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Showdown im Musical-Geschäft

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Showdown im Musical-Geschäft

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    Zwei Drittel der 400 Zuschauer blieben dennoch: sie erlebten eine ausgezeichnete Aufführung mit sehr guten Leistungen der Musical-Darsteller und einer Zehn-Mann-Band aus New York. In der Pause spendierte Hausherr Jürgen Mönch - der am Desaster völlig unschuldig war - freie Getränke fürs Publikum.

    "What happened?", fragt sich der Musical-Besucher. Kurz vor 20 Uhr bittet Veranstalter Heinz Bertsch das vor dem Saaleingang wartende Publikum um Geduld: wegen eine Verkehrsstaus seien die Künstler zu spät. Gegen 2030 Uhr werden nur die Besucher der Kategorie I (37,50 Euro) eingelassen. Schnell stellt sich heraus warum: die übrigen Kategorie-Karten sind auf Reihen ausgestellt, die es gar nicht gibt. Aufregung und Schimpfen im Saal, Trauben von Besuchern, die vergeblich ihren Platz suchen.

    Mercure-Chef Jürgen Mönch: "Wir haben, wie angefordert, 14 Reihen mit je 30 Stühlen gestellt". Aber es wurden eben auch Karten der Reihen 15, 16, 27, 28 verkauft. Schließlich finden alle in den vorderen Reihen Platz, es ist inzwischen kurz vor 21 Uhr. Die ersten Zuschauer verlassen den Saal, versuchen vergeblich, ihr Geld wieder zu bekommen.

    Die Aufregung steigert sich, als ein aufgebrachter Besucher schreit: "Die haben uns belogen, es war kein Stau, einer ist mit der Abendkasse durchgebrannt, deshalb wollen die Musiker nicht spielen." Tumult, Action, auch Backstage ist der Teufel los: Zwei als Besucher anwesende Polizeibeamte nehmen Bertsch wegen Betrugsverdacht vorläufig fest.

    Polizeihauptkommissar Wolfgang Keß erscheint und bringt etwas Ruhe in die Gruppe der vor dem Kongresszentrum diskutierenden "ausgestiegenen" Zuschauer. Die geben ihre Personalien für eine Anzeige an. Auch der Sachverhalt klärt sich etwas: Der Veranstalter habe zwar das Ensemble bezahlt, aber um 2500 Euro zu wenig. Deshalb der Streik der Künstler, die jetzt plötzlich anbieten, doch zu spielen.

    Heinz Bertsch, der örtliche Veranstalter des Musicals, zeigte sich gestern auf unsere Nachfrage äußerst bestürzt über den tumultösen Ablauf der Veranstaltung und den berechtigten Zorn der Besucher. In seiner 30-jährigen Tätigkeit in diesem Geschäft sei ihm so etwas noch nicht widerfahren. Der Tourneeleiter Antonio Belvedere, der die Verträge mit den amerikanischen Künstlern gemacht habe, könne diese wegen der Insolvenz eines italienischen Partners nicht einhalten.

    Die Künstler hätten aber Geld gefordert, so Bertsch. Für sie habe er bereits 15 000 Euro verauslagt, die sie vom Tourneeleiter zu bekommen hätten. In Schweinfurt habe er erst sehr spät erfahren, dass die amerikanischen Darsteller noch 2500 Euro forderten, und zwar sofort, sonst würden sie nicht auftreten. Weil er das Geld nicht dabei hatte, habe er natürlich zur Notlüge vom Stau auf der Autobahn gegriffen. "Ich kann den Leuten doch nicht sagen, das wird nichts", so Bertsch. Die amerikanischen Künstler seien sehr hartnäckig. Der Tourneeleiter werde praktisch jeden Tag von ihnen "erpresst": Geld oder kein Auftritt.

    Bertsch hofft, dass er die verbliebenen drei Auftritte in Heidenheim, Gunzenhausen und Albstadt-Tailfingen noch über die Runde bringt und denkt seinerseits daran, die Kripo und einen Rechtsanwalt einzuschalten. Ob er sein Geld je wieder sieht, das er für den offenbar zahlungsunfähigen Tourneeleiter verauslagt hat, um die Auftritte überhaupt noch zu ermöglichen, das wisse auch er noch nicht. Noch nie habe er derlei erlebt. Beim Schwäbischen Tagblatt in Reutlingen heißt es, die Bertsch-Konzertdirektion sei als seriös bekannt.

    Doch jene, die viel Geld bezahlt und dann mit Wut im Bauch das Musical verpasst haben, wird das kaum trösten. Sie können Strafanzeige stellen, sagte gestern die Polizei auf Anfrage. Betrug komme nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft nicht in Betracht.

    Um 2150 Uhr beginnt dann die Show mit "Willkommen, Damen und Herren" aus dem Erfolgsmusical "Cabaret". Die sechs Solisten erweisen sich als hervorragende vielseitige Musical-Interpreten, die mit der Tanzgruppe und der Band trotz der vorausgegangenen Querelen eine gute Show vor allem aus Webber-Musicals bieten. Vielleicht gerade wegen dieser - von wem auch immer zu verantwortenden - Unverschämtheit gegenüber dem Publikum.

    Doch das zeigt sich großzügig, nachdem sich Darsteller Paul Woodson beim Finale für alle Unannehmlichkeiten entschuldigt. Stürmischer Applaus, stehende Ovationen.

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