.