Jungen Eltern Hilfe anbieten, ohne ihnen das Gefühl zu geben, kontrolliert zu werden – diesen Weg, der sicher manchmal eine Gratwanderung sein kann – will das Jugendamt der Stadt mit dem neuesten Projekt „Willkommen in Schweinfurt“ weiter beschreiten. Drei Wochen nach der Geburt wird jeder neugeborene Schweinfurter von Oberbürgermeister Sebastian Remelé mit einem Brief begrüßt. Den Eltern wird darin der Besuch einer Familienhebamme oder einer Mitarbeiterin der Stadt angeboten.
Anders als in Städten wie Augsburg, wo Eltern diesen Besuch ausdrücklich absagen müssen, wenn sie ihn nicht wollen, setzt das Schweinfurter Jugendamt auf Freiwilligkeit. Auf einer Antwortkarte, deren Porto die Stadt übernimmt, können die Eltern ihr Interesse bekunden. Im Mittelpunkt des Besuchs soll denn auch die Beratung, nicht etwa die Kontrolle durch das Amt stehen, betonten Jugendamtsleiterin Maria Albert-Wirsching und Susanne Decker von der Koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi), die die Besuche koordiniert.
Bunt gefüllte Tasche
Bei einer Pressekonferenz zum Start der Aktion packte Susanne Decker die Tasche aus, die beim Besuch als Begrüßungsgeschenk überreicht wird. Der Inhalt: ein Familiengutschein für das Silvana, fünf Kindersicherungen für Steckdosen, eine bunt bedruckte Stoffwindel, die gerne als Schmusetuch verwendet wird, ein Auskratzlöffel für Babygläschen, der später als Kuchenschaber Dienste leisten kann und drei Müllsäcke zur Sonderentsorgung von Windeln. Die Tasche selbst eignet sich als Wickeltasche.
Noch wichtiger für überforderte Eltern können die beiliegenden Flyer und der Elternwegweiser sein, die Auskunft über alles geben, was es in Schweinfurt für Eltern gibt: von den Adressen aller Krippen und Spielplätze, über Öffnungszeiten und Beratungsangebote, bis hin zur Ambulanz für Schreibabys. „Es gibt eine Vielzahl an Hilfen in der Stadt“, betonten Albert-Wirsching und Decker einmal mehr bei dieser Gelegenheit. Aber viele Familien, vor allem solche mit Migrationshintergrund, sind darüber zu wenig informiert. Der Elternwegweiser ist deswegen auch in drei Sprachen verfasst, deutsch, türkisch und russisch. Wird bei den Besuchen ein Dolmetscher gebraucht, können sich die Familienhebammen an den Migrationsbeauftragten wenden.
Die Aktion, die in anderen Städten „Hallo Baby“ heißt, geht auf eine Initiative des CSU-Stadtrates Wolfgang Kattner zurück. Als er im vergangenen Jahr den Antrag stellte, erinnerte er daran, dass in Deutschland 2008 24 Neugeborene tot aufgefunden und ein Dutzend Kinder ausgesetzt wurden. Die Quote der Kindesmisshandlungen lag zwischen zehn und 15 Prozent, bei deutlich höherer Dunkelziffer. 17 Prozent der Eltern hielten nach den Recherchen Kattners eine Tracht Prügel für vertretbar, mindestens fünf Prozent benutzen dazu einen Stock. Seinen Vorstoß begründete Kattner, der als Gynäkologe sehr nah am Thema war, damit, dass junge Familien häufig bereits bei Geburt des ersten Kindes völlig überfordert sind.
30 000 Euro Kosten
Der Stadtrat genehmigte bei den Haushaltsberatungen fraktionsübergreifend die 30 000 Euro für das Projekt. Rund 450 junge Schweinfurter werden jedes Jahr geboren, die Verantwortlichen rechnen damit, dass mindestens die Hälfte der Eltern einen Besuch wünscht. Angesprochen sind Eltern aller Schichten, nicht nur die finanziell Schlechtergestellten, sagt Kattner. Für OB Remelé, der im Wahlkampf eine familien- und kinderfreundliche Stadt versprochen hatte, wird mit „Willkommen in Schweinfurt“ ein weiterer Stein auf dem Weg dahin gelegt.