
Es ist ein sehr gewöhnungsbedürftiges Beispiel „moderner“ Fernsehunterhaltung. Da fetzt und zofft sich auf RTL am Mittwoch zur besten Sendezeit in der Sendung „Die Super Nanny“ eine Familie aus Gerolzhofen solange vor einem Millionenpublikum, bis immer wieder die Tränen aus den verheulten Augen fließen.
Noch bedrückender: Mittendrin als Hauptdarsteller erst zehn- und elfjährige Kinder. Ob sie beim Drehen zu erkennen vermögen, was nach der Sendung möglicherweise an Häme auf sie zukommt?
Die Namen und Gesichter der Patchwork-Familie sind jetzt alle öffentlich. Auch wie es in der „zerrütteten und zerstrittenen“ Familie aussieht, weiß nun jeder. Dass dort bislang nur „Streit, Krieg, eisiges Schweigen und eine vergiftete Atmosphäre“ zwischen der Mutter mit ihren in die Ehe mitgebrachten zwei Töchtern auf der einen und ihrem neuen Ehepartner mit seinen beiden Söhnen auf der anderen Seite geherrscht haben, wenn die Aussagen zutreffen. Selbst das blaue Auge der Frau ist nun öffentlich.
Das Haus, in dem die Familie momentan noch wohnt, ist bei Tag und Nacht so oft im Bild zu sehen, dass nun der Letzte wissen dürfte, wo es sich in der Stadt befindet.
Es ist ein zeitweise unerträglicher Seelen-Striptease ohnegleichen. Vor laufenden Kameras und Mikros lässt die Familie den Zuschauer daran teilhaben, wie es hinter den Fassaden des kleinen Häuschens aussieht.
Viele Szenen wirken echt, andere aber auch inszeniert, vor allem dann, wenn sich das Blatt allmählich zugunsten der Schlichtungsversuche der „Super Nanny“ wendet. Obwohl Katia Saalfrank beteuert, dass es keine Patentrezepte gebe und es auch zu keiner klaren Problem-Analyse kommt, scheint es ihr mithilfe der eingeschalteten Paartherapeutin zu gelingen, der Familie den Weg aus der Krise zu bahnen.
Im Gedanken bleibt aber besonders ein Satz der Diplompädagogin haften: „Warum tun sie (gemeint waren die beiden Ehepartner) das sich und ihren Kindern an?“
Genau diese Frage muss man sich nach der Ausstrahlung der Sendung stellen. Gerade die Kinder werden nach dieser Zur-Schau-Stellung noch leiden, in der Schule, unter den Freundinnen und Freunden oder am Ausbildungsplatz. Warum schützt man nicht wenigstens die unmündigen Kinder? Diese Frage müssen sich RTL und die „Super Nanny“ auch nach diesen 45 Minuten gefallen lassen. Das Format ist und bleibt grenzwertig.
In und um Gerolzhofen dürfte die Einschaltquote indes immens gewesen sein. Sogar Leinwände sollen zur Übertragung in Kneipen und Zimmern aufgestellt worden sein. Manch Zuschauer hat sich beim Anblick ihm bekannter Personen vielleicht gar amüsiert. Viele andere aber bewegt seitdem mehr denn je die Frage: Aus welchem Grund nur tut sich eine Familie so etwas an?