(ido) So weit das Auge reicht Reis- und Ginseng-Felder, dazwischen pralle Wassermelonen auf ein paar Äckern rund um das Dörfchen Kimjaesi im Westen Südkoreas, das aus nicht mehr als einem Dutzend Hütten mit Wellblechdächern besteht. Dorthin zieht es die Schweinfurter Familie Gehles alle zwei Jahre, um Großmutter Bongcha zu besuchen.
Deren Tochter Bo Young hatte ihren Mann Reiner, einen Schweinfurter, vor 20 Jahren in einem Kaufhaus in Südkorea kennen und lieben gelernt, als er als Maschinenbauer mehrere Monate in dem asiatischen Land tätig war. Als er nach Deutschland zurückkehrte, kam sie mit.
Bei einem solchen Familientreffen platzt Großmutter Bongchas Häuschen fast aus allen Nähten. Neben Küche und Bad gibt es nur ein großes Wohnzimmer und einen kleineren Nebenraum. Das Bettenlager im Wohnraum bietet trotzdem für alle genügend Platz.
Traditionell übernachtet man in Südkorea auf dicken Decken auf dem Fußboden, erzählt Bo Young. So zahle man auch im Hotel nicht etwa pro Bett, sondern pro Zimmer – ganz egal, wie viele darin unterkommen. Überhaupt spielt sich ein Großteil des Alltagslebens auf dem Boden ab. Jeden Morgen werden die Decken zusammengerollt und ein niedriger Tisch ausgeklappt, an dem kniend oder im Schneidersitz gegessen wird. Stühle gibt es nicht.
Da die Gastronomie Südkoreas generell sehr preiswert ist, geht die Familie gerne aus oder bestellt sich das Essen ins Haus. Die Lieferung erfolgt samt Geschirr, das später wieder abgeholt wird. Auch im Restaurant stehen nur selten Tische nach westlichem Vorbild. Unter manch niedrigem Tisch ist ein Loch – für Touristen, die im Schneidersitz nicht lange sitzen können und darin ihre Beine verstauen, sagt Reiner.
„Das Dorf ist bei weitem moderner als manches Kaff in Deutschland“
Reiner Gehles über das südkoreanische Dörfchen Kimjaesi
Zum Frühstück gibt es nichts anderes als mittags und abends: Gegrilltes Rindfleisch in Sojasoße, eingewickelt in Salatblätter, süß-sauer gebratenen Fisch oder frittierte Shrimps; dazu mehrere Beilagen, die in vielen kleinen Schälchen den Tisch füllen. Dabei darf Kimchi nicht fehlen, eine Art Sauerkraut aus Chinakohl oder Lauch. In unzähligen Tontöpfen lagert die Großmutter dieses typische Gericht hinter dem Haus. „Voll lecker“, findet Tochter Sharon das koreanische Essen.
Die kleine Hüttensiedlung der Großmutter ist vom Weltgeschehen keineswegs abgeschnitten. Das Dorf sei „bei weitem moderner als manches Kaff in Deutschland“, sagt Reiner. Vom schnellen Internet über die Klimaanlage bis zum Fernseher ist alles da, auch in Omas Haus. Abends mietet sich die Familie gerne einen Raum in einer der vielen Karaoke-Bars in der nahegelegenen Stadt Chonju. Die Einheimischen finden sich hier fast jeden Abend ein, singen mit Kind und Kegel bei Discolicht und starkem Sound zu koreanischen wie internationalen Hits bis spät in die Nacht. Oma Bongcha ist natürlich dabei.
Das Nachtleben pulsiert in den Straßen und Kaufhäusern Südkoreas, schwärmen die Gehles. Vor allem in der Hauptstadt Seoul sei der Trubel riesig. Bis weit nach Mitternacht werde gegessen, getrunken, geshoppt. Als die Großmutter zum ersten Mal nach Deutschland kam, wunderte sie sich über Schweinfurts ausgestorbene Straßen: Ob wohl abends um zehn schon alle schlafen? Ihr gefiel die Ruhe. „Ruhig oder langweilig, je nachdem“, kommentiert Reiner Gehles trocken. Er ist nach wie vor begeisterter Südkorea-Reisender.