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SCHWEINFURT: Rechte Szene in Bayern präsenter als zugegeben

SCHWEINFURT

Rechte Szene in Bayern präsenter als zugegeben

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    Robert Andreasch: Der Journalist warnte im Stattbahnhof vor einer Verharmlosung der rechten Szene in Bayern. Mit im Bild (links) Frank Firsching, Sprecher des lokalen bunten Bündnisses gegen Rechts.
    Robert Andreasch: Der Journalist warnte im Stattbahnhof vor einer Verharmlosung der rechten Szene in Bayern. Mit im Bild (links) Frank Firsching, Sprecher des lokalen bunten Bündnisses gegen Rechts. Foto: Foto: Hannes Helferich

    Zweimal ist er schon von Rechtsradikalen angegriffen worden, seine Wohnadresse gibt er nicht preis, er ist, wenn er unterwegs ist, immer aufmerksam: Robert Andreasch. Das „Bündnis ist bunt“ hat den Münchner Journalisten nach Schweinfurt eingeladen, den Sprecher Frank Firsching „den ausgewiesenen Experten der Naziszene“ nannte.

    Über zwei Stunden zeigte Andreasch auf, dass in Bayern mehr Neonazis aktiv sind als in allen anderen Bundesländern. Motiviert würden sie nicht zuletzt durch einen noch immer hohen Anteil an Menschen im Freistaat, die nationalistisch und antisemitisch eingestellt seien. Die These belegte er mit Zahlen einer Studie der Universität Leipzig.

    Der Kneipensaal im Stattbahnhof platzte aus allen Nähten. Die weit über 100 Besucher mussten sich vorher in Namenslisten eintragen, Ordner waren eingeteilt, um eventuell auftauchende Rechte am Zutritt zu hindern. Das Publikum war bunt gemischt, Jung und Alt, Gewerkschafter, Kirchenvertreter, Mitglieder des Schweinfurter Behinderten- und des Integrationsbeirates, Kreis-, Stadträte und Bürgermeisterin Kathi Petersen waren gekommen.

    Andreasch sprach die kompletten zwei Stunden frei, zeigte Bilder von Nazitreffs, von Aufmärschen, rechten Konzerten, den wichtigsten Rechtsradikalen, die großteils er gemacht hat. Er berichtete vom gegründeten Bayerischen Ring nationaler Frauen, über Immobilien, die rechte Gruppen erwerben, von Gaststätten, deren Wirte wissen, dass die Veranstalter Nazis sind.

    Und über die zunehmende Radikalisierung und Gewaltbereitschaft. Er sei mittlerweile in der rechten Szene so bekannt, dass er „an Veranstaltungen nicht mehr unerkannt teilnehmen kann“.

    Bis 2008 sei die NPD erste Kraft in Bayern gewesen, habe sich als „normale“ Partei etablieren wollen. Nach dem ernüchternden Ergebnis von 1,2 Prozent bei den damaligen Landtagswahlen begann ihr Ab-, zugleich der Aufschwung des Kameradschaftsdachverbands Freies Netz Süd, das auch den Aufmarsch in Schweinfurt vor zwei Jahren organisierte. Das Netz sei heute die wichtigste neonazistische Organisation im Land, sagte Andreasch.

    Fast wöchentlich führten Aktivisten in allen bayerischen Bezirken Kundgebungen und Aktionen durch. Mit dem Aufmarsch am 1. Mai 2011 in Heilbronn (800 Besucher) und dem Rechts-Rock-Open-Air „Frankentag“ in Roden-Ansbach bei Gemünden (600) habe das Freie Netz Süd seine Mobilisierungsfähigkeit bewiesen. Das Gros der Frankentag-Besucher sei aus der Gegend gekommen, was zeige, dass eine hohe Zahl von Menschen mit rechtem Gedankengut gar nicht organisiert ist.

    Andreasch präsentierte ein Foto von Martin Wiese im T-Shirt mit dem unmissverständlichen Rückenaufdruck „Seine Idee – Unser Weg“ und der Unterschrift „Adolf Hitler“. Wiese trat so beim Frankentag 2011 als Redner auf. Er ist wegen des Attentats auf die Synagoge in München zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt worden, dürfte öffentlich nicht mehr agieren.

    Andreasch, der auch in anderen Medien wie dem Spiegel publiziert, hat in der Süddeutschen Zeitung darüber berichtet, was mitursächlich für eine erneute Anklage gegen Wiese ist, die demnächst in Gemünden stattfindet.

    Als schockierend empfanden viele Besucher ein dem Verein Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle (a.i..d.a.) zugespieltes Foto, das Aktivisten der „Kameradschaft München Süd-Ost“ zeigt, die bei einem „Ausflug“ in die KZ-Gedenkstätte Dachau vor den Öfen des Krematoriums mit Siegeszeichen posieren, oder auch die Bilder von der beschmierten Synagoge Bamberg.

    Unglaublich der geschilderte Vorgang in Neustadt an der Waldnaab. Am Faschingszug nahmen trotz Polizeipräsenz rechte Gruppen – verkleidet als Tod und Sensenmänner – ungehindert teil. Das Banner trug die Aufschrift: „Die Demokraten bringen uns den Volkstod.“

    Andreasch' Fazit: In Bayern werde der Rechtsextremismus noch immer verharmlost. Wenn Innenminister Hermann erkläre, dass die NSU-Akteure, die für fünf Morde im Freistaat verantwortlich sind, keine Verbindungen ins Land gehabt hätten, sei das falsch. Und: Sich wehren, wirke. Frank Firsching hieb in dieselbe Kerbe: Schweinfurt habe im Mai 2010 mit der Bildung des noch immer präsenten Bündnisses reagiert und ein Bewusstsein für die Problematik und gegen das Kleinreden geschaffen.

    Der Bündnis-ist-bunt-Sprecher informierte, dass die Rechten heuer am 1. Mai die Stadt Hof heimsuchen wollen, dass sich auch dort ein Bündnis formiert habe, dem alle – auch die CSU – angehörten. Der DGB will einen kostenlosen Bus nach Oberfranken organisieren. Die Gewerkschaft hat aktuell ein Heft „Rechtsextremismus in Bayern“ veröffentlicht. Einer der Autoren ist Andreasch.

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