Ende letzten Jahres fand der letzte Spielenachmittag der Nachbarschaftshilfe statt - coronabedingt mussten dann die anderen Spielenachmittage ausfallen. So entstand die Idee, sich wenigstens im Franziskusgarten zu Kaffee und Kuchen zu treffen. Anstelle des gemeinsamen Spielens, zu dem man sich sonst im Haus Franziskus zusammenfindet, waren die Gäste zu einem Spaziergang eingeladen. Ziel des Spaziergangs: das Marterle am Seeweg in Gernach. Hugo Hetterich, als Autor des Buches "Gernacher Geschichte und Geschichten" ausgewiesener Kenner der Gernacher Ortsgeschichte, gab am Marterle am Seeweg einen Überblick über die zwölf "Marterli" in der Gernacher Flur. Er garnierte seine Vorstellung der Bildstöcke mit interessanten Details aus der Gernacher Ortsgeschichte. So wusste er zu erzählen, dass die Häuser der reichen Familien vier Fenster zur Straßenseite hatten - die weniger vermögenden nur drei. Die reichste Familie in Gernach, die Familie Dreher war schon im Jahr 1889 im Besitz einer Dreschmaschine. Diese Familie hatte das Kreuz im Jahr 1912 an dem Weg nach Lindach errichten lassen. Renoviert wurde es 1957 von der Familie Schneider, die in New York seßhaft geworden war. Der älteste Bildstock der Gernacher Gemarkung steht auf der linken Seite der Straße nach Heidenfeld, 1,4 Kilometer westlich von der Gernacher Kirche entfernt. Er wurde 1622 errichtet, 1712 renoviert. 1970 wurde es von seinen Standort am Gernacher Sportplatz an die Straße nach Heidenfeld versetzt. Nur Kenner werden den Gedenkstein am Ilgenstein kennen: Er ragt nur noch 40 Zentimeter aus der Erde. Sein ursprünglicher Standort war an der früheren Heidenfelder Straße, jetzt ist er im ersten Windschutzstreifen an der Straße nach Heidenfeld zu finden. Der Name "Ilgenstein" kommt sicher von der nahe gelegenen Waldabteilung "Ilgenschlag". Unklar ist, ob mit diesem Stein an einen Soldaten erinnert werden soll, der sich im nahen Kapellenschlag erschossen haben soll, oder an einen Waldaufseher, der von einem Wilderer erschossen wurde. Mit der Vorstellung des Bildstocks am Seeweg - dem Ziel der Wanderung der Gäste des Spielenachmittags, endete der Überblick über die Bildstöcke in der Gernacher Flur. Dieses Marterle wurde 1625 errichtet, 2012 von der Gemeinde renoviert. Der Bildstock zeigt Jesus am Kreuz, zu seinen Füßen Maria und der Apostel Johannes. Leider nagt an allen Marterli der Zahn der Zeit: viele Inschriften, die früher noch lesbar waren, sind an den Originalbildstöcken nicht mehr lesbar, aber in der Ortschronik, die Lehrer Georg Haderdauer einst anfertigte und auch im Buch von Hugo Hetterich dokumentiert. "Vieles wussten wir noch nicht von dem, was Du uns erzählt hast" - wandte sich eine Besucherin an Hugo Hetterich und sprach damit aus, was wohl alle empfanden.
Von: Erhard Scholl Ansprechpartner Nachbarschaftshilfe Gernach