Der nächste Winter kommt bestimmt, und selbst wenn es ein harter Winter werden sollte, für die Bäume vor dem Rathaus dürfte das kein Problem mehr sein, sie haben nämlich bereits ihren Wintermantel angezogen. Schön bunt ist er und vor lauter Freude haben die Bäume auch noch einen in der Krone, da hängt einiges an Verzierung von den Ästen herab.
Zu verdanken haben sie ihr hippiemäßiges Outfit den Naturfreunden. Denen geht es wie den meisten Vereinen, sie stellten sich die Frage: „Wie kommen wir zu neuen Mitgliedern, wie können wir wieder einmal auf uns aufmerksam machen?“ „Wie wär's mit einem Strick- und Häkeltreff?“, überlegten sich die Vereinsfrauen und schritten zur Tat. Alle vier Wochen treffen sie sich und es kommen bis zu zwölf Frauen, die Freude am Handarbeiten haben.
Aber wer strickt im Hochsommer schon gerne Socken oder warme Pullover? Und so kamen die Damen auf eine ganz besondere Dorfverschönerungsidee. Ingrid Deuber erzählt: „Überall haben wir diese eingestickten Bäume, Statuen und Geländer gesehen, sogar ein Fahrrad war total eingestickt, das hat uns gefallen und wir haben beschlossen, das in Schonungen auch zu machen.“
Das sogenannte Guerilla Knitting ist längst zu einer weltweiten Bewegung geworden, es ist eine moderne Art der Straßenkunst, bei der Dinge eingestrickt oder umhäkelt oder auch mit verschiedenen Accessoires geschmückt werden. Erfunden hat es vermutlich die Texanerin Magda Sayeg, die 2005 mit einigen Bekannten unfertige Strickstücke über Parkuhren, Straßenschilder und Pfosten stülpte. Von Houston aus traten dann die bunten Farbkleckse im grauen Beton der Städte ihre Weltreise an. Oft haben sie nicht nur verschönernde, sondern auch symbolische Bedeutung, wie beispielsweise in Düsseldorf, wo Statuen gelbe Binden mit dem Atomzeichen bekamen.
Auch für Bürgermeister Stefan Rottmann haben die umhäkelten Bäume, die er von seinem Amtszimmer aus sehen kann, symbolische Bedeutung. Für ihn sind sie ein sichtbarer Beweis dafür, was gemeinsam erreicht werden kann. Immer da, wo sich Bürger für ihr Dorf zusammenschließen, wird's schöner und bunter. Das sei besonders in einer Gemeinde ohne finanziellen Spielraum wichtig, meint er. Und bedauert, dass die Wintermäntel für die Bäume keine Gürtel haben. „So könnte man gleich sehen, dass wir den Gürtel enger schnallen müssen“, kommentiert er lachend.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Den Strickerinnen bei den Naturfreunden jedenfalls gefällt ihr Werk, jetzt wird noch das Bachgelände am Schaukasten verziert und dann „schau mer mal“. Die Brunnenfiguren vor dem Rathaus sähen mit einem gestrickten Hütchen auch schöner aus, meint Werner Brüggemann. Es geht sicher noch weiter. Wer Lust hat, sich zu beteiligen, ist eingeladen zum nächsten Strick-Treff am Freitag 18. Juli, ab 19 Uhr im Naturfreundehaus. Auch über Wollspenden und -reste freuen sich die Straßenkünstlerinnen. Sie können bei Inge Brüggemann Am Hainisch 11 abgegeben werden.