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STAMMHEIM: Stammheim in Nebel und Pulverdampf

STAMMHEIM

Stammheim in Nebel und Pulverdampf

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    Ton ab! Kamera läuft und Action! Der Angriff auf die feindliche Stellung ist bei den Dreharbeiten in Stammheim in vollem Gange. Der erste Infanterist ist bereits gefallen, der zweite sinkt getroffen zu Boden.
    Ton ab! Kamera läuft und Action! Der Angriff auf die feindliche Stellung ist bei den Dreharbeiten in Stammheim in vollem Gange. Der erste Infanterist ist bereits gefallen, der zweite sinkt getroffen zu Boden. Foto: Foto: Norbert Vollmann

      Die Mainschleife ist in eine dicke Nebelsuppe gehüllt. Dazu ist es mit minus sechs bis sieben Grad bitterkalt an diesem Morgen. Beste Eisweinlesezeit von den Temperaturen her. Plötzlich zeichnen sich vor mir auf dem Waldweg beim Stammheim im dichten Grau schemenhaft verschiedene Gestalten ab. Nein, es sind keine Helfer, die gerade von der Eisweinlese zurückkehren, zumal die Form der Kopfbedeckung aus näherer Entfernung unschwer die Pickelhaube unter dem Stoffüberzug erkennen lässt. Es sind Komparsen auf dem Weg zu den Dreharbeiten der Münchner Loopfilm.

    Die auf Dokudramen fürs Fernsehen und Kino spezialisierten Filmemacher produzieren hier am und im Militärmuseum eine zweiteilige Dokumentation des ZDF über den Ersten Weltkrieg. Dessen Beginn jährt sich im Juli 2014 zum 100. Mal.

    Handbesen im Einsatz: Der Reif muss weg

    Noch ein Schluck heißer Kaffee oder Tee aus den Kannen, dann wird vor und hinter den Kulissen langsam aber sicher die nachgestellte Schlacht um die Gefechtsstellung beginnen. Bald wird sich der vom Main heraufziehende Nebel mit Pulverdampf und künstlich erzeugtem Nebel vermengen, denn der ist besser für die Filmaufnahmen strukturiert als der echte, wie zu hören ist.

    Zudem hat sich der Reif wie ein Zuckerguss über Sandsäcke, Gehölz und Stacheldraht gelegt. Fleißige Helferinnen versuchen ihn notdürftig an den wichtigsten Stellen mit dem Handbesen abzukehren. Schließlich ist im Film noch Sommer, kein Winter.

    Selbst einen Eisenbahnanschluss scheint Stammheim bekommen zu haben. Es handelt sich um die für den Kamerawagen von Kameramann Tobias „Tobi“ Corts verlegten Schienen. Mittendrin im Kriegsgeschehen, die Ruhe in Person, Regisseur, Produzent und Loopfilm-Geschäftsführer Oliver „Olli“ Halmburger. Er und der Mann für die Spezialeffekte, Jan Singh, sind es vor allem, die die Kommandos geben. Als aufmerksamer Beobachter hat sich auch Alexander Berkel vom ZDF unter das Filmvolk gemischt. Das Mitglied der Redaktion Zeitgeschichte ist einer der Autoren der zweiteiligen Dokumentation.

    „Die Soldaten zu mir“ schallt es irgendwann übers Gelände mit dem außerhalb des Militärmuseums eigens für die Dreharbeiten angelegten Schützengraben und dem kleinen Schlachtfeld davor. Auf den Aufruf in dieser Zeitung und in der Mainfranken-Kaserne in Volkach hin haben sich reichlich Statisten gemeldet. Die meisten nehmen für die Dreharbeiten in der Regel Urlaub. Dafür gibt es 60 Euro Tagesgage und sie kommen immerhin ins Zweite Deutsche Fernsehen. Loopfilm-Redakteur Kai Schäfer lobt sie alle über den grünen Klee, spricht von Top-Komparsen, die super mitarbeiten.

    Währenddessen erklärt Tobias Corts von seiner Position auf dem Kamerawagen aus: „Wir müssten die Sandsäcke noch etwas flacher haben“. Gesagt, getan. Dann die erste Stellprobe. Noch sind keine echten Schüsse oder Einschläge zu hören. Jan Singh deutet sie mit lauten Peng- oder Rums-Rufen an. Wer getroffen ist, muss natürlich „auch umfallen“ und in seiner Position „verharren“. Den Laiendarstellern an der Seite der Profis wird zusätzlich eingetrichtert: „Wir müssen immer an die Phalanx denken.“ Damit ist die Kampfformation gemeint. Schließlich ist auch der gesuchte „Franzose“ und der „Hopffer“ (eine der Hauptfiguren) unter den Soldaten ausgemacht.

    Es wird ernst. Die Klappe für die Szene „Angriff Hopffer“ fällt, Kamera und Ton laufen. Alles klappt hervorragend. Auch die rote Angriffsfahne verheddert sich nicht mehr. Es fallen Schüsse und die erste „Granate“ explodiert so perfekt, dass es die Erdbrocken nur so durch die Luft wirbelt. Der Sturmtrupp überrennt die Stellung, Verluste inklusive. Die Bilder sind im Kasten, bevor es für die Nahaufnahmen wieder heißt: „Alles auf Anfang.“

    Es ist schon ein gewaltiger Aufwand, der in Stammheim für die oft nur wenige Sekunden langen Szenen und Sequenzen getrieben wird, sowohl auf dem neben dem Museumsgelände extra angelegten Schlachtfeld inklusive Schützengraben, als auch in der bestehenden, nachgebauten Bunkeranlage aus dem Ersten Weltkrieg auf dem Museumsareal. Aber der Regisseur ist voll zufrieden, ja begeistert, als die Bilder über den Kontroll-Monitor unter dem kleinen Zeltdach laufen.

    Andererseits ist Oliver Halmburger („Stauffenberg – die wahre Geschichte“, „Die Hölle von Verdun“, „Das Wunder von Mogadischu“, „Der Wettlauf zum Südpol“ und andere) ein Meister seines Fachs, was die spannende und verständliche Neuinszenierung geschichtlicher Ereignisse in möglichst authentischer Weise anbelangt. Man spürt, es wird ihm auch diesmal gelingen, eindrucksvoll dar- und nachzustellen, wie brutal, grausam und sinnlos Krieg war und ist.

    Auch Schloss Zeilitzheim dient als Kulisse

    Die Heimszenen, etwa wenn sich die Hauptfiguren von ihren Eltern verabschieden oder mit diesen über den bevorstehenden Kriegseinsatz diskutieren, werden übrigens in Schloss Zeilitzheim gedreht. Dort bei den von Halems ist auch zum größten Teil der Filmtross aus München einquartiert.

    „Vom Jubel in die Hölle“ und „Die Suche nach den verlorenen Söhnen“

    Die Dokumentation des ZDF über den Ersten Weltkrieg, für die in dieser Woche im Militärmuseum in Stammheim und in Schloss Zeilitzheim die Münchner Loopfilm GmbH dreht, besteht im Grunde genommen aus zwei selbstständigen Teilen.

    Das Buch für den ersten Teil mit dem Arbeitstitel „Vom Jubel in die Hölle“ haben Stefan Brauburger und Stefan Mausbauch von der Redaktion Zeitgeschichte des ZDF geschrieben. Hier geht es um besondere Lebensgeschichten und Schicksale, die sich um den Ersten Weltkrieg ranken. Einer dieser Soldaten, der jubelnd und voller Euphorie in den Krieg zieht, aber schon

    vier Wochen später im Alter von nur 18 Jahren fallen wird, ist Peter Kollwitz, der Sohn der berühmten deutschen Grafikerin, Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz.

    Das Buch für den zweiten Teil der Dokumentation mit dem Arbeitstitel „Die Suche nach den verlorenen Söhnen“ stammt aus der Feder von Alexander Berkel und seiner Kollegin Annette von der Heyde, ebenfalls von der Zeitgeschichtsredaktion des ZDF. Hier geht es unter anderem um ein Infanterieregiment, das erst 93 Jahre, nachdem es 1918 in seinem Stollen verschüttet wurde, entdeckt und ausgegraben wird.

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