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SCHWEINFURT: Roter Teppich für Manet

SCHWEINFURT

Roter Teppich für Manet

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    Edouard Manet: Emile Zola, 1868, Paris, Musée d'Orsay. Schenkung von Madame Emile Zola an den Staat, 1918 (Ausschnitt). Rechts ist Zolas Streitschrift für Manet am blauen Deckblatt zu erkennen.
    Edouard Manet: Emile Zola, 1868, Paris, Musée d'Orsay. Schenkung von Madame Emile Zola an den Staat, 1918 (Ausschnitt). Rechts ist Zolas Streitschrift für Manet am blauen Deckblatt zu erkennen. Foto: FOTO bpk/RMN, Paris, MusEe d'Orsay, HervE Lewandowski

    Museumsleiterin Sigrid Bertuleit stellt das Bild ins Zentrum einer Sonderpräsentation, die sich der Zeit des Kaisers Napoleon III. und seines Städtebauers Georges-Eugene Haussmann widmet – mit zeitgenössischen Fotografien, Stereografien, Karikaturen und Ausgaben von Zolas Werken, von der Erstausgabe bis hin zur Übersetzung ins Japanische.

    So bildet das Gemälde gleichsam den künstlerischen Höhepunkt einer eher dokumentarischen Annäherung an eine höchst turbulente und widersprüchliche Zeit. Haussmann hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Paris ebenso brutal wie konsequent umgestaltet. Er ersetzte das alte Paris mit den engen, dunklen, dreckigen Gassen durch das Paris der großen Parks, Plätze und Prachtboulevards. Das Projekt lief unter dem Motto „schöneres und sauberes Paris“ – in der Tat verdankt die Metropole Haussmann ihre Kanalisation und ihre einzigartige urbane Anlage, etwa mit den sternförmig vom Triumphbogen abgehenden Avenuen.

    Dazu wurden allerdings die Bewohner ganzer Stadtviertel rücksichtslos umgesiedelt, ihre Häuser – auch das Elternhaus Haussmanns – abgerissen. Das mittelalterliche Paris verschwand nahezu gänzlich, nicht zuletzt deshalb sind kleinteiligere Viertel wie Montmartre oder die Rue Mouffetard heute bei den Touristen beliebter Gegenpol zu den monumentalen Achsen.

    Die Umgestaltung ging einher mit der beginnenden industriellen Revolution, die einerseits in den Weltausstellungen in London und Paris ihre euphorisch gefeierten Bühnen fand, andererseits ganze Bevölkerungsschichten ins Elend trieb.

    Der erste Raum der Präsentation ist ganz der zeitgenössischen Fotografie gewidmet. Bertuleit stellt Aufnahmen der gigantischen Weltausstellungsprojekte Bildern des täglichen Lebens der kleinen Leute gegenüber. Den Badewannen-Träger etwa, der Wanne und Wasser in bürgerliche Haushalte schleppte und nach dem Bade des Auftraggebers wieder abholte. Die Arbeiterinnen in der Tabakfabrik, die Gesichter gezeichnet von den giftigen Ausdünstungen. Die Tagelöhner der gigantischen Abrissbaustellen, die zwischen zwei Schichten völlig erschöpft in einer Baracke vor sich hindösen. Oder das Mordopfer in einer engen Gasse auf einem Polizeibild.

    Emile Zola (1840–1902) prangerte mit seinen Romanen „Der Bauch von Paris“, „Nana“, „Das Paradies der Damen“, „Germinal“ oder „Das Geld“ die Schattenseiten von Spekulation und Industrialisierung an. Manche Passagen – in der Ausstellung neben den Fotos platziert – ließen sich ohne Weiteres auf die gegenwärtige Krise anwenden. Und er ergriff Partei für die Opfer von Diskriminierung und Borniertheit. Sein offener Brief „J'Accuse. . .!“ (Ich klage an) für den verfemten Hauptmann Alfred Dreyfus führte zu einer (kurzen) Gefängnisstrafe, der er sich durch Flucht nach London entzog, wo er fast ein Jahr blieb. Seine Streitschrift für den von der akademischen Clique abgelehnten Manet ist auf dem Gemälde verewigt, ein Exemplar, gut am blauen Deckblatt zu erkennen, in einer Vitrine zu sehen.

    Zu Manets Porträt gelangt man durch eine Pforte aus zwei schwarzen Stellwänden, ein roter Teppich führt auf das Bild zu. Manet hat Zola bei sich im Atelier gemalt, er zeigt einen in Gedanken versunkenen, ernsten jungen Mann, der von einem Buch aufschaut. Die Staffage – Reproduktionen einer Bachanten-Szene von Velasquez, von Manets Olympia und eines japanischen Ringers – sagen ebenso viel über den Maler wie über das Modell aus. Tatsächlich kann man das Gemälde angesichts der minutiösen Komposition ebenso als Porträt wie als Stillleben sehen.

    3. Mai bis 2. August. So., 3. Mai, 11 Uhr: Matinee und Einführung mit Museumsleiterin Sigrid Bertuleit. Preview für Einzelbesucher und kleine Gruppen nach Voranmeldung: Tel. (0 97 21) 51 920.

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