Am Ende des Besuchs im Gartenbaubetrieb von Udo Gernert im Rahmen seiner Landwirtschaftlichen Informationsfahrt 2013 entfuhr Regierungspräsident Paul Beinhofer ein kräftiges „Donnerwetter“. Um im selben Atemzug in Anerkennung dessen, was er hier gesehen und gehört hatte, an die Adresse des Hausherrn hinzuzufügen: „Es ist wahnsinnig beeindruckend, was Sie hier tun, um sparsam mit Energie und Wasser umzugehen. Sie können stolz auf Ihren Betrieb sein.“
In der Tat hatte der Regierungspräsident in Oberspiesheim nicht nur einen der größten Gartenbaubetriebe in Bayern kennengelernt, sondern auch einen Vorzeigebetrieb, was den effizienten Einsatz von Energie und Wasser im Gartenbau anbelangt.
Anfangs hatte Udo Gernert wegen der Größe noch gezögert, zusätzlich zum elterlichen Stammbetrieb in Gerolzhofen die damalige Gärtnerei Glos zu übernehmen. 2001 hat er sie nach reiflicher Überlegung dann doch erworben. Seitdem wächst und gedeiht der Betrieb buchstäblich immer weiter. Der Gärtnermeister: „So wie wir fast jeden Tag verkaufen, so investieren wir auch fast jeden Tag.“
„Es ist wahnsinnig beeindruckend, was Sie hier tun, um sparsam mit Energie und Wasser umzugehen.“
Paul Beinhofer, Regierungspräsident
In Oberspiesheim, der Firmenzentrale, sowie im heutigen Zweigbetrieb zwischen Gerolzhofen und Brünnstadt, bewirtschaftet Gernert zehn Hektar Gewächshaus- und nochmals so viele Hektar Freilandfläche. Zu den Hauptkulturen zählen Orchideen, Beet- und Balkonpflanzen, Chrysanthemen, Hortensien, Herbstzauber, Weihnachtssterne und ein breites Sortiment an Hochstämmchen. Bei Gerolzhofen kommen der Privatverkauf und Erdbeeren zum Selbstpflücken dazu.
Den Verkauf der Zierpflanzen für den deutschen und europäischen Markt organisiert Gernert über seine vier Verkäufer selbst, um nicht in die Abhängigkeit von Großkunden zu geraten. Die Hauptabnehmer seiner Ware in Deutschland sitzen in Bayern, Hessen und Berlin. Zur Unabhängigkeit trägt auch die Unterhaltung einer eigenen Lkw-Flotte bei.
Udo Gernert beschäftigt inzwischen 60 Festangestellte und 15 Saisonarbeitskräfte. Zwei Plätze für Auszubildende im Zierpflanzenbau sind derzeit noch frei. So lastet auf ihm auch eine hohe Verantwortung, um die Märkte und damit die Arbeitsplätze zu sichern. Dem sparsamen Umgang mit Energie und Wasser kommt deshalb in dem großen Gartenbaubetrieb eine ganz besondere Rolle zu, um besonders angesichts steigender Energiepreise konkurrenzfähig zu bleiben.
So nutzt die Gärtnerei für den Hauptbetrieb in Oberspiesheim seit geraumer Zeit die Abwärme aus der nebenan von der Unterfränkischen Überlandzentrale (ÜZ) Lülsfeld und 26 Landwirten betriebenen Biogasanlage in Oberspiesheim, einer der größten in Nordbayern. Die von hier ganzjährig bezogene kostengünstige Energie hat erst den wirtschaftlichen Anbau der „Orchideen aus Franken“ ermöglicht. Die kommen sonst meist aus Holland, wo die Energiepreise niedriger sind.
Computer sorgen, je nach angebauter Pflanze, für die automatische Steuerung der exakt benötigten Temperatur, Bewässerung, Luftfeuchte und Lichtmenge im Gewächshaus. Registriert die Wetterstation im Rechner etwa ein steigendes Lichtangebot, unterbleibt das Hochfahren der Heizkessel, da die Sonne das Gewächshaus zusätzlich aufheizen wird. Allerdings sind für eine Klima-Computeranlage in dieser Größenordnung für Hard- und vor allem Software satte 250 000 Euro fällig.
Rund eine Million Euro hat die Großgärtnerei daneben in den vergangenen Jahren in so genannte Energieschirme investiert. Die unter dem Gewächshausdach angebrachten Spezialtücher aus Kunststoff- und Aluminiumgewebe dienen tagsüber bei hoher Sonneneinstrahlung dazu, das Gewächshaus zu beschatten und zu kühlen. Nachts werden die inzwischen doppellagigen Schirmsysteme dicht zusammengefahren, um zu verhindern, dass die Wärme verloren geht. Über die künstliche Verdunkelung lassen sich zugleich die Pflanzen täuschen. Sie „denken“, dass die Tage kürzer werden, und blühen schon Ende Oktober, statt sonst erst an Weihnachten.
„So wie wir fast jeden Tag verkaufen, so investieren wir auch fast jeden Tag.“
Udo Gernert, Gärtnermeister
Rolltische und Mobiltischanlagen helfen, den Platz im Gewächshaus optimal auszunutzen und so weitere Heizkosten zu sparen. Denn je mehr Pflanzen gleichzeitig kultiviert werden können, desto geringer ist der Energieeinsatz. Die Unter-Tisch-Heizung mit unter dem Tisch verlegten Heizrohren sorgt zudem für die pflanzennahe Beheizung, die Ebbe-Flut-Anlage fürs optimale Bewässern.
Noch weiter fortgeschritten ist die Energiespartechnik in den neuen fast zwei Hektar großen und drei Millionen Euro teuren Gewächshäusern. Die komplett aus Doppelfolie bestehende Hülle dieser Niedrigenergiehäuser ist so gut isoliert, dass dadurch bereits 30 bis 40 Prozent Energie eingespart werden können.
Die restliche Einsparung liefern neben den Energiesparschirmen und der pflanzennahen Bodenheizung Ventilatoren, die die warme Luft unter dem Dach wieder nach unten führen. Die Pflanzen stehen hier so dicht, dass eine Flächenbelegung von über 90 Prozent erreicht wird. Fahrbare Transport- und Rückroboter verteilen sie wie von Geisterhand auf die Fläche.
In Sachen Wasserversorgung ist der Betrieb in Oberspiesheim ohnehin längst völlig autark. Insgesamt können rund 36 000 Kubikmeter Regenwasser aufgefangen werden. Hinzu kommt das aus dem eigenen Brunnen geförderte Wasser. Es ist zwar von Haus aus selbst zu kalkhaltig, vermischt mit dem gespeicherten Regenwasser, birgt das aber kein Problem für die Pflanzen.
Paul Beinhofer zeigte sich jedenfalls mächtig beeindruckt.
Informationsfahrt
Organisiert wird die jährliche Landwirtschaftliche Informationsfahrt des Regierungspräsidenten vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Würzburg und dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen mit seinem Gartenbauzentrum Bayern Nord. Diesmal führte sie in den Landkreis Schweinfurt.
Nach der Besichtigung der Gärtnerei Gernert in Oberspiesheim, wo das Interesse vor allem der neuesten Gewächshaustechnik zur Energieeinsparung und der effizienten Wassernutzung galt, ging es weiter nach Schwebheim, um sich dort ein Bild von der Nachhaltigkeit beim Anbau von Heil- und Gewürzpflanzen zu machen.
Begleitet wurde Beinhofer neben den Fachleuten aus den erwähnten Ämtern und aus seinem Haus ferner von Schweinfurts Landrat Florian Töpper sowie maßgeblichen Vertretern von Bauern- und Gärtnereiverband.
In Oberspiesheim gesellte sich Kolitzheims Bürgermeister Horst Herbert hinzu, während in Schwebheim Bürgermeister Hans Fischer die Rundfahrt durch die Gemeinde selbst leitete.