Der Schweinfurter Rechtsanwalt Jürgen Scholl hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wegen übler Nachrede und Verleumdung von Personen des politischen Lebens, insbesondere von Angela Merkel angezeigt. Das Verhalten des türkischen Präsidenten vor allem wegen der Nazivorwürfe gegen die Bundeskanzlerin habe eine strafrechtliche Relevanz erreicht, die auch für den Frieden der in Deutschland lebenden Menschen „ein Wegschauen verbietet“, schreibt Scholl.
Der Anwalt hat sich zuletzt als Nebenklagevertreter der Hauptbelastungszeugin im Vergewaltigungs- und Missbrauchsprozess gegen einen Bamberger Chefarzt einen Namen gemacht hat. Er gehört als CSU-Mitglied dem Vorstand des Schweinfurter Ortsvereins Mitte an.
Scholl: „Das Maß ist voll“
In seiner an die Staatsanwaltschaft Schweinfurt geschickten Strafanzeige stellt Scholl klar, dass sich seine Anzeige nicht gegen das türkische Volk und die in Deutschland lebenden türkischen Mitbürger richtet. Er habe sich den Schritt auch gut überlegt. Ob die Schweinfurter Anklagebehörde der richtige Adressat ist, wisse er nicht, sie werde die Anzeige dann eben an die zuständige Staatsanwaltschaft weiterleiten.
Scholl geht davon aus, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, „weil man sich mit dem die Gesellschaft spaltenden Verhalten Erdogans auseinandersetzen muss“. Scholl gegenüber der Redaktion wörtlich: „Das Maß ist voll“.
Weitere Eskalation
Der Rechtsanwalt listet in seiner fünfseitigen Strafanzeige eine Reihe von gegen Merkel gerichtete Aussagen Erdogans auf. So etwa die in einem Interview geäußerte Aussage, dass Merkel Terroristen unterstütze. In Redeauftritten habe er ihr Nazi-Methoden und Nazi-Praktiken vorgeworfen.
Als weitere Eskalation oder sogar „Drohung“ sieht Scholl die im Zusammenhang mit den Wahlen in der Niederlanden gemachte Äußerung Erdogans, dass er zwischen der Türkei und Europa einen „Kampf zwischen Kreuz und dem Halbmond“ annehme.
Unter Zugrundelegung der mitgeschickten Medienveröffentlichungen erfülle das Verhalten von Erdogan den Tatbestand der üblen Nachrede und der Verleumdung, weil er unter anderem über die Bundeskanzlerin „falsche und ehrverletzende Behauptungen aufstellt“. Möglicherweise sei auch der Tatbestand der Volksverhetzung verwirklicht, weil der türkische Präsident gegen Kurden „zum Hass aufstachelt“. Das gelte auch für die Aussage zum angeblichen Religionskrieg.
Experte: Wenig Aussicht auf Erfolg
Ein Professor der Juristischen Fakultät der Universität Würzburg indes räumt auf Anfrage dieser Redaktion der Anzeige des Schweinfurter Anwalts wenig Aussicht auf Erfolg ein. Er hält die Vorwürfe „an den Haaren herbeigezogen“.