„Jeden Tag satt werden, ist für rund 870 Millionen Menschen weltweit ein unerfüllbarer Wunsch“, weiß man beim Hilfswerk Misereor, und startete am Aschermittwoch eine Solibrotaktion. Spezielle Brote werden bis Karsamstag mit einem Benefizanteil verkauft. Wer kein Brot kaufen möchte, kann obligatorisch zwei Euro spenden, dafür stehen Boxen bereit. In Grafenrheinfeld beteiligen sich der Katholische Frauenbund, die Seniorenbegegnung sowie die Bäckereien Haagen und Hartmann an der Aktion.
Neben dem Brotverkauf steht aber auch die Selberbackerfahrung auf dem Programm und so wurden in der letzten Gruppenstunde der Seniorenbegegnung eifrig Dinkelbrötchen für den guten Zweck gebacken. Ganz nebenbei entspann sich eine lebhafte, interessante Diskussion rund ums Thema Brotbacken. Viele der Mitglieder haben den Krieg miterlebt und wissen ganz genau, was es bedeutet, Hunger zu haben. Aber sie wissen auch, dass Solidarität hilft.
In Grafenrheinfeld wurde das Brot vom Bäcker Kuhn gebacken, erinnert sich Maria Rösch. Das Getreide wurde zum Müller gebracht, gemahlen und dann, zurück in der eigenen, möglichst warmen, Stube mit Sauerteig und Kümmel, angesetzt.
Schon das Mischen der Zutaten und das Schlagen des Brotteigs war, so erzählen einige Seniorinnen, ein gewaltiger Kraftakt, „a Mords Ärbet“ quasi. In schlechten Zeiten, so Maria Rösch, wurde das Mehl mit Kartoffeln gestreckt, eine kulinarische Besonderheit, der die Grafenrheinfelderin bis heute nicht viel abgewinnen kann. Wenn Leute heute vom leckeren Schweinfurter Kartoffelbrot erzählen, schüttelt es Maria Rösch.
In großen Behältnissen wurde der kiloschwere Teig dann nach einer Ruhezeit zum Bäcker Kuhn gebracht, der seine Backstube im heutigen Rathaus hatte. Dort wurden bis zu 15 Laibe Brot, jedes fünf bis sechs Pfund schwer, gebacken. 10 Pfennig verlangte Bäcker Kuhn pro Laib und eine Markierung auf dem Brotrücken verriet, wessen Brot er da gerade in seinem Ofen buk. Gut zwei Wochen hielt dann der Vorrat, der in Kriegszeiten auch mit anderen bereitwillig geteilt wurde, wie Maria Rösch sagt.
In der kleinen Gemeinde Lindach gab es keinen Bäcker, dafür einen Gemeinschaftsofen für den ganzen Ort, erzählt Helga Braun. Mit Reisig befeuert, entwickelte das Brot dort einen besonderen Geschmack. Kartoffeln wurden in Lindach nicht beigemengt, nur Sauerteig, der bei allen Seniorinnen unter dem Namen „Däsm“ bekannt ist. Im früheren Rafelder Volksmund war „so ein Däsm“ auch die Umschreibung für einen extrem schwerfälligen Zeitgenossen. Ein Teil des Brotteiges wurde übrigens immer aufgehoben, um daraus das neue Ferment zu machen.
Gerda Brünner erinnert sich, dass bei einem Bombenangriff einmal lauter Schutt in ihren frisch angemachten Brotteig geflogen ist. Den haben dann die Schweine bekommen – und es überlebt, sagt die Seniorin grinsend. Fast jeder hat so seine Geschichte zu erzählen, und so wird die Solibrotaktion in Grafenrheinfeld auch eine spannende Reise in die Vergangenheit – zurück zum Krieg, Schulbroten und „Däsm“.