Immer noch keine Lösung: Das Gerangel um die Ausgleichs- und Retentionsflächen für das Baugebiet „Nördlich der Weiße Marter“ fand auch nach neuerlicher intensiver Diskussion im Stadtrat keinen Abschluss. Nachdem sich Landwirte vehement gegen die Nutzung der so genannten „Bullenäcker“ in der nördlichen Gemarkung nahe der Hörnau wehren, begaben sich Vertreter von Wasserwirtschaftsamt, Unterer Naturschutzbehörde und Stadt bei einer Ortsbegehung auf die Suche nach Alternativen längs der Volkach in der östlichen Gemarkung, also noch bevor der Bachlauf das Stadtgebiet erreicht.
Dort, wo eigentlich ein Campingplatz geplant ist, ferner auf einer Fläche westlich des alten Schuttplatzes sowie südlich der Go-Kart-Bahn an der Klesenmühle wären die für das Baugebiet erforderlichen Ausgleichsflächen möglich, berichtete Bürgermeisterin Irmgard Krammer. Die Fachbehörden favorisierten dabei den Standort nahe der Go-Kart-Bahn leicht. Das Problem hierbei: Die benötigten Flächen, zwei Ackergrundstücke und etliche Kleingärten – befinden sich nicht im Besitz der Stadt.
Der Stadtrat kam zu folgendem Zwischenergebnis: Burkhard Wächter führt im Namen der Stadt bereits begonnene Gespräche mit den Grundstücksbesitzern an der Klesenmühle weiter. Bis zur nächsten Stadtratssitzung in drei Wochen soll feststehen, ob sich die favorisierte Fläche als Ausgleichsfläche realisieren lässt. Nur Thorsten Wozniak (Die Jungen) stimmte dagegen.
Der Vorteil der Fläche gegenüber den „Bullenäckern“ wäre, dass eventuelles Hochwasser bereits vor der Stadt abgefangen werden kann. Der Nachteil dagegen: Am neuen Standort müssten Berechnungen über mögliche Hochwässer erstellt werden. Das würde rund 15 000 Euro kosten. Bei den Bullenäckern sind diese Berechnungen bereits da.
„Das Baugebiet aufzugeben wäre schlecht, weil wir nur wenige Alternativen haben“, vertrat Bürgermeisterin Irmgard Krammer einen klaren Standpunkt. Überall gebe es Nachteile wie Lärmschutz (Gebiet östlich des Friedhofs), Bestandsschutz (südlich der Weiße Marter) oder viele verschiedene Grundstückseigentümer und eine weite Strecke zur Kläranlage (südlich des Nützelbachs).
Zweifel an Notwendigkeit
„Woher nehmen wir die Gewissheit, dass wir dieses Baugebiet überhaupt brauchen“, fragte Horst Gandziarowski (SPD). Er führte die sinkenden Geburtenzahlen ins Feld. Auch den Friedhof habe man großzügig erweitert und müsse jetzt feststellen, dass die Grabstätten im alten Teil gereicht hätten. Leider gebe es in Gerolzhofen viele bereits erschlossene Bauplätze, wo die Besitzer nicht zum Verkauf bereit sind.
Die Befürchtung Gandziarowskis, die Ausgleichsmaßnahmen könnten die Baulandpreise in der „Weiße Marter“ nach oben treiben, zerstreute die Bürgermeisterin. Die Stadt könne die Eindeichung und die Retention nicht den Bauwerbern in Rechnung stellen. Laut Datenerhebung für die Innenentwicklung stehen hier noch 22 Bauplätze zur Verfügung. Selbst wenn alle Bauwerber sich für den Innenbereich entscheiden würden, würde das gerade mal für zwei Jahre reichen. „Innenentwicklung ja, aber wir müssen auch Bauplätze für Leute haben, die draußen wohnen wollen“, argumentierte Krammer. Sechs Interessenten für die „Weiße Marter“ seien da. Wenn sich nicht bald etwas tue, bestehe die Gefahr, dass sie abwandern, weil sie die aktuelle Niedrigzinsphase nutzen wollen.
Wenn sich herausstelle, dass bei den Bullenäckern rechtlich alles im grünen Bereich ist, sollte die Stadt an den ursprünglichen Plänen – Beschlossen am 22. Februar 2010 – festhalten, sprach sich Thorsten Wozniak gegen Alternativen aus. Verwaltungsleiter Johannes Lang berichtete, zur Rechtssituation habe die Stadt bereits Anfragen an den Bayerischen Gemeindetag und das Landratsamt als Aufsichtsbehörde gestellt, aber noch keine Reaktion erhalten.
Zum Hintergrund: Eine Interessengemeinschaft von zehn Landwirten zieht auch ein Normenkontrollverfahren oder gar rechtliche Schritte gegen die Nutzung der „Bullenäcker“ aus Ausgleichsfläche in Erwägung. Die Landwirte wollen zum einen nicht Fläche bester Bonität opfern und stellen sich zum zweiten gegen die Rechtsauffassung der Stadt, wonach die Nutzungsrechte der Landwirte für die Bullenäcker erloschen seien. Die Erträge aus diesen städtischen Äckern, so die Landwirte, sind seit jeher – schon lange vor 1900 – den tierhaltenden Betrieben in der Stadt zugeflossen.
Hierzu erklärte die Bürgermeisterin, die Stadt habe freiwillig einen Zuschuss in Höhe der Einnahmeverluste der Landwirte angeboten.
Die Ausgleichsflächen sollten vor Baubeginn feststehen, sagte Krammer zu einer Frage von Thomas Vizl (geo-net), weil es sonst ein Haftungsproblem für die Stadt geben werde, wenn Bauwerbern das Wasser in den Keller läuft.
Campingplatz
Ein Interessent hält einen Campingplatz bei Gerolzhofen für realisierbar. Sie habe ihn aufgefordert, sich schriftlich zu seinen Plänen zu äußern, sagte die Bürgermeisterin zu einer Anfrage von Eva Maria Ott (CSU). Bevor die Kosten für „Bullenäcker“ und Alternativen dazu nicht feststehen, könne es keine Entscheidung geben, meinte Thomas Zink (Freie Wähler).
Burkhard Wächter schließlich entgegnete auf eine Einlassung von Stadtbaumeister Jens Pauluhn, die Bullenäcker hätten bei Renaturierung der Volkach einen weit höheren Berechnungswert als etwa der Schuttplatz: Wenn es tatsächlich zu einem Klageverfahren käme, würden die bisherigen Kriterien für die Bullenäcker nicht standhalten. Wächter berief sich dabei auf eine Aussage von Uwe Seidl vom Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen.