Ein Leben, räsoniert in gerade einmal gut zwei Stunden. Das geht tatsächlich. Und es macht einen Riesenspaß. Nachdem Michael Ehnert vor sechs Jahren mit einem Schiller-Programm das Schweinfurter Theaterpublikum begeistert hat, war er jetzt mit „Goethes sämtliche Werke ... leicht gekürzt“ erneut zu Gast. Für das seit Jahren sehr erfolgreiche Theater Altona (Regie Martin Maria Blau) hat er sich zusammen mit Kristian Bader und Jan Christof Scheibe den weitaus produktiveren Geheimrat, Dichter, Wissenschaftler und vermeintlichen Frauenfreund zur Brust genommen und führt auf humorvolle, ironische Weise durch ein widerspruchsvolles Leben, ohne es der Lächerlichkeit preiszugeben.
Es beginnt auf dem Kickelhahn im Thüringer Wald, wo der 82-jährige Goethe Lebensbilanz zieht, und der getreue Eckermann seine Worte fein säuberlich in einer reichlich zerfledderten Kladde festhält. In große Holzkisten verpackt ist ein geheimnisvolles Goethearchiv, den einzigen Requisiten auf der Bühne Sylvia Hartmanns. Sie werden geöffnet, geschlossen, hin- und hergeschoben.
Rasantes Tempo
Als 23-Jähriger hatte Goethe mit „Götz von Berlichingen“ einen frühen Erfolg. Später: Werthers Leiden, Torquato Tasso, Egmont, Clavigo, Erlkönig, der Zauberlehrling. Faust bleibt fast ganz außen vor. In rasantem Tempo, dem manchmal nur schwer zu folgen ist, geht es durch das Oeuvre. Gestreift wird die Italienreise. Die vielen Frauengeschichten fehlen natürlich nicht. Es wird die Frage gestellt „Hat er oder hat er nicht? Und: Hat er die vielen Beziehungskisten möglicherweise nur erfunden?
Starker Reich-Ranicki
Witzig die Gespräche mit dem sächselnden Herzog von Weimar, der Wortwechsel mit Napoleon oder – ein Höhepunkt – der Auftritt von einem genial getroffenen Marcel Reich-Ranicki (Kristian Bader).
Das sich scheinbar blind die Bälle zuspielende Entertainer-Trio, das sich die Goetherolle teilt, sucht immer wieder mit viel Esprit den Bezug zur Gegenwart. Da gibt es den Dieselskandal, werden die 1700 Briefe an Frau von Stein zum flotten Handyaustausch. Dabei freilich bleibt es nicht einfach nur beim Spaß. Im großen Heimweh-Monolog wird Iphigenie zur heutigen Asylsuchenden.
Am Schluss ist Goethe wieder auf dem Kickelhahn. Der Dichterfürst, das Universalgenie wird ganz menschlich, zweifelnd. Ein letzter Gesang: „Scheitern ist gut, scheitern ist sexy“.
Das Publikum dankt mit reichlich Applaus.