Im Moment vergibt er keine Termine für gynäkologische Operationen, die nicht dringend notwendig sind. Es sei denn, seine Patientinnen akzeptieren das so genannte Kostenerstattungsprinzip. Das heißt, sie bekämen – wie Privatpatientinnen – eine Rechnung nach GOÄ (Gebührenordnung für privatärztliche Leistung). Einige hätten nach seiner ausführlichen Information ihrer Kasse einen Kostenvoranschlag vorgelegt, der aber abgelehnt worden sei mit der Aufforderung, den Arzt zu wechseln, sagt Schwind und nennt Zahlen: Nach der neuen Regelung bekomme er für eine Gebärmutterentfernung bei einer Kassenpatientin 100 Euro. 2006 waren es 150 Euro.
Nach GOÄ würde er 600 Euro berechnen. „Eine erträgliche Leistung“, sagt Schwind, der neben seiner Praxis Belegarzt im Krankenhaus St. Josef ist. Unter den neuen Bedingungen könne er nicht einfach stillschweigend weiterarbeiten. 30 Prozent Einbruch beim Honorar, das sei existenzbedrohend. In Schweinfurt stehe er allerdings alleine da. „Die Kollegen machen nicht mit, weil sie Angst haben“, sagt Schwind wörtlich und: „Ich habe einen Namen, den werfe ich in die Waagschale und riskiere ihn auch“. Weil es nach zehn Jahren des erfolglosen Kampfs um die Honorare nicht anders gehe.
Davon könne ihn auch die am Donnerstag veröffentlichte Warnung von Axel Munte, dem Chef der bayerischen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nicht abhalten. Der hatte betont, gesetzlich versicherte Patienten auf Vorkasse zu behandlen sei ebenso wenig zulässig wie eine Aufforderung, vor der Behandlung einen Kostenvoranschlag bei der Krankenkasse einzureichen. „Ich bleibe streitbar, selbst wenn ich mich auf rechtlich unsicherem Eis bewege“, sagt Schwind und sieht sich dabei unterstützt vom Vorsitzenden der Frauenärzte in Bayern, Dr. Peter Hausser. Im übrigen betont er, dass seine Praxis normal weiterlaufe, ohne längere Wartezeiten für Kassenpatientinnen. Auch Entbindungen und Notfalloperationen mache er ohne Einschränkungen.
Die Ankündigung vom Mittwoch, es gäbe ein neues Abkommen zwischen Fachärzten, Krankenkassen und KV, mit dem Gesundheitsminister Markus Söder die Gefahr für Praxisschließungen gebannt sieht, hat weder Schwind noch seinen Kollegen Rainer Burlein überzeugt. „Wir lassen uns nicht mit vagen Zusicherungen ruhig stellen“, betont der Hals-Nasen-Ohren-Arzt und bleibt bei seiner Aussage „Wir gehören zu den Verlierern der Reform mit geschätzten 20 bis 25 Prozent Verlust“. Dem KV-Vorsitzenden, der für die HNO-Ärzte nur einen Verlust von 0,7 Prozent prognostiziert hatte, widerspricht er. „Das ist faktisch falsch“, sagt Burlein.
Auch er legt Zahlen auf den Tisch. Mit dem gesenkten Punktwert von 3,5 Cent bekomme er pro Patient maximal 33,31 Euro pro Quartal. Damit sei nicht einmal die notwendige Routinediagnostik abgedeckt bei einem Patienten, der in die Praxis komme und klage, er höre schlecht. Die liege bei 55,30 Euro. Besonders betroffen seien die großen Praxen, denn auch die Zahl der Patienten sei begrenzt. Von den insgesamt zehn Kollegen im Raum Schweinfurt und Rhön, hätten sieben eine Praxis, die über dem Durchschnitt in Bayern liegt, die also mehr als 1198 Patienten im Quartal haben.
„Wir können unsere Praxen nicht aufrecht erhalten wie bisher“, betont Burlein. Wenn er akzeptiere, kein Geld für erbrachte Leistungen zu bekommen, würde er draufzahlen, weil die Kosten ja weiterlaufen. Die Konsequenz wäre: die gesetzlich versicherten Patienten müssten erheblich länger warten. „Im Moment arbeite ich noch wie vorher, in der Hoffnung, dass die Reform korrigiert wird. Wenn nicht, überlegen wir als Gruppe, wie wir uns deutlich bemerkbar machen“.