Einen Namen hat er nicht, aber schon einen festen Platz im Team: Im Sommer haben die sechs Schweißer bei der H. Steinhardt GmbH in der Georg-Schäfer-Straße einen neuen Kollegen bekommen, einen kollaborierenden Roboter. Das ist ein Industrieroboter, der mit Menschen Hand in Hand arbeitet – ohne jedwede Schutzeinrichtungen.
„Das ist er.“ Geschäftsführer Ralf Schindelmann zeigt stolz auf eine schlichte Apparatur, die in einer der hinteren Schweißkammern im Gebäude 38 steht. Der große Gelenkarm, an dessen Ende ein Schweißgerät angebaut ist, sieht unspektakulär aus, ist aber eine hochkomplexe Maschine, die den Schweißer in einem gemeinsamen Arbeitsprozess unterstützt. Deshalb auch der Name kollaborierender Roboter. Historisch ist der Begriff zwar negativ besetzt, steht er doch für die Zusammenarbeit mit dem Feind.

Lange Zeit galt der Roboter ja auch als „Feind“ des Arbeiters, weil er Arbeitsplätze wegrationalisiert hat. Nicht so in Zeiten von Industrie 4.0. Hier wird der Roboter in bestehende Produktionsumgebungen integriert, arbeitet direkt mit Menschen zusammen und wird zu einem entscheidenden Teil des Teams.
Benedikt Hoffart ist der Boss in diesem Team. Er gibt die Anweisungen, und der Roboter führt sie aus. Die Kommunikation erfolgt natürlich nicht verbal, sondern wird per Computer gesteuert, den Hoffart zuvor mit den einzelnen Arbeitsschritten programmiert hat. Am Bau einer Konsolenstütze führt er das vor. Hierzu muss eine Metallplatte mit einem Vierkantrohr verschweißt werden. Hoffart gibt die Schweißpunkte im Computer ein, drückt den grünen Knopf und der Roboter legt los. Sekundenschnell geht das. Und die Konsole ist fertig.
Fachkräftemangel in der Branche
„Für uns ist das eine große Erleichterung“, sagt Hoffart. „Und eine Arbeitszeiteinsparung“, ergänzt Geschäftsführer Schindelmann. Denn während Kollege Roboter arbeitet, kann der Schweißer andere Tätigkeiten erledigen. Angesichts des Fachkräftemangels in dieser Branche sei das ein großer Vorteil. „In Deutschland bekommt man fast überhaupt keinen Schweißer mehr“, bedauert Schindelmann. Allenfalls über Leiharbeitsfirmen seien Fachkräfte aus dem osteuropäischen Raum noch zu haben, doch wegen der Sprachprobleme nicht wirklich eine Alternative.

Als Schindelmann auf der Industriemesse den kollaborierenden Roboter sah, war er deshalb sofort begeistert. Bislang werden solche Roboter in der Industrie hauptsächlich für stark ermüdende, monotone Aufgaben wie Lastenheben an einer Montagelinie verwendet. In einer Schweißerei sei der Einsatz des kollaborierenden Roboters etwas völlig Neues, weiß Abteilungsleiter Dominic Müller. Das funktioniert auch nur, weil beim kollaborierenden Roboter keine Schutzeinrichtungen nötig sind. Diese neue Generation verfügt nämlich über Sensoren, die Verletzungen beim menschlichen Mitarbeiter verhindern. Schon die geringste Berührung löst ein Not-Halt-Signal aus, und der Roboter schaltet sich ab.
Das Programmieren ist die eigentliche Herausforderung
Aktuell arbeiten erst zwei Schweißer mit dem „neuen Kollegen“, denn das Programmieren ist die eigentliche Herausforderung. Benedikt Hoffart ist darin schon geübt, trotzdem bedarf es einiger Minuten, bis er die einzelnen Arbeitsschritte im Computer eingegeben hat. Lohnend ist der Robotereinsatz deshalb erst, wenn mehrere Stückzahlen gefertigt werden müssen. „Ab zehn Teilen macht das Sinn“, sagt Hoffart.
Die Schlosserei und Schweißerei durchlaufe gerade einen Wandel von der reinen Mechanik über den Komplettanbieter für Automatisierungslösungen bis hin zur Robotik, erklärt Geschäftsführer Schindelmann. So wurde 2016 eine bestehende Härteanlage mithilfe der Robotertechnik komplett automatisiert. Alle dafür notwendigen Komponenten habe HST selbst entwickelt und in Betrieb genommen. Schindelmann kann sich deshalb durchaus vorstellen, dass auch noch mehr kollaborierende Roboter Einzug halten. Mit 60 000 Euro seien die Anschaffungskosten erschwinglich.

Bei aller Euphorie über den „neuen Kollegen“ werden seinem Einsatz aber auch Grenzen gesetzt. Beispielsweise bei der Anfertigung von sehr großen, schweren Schweißkonstruktionen oder bei diffizilen Arbeiten. Und überhaupt: „Die besten Schweißer sind sowieso Frauen“, hat Geschäftsführer Schindelmann erkannt, weil sie beim Ziehen der Schweißnaht einfach „ein feineres Händchen“ haben.