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SCHWEINFURT: Organspende: Leben geben

SCHWEINFURT

Organspende: Leben geben

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    Ärzte verschließen nach einer Nierentransplantation die Wunde.
    Ärzte verschließen nach einer Nierentransplantation die Wunde. Foto: Fotos: Balazs Mohai/dpa (Symbolbild), Martina Müller (Porträts)

    Der Tod eines Menschen kann einem anderen Leben schenken – durch Organspende. Ein Thema, das auf all seinen Ebenen extrem ist. Extrem emotional, extrem polarisierend, extrem anspruchsvoll für Ärzte und Koordinatoren. Bei einem Symposium am Leopoldina Krankenhaus kam all das auf den Tisch. Die Vorträge zeichneten den Ablauf einer Organspende gewissermaßen nach – von einem tragischen Unfall bis zu einer olympischen Goldmedaille.

    Vater Heiner Röschert
    Vater Heiner Röschert

    Organspende aus Sicht eines Angehörigen

    „Sie hören jetzt von mir, wie eine Sekunde mein ganzes Leben verändert hat“, sagt Heiner Röschert ganz am Anfang. Er hat seine Tochter und seinen Sohn bei einem schrecklichen Autounfall an Weihnachten 2011 verloren. Seine erwachsenen Kinder Pia und Felix waren an Heiligabend bei ihm in Eibelstadt (Lkr. Würzburg) gewesen, gegen 1.30 Uhr machten sie sich zusammen in Pias Golf auf den Heimweg.

    Auf der Bundesstraße 13 rasten zwei Mercedes heran. Wie sich später herausstellte, hatten sich die Fahrer ein Rennen geliefert. Der Golf wird erst von einer, dann auch von der zweiten Limousine erfasst. Pia stirbt noch an der Unfallstelle, Felix wird noch in der Nacht für hirntot erklärt. Der Hirntod, oder „unumkehrbarer Hirnfunktionsausfall“, ist die Voraussetzung für eine Organspende.

    „Beide waren äußerlich fast unversehrt“, erinnert sich Röschert. Da müsse man doch was machen können, habe er gefleht, als er Felix sah. Der Oberarzt in der Klinik sprach den Vater auf eine Organspende von Felix an. „Beide hatten einen Organspendeausweis, ich kannte ihren Willen.“ Röschert willigt ein, am Morgen werden dem 25-jährigen Felix Herz, Leber, beide Nieren und Bauchspeicheldrüse entnommen. Drei Männer und eine Frau erhalten die Organe.

    Röschert kennt die Namen der Empfänger nicht, aber er weiß: Alle Organe funktionieren bis heute problemlos. „Was kann mir Besseres passieren, als zu hören, dass Felix mit seinen Organen weiteres Leben ermöglicht hat?“, sagt Röschert. Der Schicksalschlag hat ihn erwerbsunfähig gemacht, heute macht er „Politik für die Organspende“, gründet ein Netzwerk für Angehörige. „Ich bin stolz auf meine Kinder.“ Dem Publikum, vor allem dem Leo-Personal, schärft er ein: „Es ist ihre verdammte Pflicht, mögliche Spender zu melden!“

    DSO-Koordinatorin Alexandra Greser
    DSO-Koordinatorin Alexandra Greser

    Organspende in Zahlen

    „Und jetzt komme ich mit den nüchternen Zahlen, da müssen Sie durch“, sagt Alexandra Greser. Sie ist Koordinatorin der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) und hat Statistiken mitgebracht. Eine Grafik zeigt deutlich, wie sich die Organspende-Skandale aus dem Jahr 2012 auf die Zahl der Spenden ausgewirkt haben. Im Jahr 2011 haben 1200 Menschen in Deutschland ein Organ gespendet, 2013 nur noch 876.

    Allerdings betont Greser, dass die Skandale nur ein Grund für die schlechten Zahlen seien. „Es sind nicht die Familien, die die Organspende kritisch sehen. Es fehlt an Mitarbeit aus den Krankenhäusern.“ Viele – oft kleinere, aber auch große – Kliniken meldeten Patienten, deren Organe sich für eine Transplantation eignen würden, einfach nicht. Das Leo melde allerdings sehr zuverlässig, so Greser. Die DSO wirbt seit einiger Zeit gezielt in den Krankenhäusern, möglicherweise fruchtet das bereits. „Es geht aufwärts, wir haben seit Anfang des Jahres deutlich mehr Spender.“

    Chirurg Dr. Stefan Löb
    Chirurg Dr. Stefan Löb

    Ablauf der Spende

    Den medizinisch-fachlichen Teil übernimmt Chirurg Dr. Stefan Löb vom Universitätsklinikum Würzburg. Er räumt gleich zu Beginn mit einem Vorurteil auf: Die Entnahme eines Organs, die Extransplantation, übernimmt nicht irgendein Arzt mit möglicherweise wenig Erfahrung, sondern immer ein absoluter Spezialist.

    Denn wenn ein Spender von der Klinik gemeldet wird, macht sich ein mobiles Einsatzteam auf den Weg. In Bayern gibt es fünf Teams und einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst. Das Team für Franken kommt von der Uniklinik Würzburg – und rückt in der Regel nachts aus. Um (Ex-)Transplantationen durchführen zu dürfen, sehe die „Richtlinie zur Organentnahme“ eine bestimmte Anzahl an OPs vor. In der Richtlinie ist zum Beispiel auch streng geregelt, welche Anforderungen an Spenderorgane gelten und wie sie überprüft werden.

    Den Zuhörern beschreibt Löb auch, wie die Entnahme (meist mehrerer Organe) genau abläuft. So wird der Brustkorb aufgeschnitten, die Organe werden freigelegt. Über einen Katheter wird das Blut des Menschen durch eine konservierende, gekühlte Flüssigkeit ersetzt. In Beuteln und auf Eiswasser gehen die Organe dann auf die Reise zum Empfänger, während der Leichnam verschlossen wird.

    Wie schnell ein Organ wieder durchblutet sein muss, ist übrigens unterschiedlich. Eine Lunge ist nur innerhalb weniger Stunden transplantierbar, Nieren schaffen bis zu 48 Stunden.

    Sportlerin Franziska Liebhardt
    Sportlerin Franziska Liebhardt

    Organspenden aus Sicht einer Emfängerin

    „Man kann viel mehr, als man denkt“, sagt Franziska Liebhardt zum Schluss. Die Würzburgerin lebt mit Spenderlunge und Spenderniere – und hat bei den Paralympics in Rio 2016 Gold im Kugelstoßen und Silber im Weitsprung geholt. Die Symposium-Organisatoren und Transplantationsbeauftragten Dr. Klaus Dötter und Dr. Alexander Koch haben sie eingeladen, um zu zeigen, was alles möglich ist.

    Liebhardt bekam 2005 eine systemische Autoimmunerkrankung diagnostiziert, die viele Organe angreift. Die Lunge traf es besonders, die junge Frau bekam immer schlechter Luft, sie kam auf die Warteliste für ein Spenderorgan, schließlich lag sie auf der Intensivstation und wurde über einen Luftröhrenschnitt beatmet.

    Dann endlich die Transplantation, alles läuft gut. Liebhardt beginnt sogar mit Leistungssport, doch dann der erneute Rückschlag: Sie braucht eine neue Niere, ihr Vater spendet sie.

    Nach der zweiten OP geht es dann richtig los: Liebhardt geht nach Leverkusen, trainiert beim TSV Bayer 04. „Es gab eine Leistungsexplosion“, sagt Liebhardt. Die Ärzte hätten all das für unmöglich gehalten. Immer näher kommt sie an die Werte ihrer größten Konkurrentin heran, die lange als unschlagbar galt.

    Und in Rio dann schafft sie es tatsächlich: Gold. Nach ihrem Vortrag wollen alle die Medaille anfassen.

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