Aufgrund der Vorbereitungen für die Premierenlesung ihres Debütromans "Die Welt hat blaue Haare" zog es die junge Autorin Paula Steiner zurück in ihre Heimatstadt Schweinfurt. Gleich nach dem Abi am Celtis-Gymnasium ist die 18-Jährige nach Berlin gezogen. Erleichtert, wie sie erzählt, die konservative Heimat hinter sich zu lassen, nur um dann festzustellen, dass ihr diese doch am Herzen liegt.
Und so siedelt sie auch das Setting ihres Romandebüts in Schweinfurt an. Immer wieder begegnen den Leserinnen und Leser bekannte Schauplätze, wie das Rückertdenkmal, der Roßmarkt und die 51 zum Hochfeld, die Stadtgalerie sowie das Schweinfurter Tagblatt, im Buch als Lokalzeitung benannt, die einen maßgeblichen Anteil am Ausgang der Geschichte trägt.
Figuren sind bewusst karikativ überzeichnet
Der bewusst mit vielen Klischees überfrachtete Handlungsplot ist reine Fiktion und die Figuren frei erfunden, erklärt die Autorin, auch wenn im Buch Erfahrungen, Szenen und Charakterzüge verarbeitet werden, mit denen sie so oder so ähnlich in ihrem Leben als junge, bisexuelle Frau schon einmal konfrontiert wurde.
Wichtig ist Steiner, dass die Geschichte nachvollziehbar und die Figuren greifbar sind. Das Gegenwärtige, das schonungslos ehrlich formulierte Zwischenmenschliche und die Sicht aufeinander stehen im Mittelpunkt der Geschichte. Die Figuren sind dabei bewusst karikativ überzeichnet, nicht wirklich sympathisch, dafür aber umso glaubhafter.
Zum Plot: Die siebzehnjährige Protagonistin Luisa hadert mit ihrer Identität und will sich finden. Trotz eines Freundes ist sie heimlich in ihre blauhaarige Mitschülerin Dunja verliebt. Im Türkischen heißt Dünya "Welt" – titelgebend für den Roman und sicher auch Metapher für Luisas parallel herbei fantasierte Gefühlswelt, in der Dunja die Hauptrolle spielt – ein cleverer literarischer Streich der jungen Autorin, um die kleinbürgerliche Realität mit feministischer Weitsicht und gesellschafts-satirischer, provokanter Fantasie zu konterkarieren.
Ihrer Oma diktierte sie als Kind Geschichten
Fünf Jahre Arbeit stecken im Debütroman der 25-Jährigen, die an der Filmuniversität Babelsberg Drehbuch studiert hat, und aktuell ihren Master am Literaturinstitut Hildesheim macht. Das geschriebene Wort spielt seit jeher eine große Rolle in ihrem Leben, schafft die Literatur doch die Möglichkeit, Realität und Fiktion so zu vermischen, dass die erzählte Geschichte letztendlich "nie nur eine Geschichte ist". Ihr Werk, wie es Autorin Julia Franck im Vorwort zu "Die Welt hat blaue Haare" formuliert, ist nicht nur "Träumen und Flüchten", sondern auch "schmerzliches Erwachen".
Schon als Kindergartenkind diktierte Paula Steiner ihrer Oma Geschichten. Seit der Grundschule schreibt sie Gedichte und Kurzgeschichten, später werden ihre Erzählungen in Magazinen veröffentlicht und bringen Stipendien ein. Als Schülerin tritt sie immer wieder erfolgreich bei regionalen und überregionalen Poetry-Slams an.
In einem, wie sie heute feststellt, "absurden Bewerbungsprozess" sicherte sie sich einen der wenigen begehrten Plätze an der Filmuniversität Babelsberg. Das Drehbuch-Studium ist harte Kost, in dem sie das Prosaische und Erzählende, das sie so liebt, oft vernachlässigen muss, dafür aber lernt, das Essenzielle mit wenigen Worten herauszustellen.
Vier Monate dauerte es, bis ein Verlag sich meldet
Das zeigt sich auch in ihrem als "Coming-of-Age" deklarierten und doch für alle Altersklassen konzipierten Romandebüt. Die Idee dazu "spukte" schon lange in ihrem Kopf herum. Als Bachelorarbeit nimmt sie stark verkürzte literarische Gestalt an – der Grundstein für die gut 250 Seiten lange Romanversion ist gelegt, die sie unter den Augen ihres, wie Paula es im Nachwort augenzwinkernd schreibt, "Co-Autors" Hund Kalle im Laufe des Schreibprozesses unzählige Male an die Wand klatschen möchte.
Auf eine Verlagsantwort muss die junge Autorin fast vier Monate warten. Eine nervenaufreibende Zeit stellt sie klar, schließlich geht es um die für jeden Romanschaffenden existentielle Frage: "Lesenswert oder ein Fall für die Schublade". Neben Lektorin Senta Wagner, die sie beim Auslandsstudium in Wien kennenlernt, gehören ihre Oma und Mutter Sandra, die übrigens außer der tadelnden Augenbraue so gar nichts mit der Buchmutter gemein hat, zu den ersten Leserinnen.
Die Mutter liest das Buch in einem Rutsch – für die Tochter das "schönste Kompliment". Dann folgt der erlösende Anruf: Ihre Gesellschaftssatire birgt so großes Lesepotential, dass der Leykam-Buchverlag das Romandebüt sofort im neuen Programm veröffentlichen möchte, wie sie nun mit stolzem Blick auf das druckfrische Hardcover-Buch erzählt. Aktuell arbeitet Steiner bereits an ihrem zweiten Roman – erleichtert, dass sie Luisa, die ihr doch ans Herz gewachsen ist, nun ziehen lassen kann, um sich neuen Charakteren zu widmen.
Die Premierenlesung findet am Freitag, 13. September, um 19 Uhr, im Museum Georg-Schäfer statt. Karten gibt es in der organisierenden Buchhandlung Collibri.