Interessant war, dass die Ärzte durchaus unterschiedliche Auffassung zum Thema Impfung haben. Dr. Jürgen Schott, Arzt für Allgemeinmedizin und Naturheilverfahren aus Bergrheinfeld, hat bislang noch nicht geimpft, informiert sich derzeit umfassend und erstellt eine Nutzen-Risiko-Analyse, die er am kommenden Montag, 16. November, um 19.30 Uhr in der Alten Amtsvogtei in Grafenrheinfeld vorstellt. Dr. Lothar Schmid dagegen, Allgemeinmediziner aus Gochsheim, hat ganz gute Erfahrungen nach rund 100 Impfungen gemacht: recht gut verträglich, sagt er, aber teilweise etwas stärkere Reizungen an der Einstichstelle, die nach wenigen Tagen verschwinden.
Unterschiedlich beantworten diese beiden die Frage einer Mutter, ob es den Sinn mache, ein Kind ohne Grippesymptome zu impfen, dessen Banknachbar in der Schule an Schweinegrippe erkrankt sei. „Nein“, sagt Jürgen Schott, weil der Impfstoff zwei bis drei Wochen brauche, bis er wirke. „Ja“, sagt Lothar Schmid, weil man das noch nicht so genau sagen könne. Damit hat er ein Kernproblem angesprochen. Aufgrund der kurzen Erprobungszeit gibt es noch kaum gesicherte Erkenntnisse über Wirkung und Nebenwirkungen des Impfstoffs.
„Wir nehmen an einem Massenversuch teil“, waren sich die Fachärzte einig. Sie orientieren sich im Wesentlichen an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, bringen aber auch ihre eigenen Erfahrungen und Auffassungen mit ein. Während Schott für einen zweiwöchigen Abstand zwischen den Impfungen gegen die „normale“ und die Neue Grippe plädiert, meint Schmid, man könne sie im Zweifelsfall auch zusammen verabreichen.
Auf die Frage nach alternativen Vorsorge- und Behandlungsmethoden antwortete Jürgen Schott, die gebe es durchaus und zwar auf Naturheilbasis oder aus der Homöopathie. Da gebe es Mittel, die die Abwehrkräfte stärken, die aber individuell auf jeden Patienten abgestimmt sein müssen. Auf die Sorge eines Rauchers, ob er besonders gefährdet sei und sich gegen die Neue Grippe impfen lassen sollte, sagte Schott, dass sich Raucher natürlich auch impfen lassen können. Aber die Gefahr, an einer Erkrankung in Zusammenhang mit dem Rauchen zu erkranken oder zu sterben sei wesentlich größer als an der Neuen Grippe zu erkranken oder zu sterben.
„In der Regel gut verträglich“ ist die Erfahrung von Dr. Hans Ibel, Facharzt für Kinderheilkunde in Werneck nach bislang 40 Impfungen. Mehr über Nebenwirkungen konnte er noch nicht sagen. Die häufigsten Fragen an ihn lauteten:
Soll man ein Frühgeborenes oder ein gesundes einjähriges Kind impfen?
Hans Ibel: Nein. Lieber nicht mit den Kleinen auf jede Kinderparty gehen.
Sollte man seine gesunden zwölf- und 15-Jährigen impfen?
ibel: Sie fallen nicht unter die strenge Indikation. Allerdings ist zu bedenken, dass der Häufigkeitsgipfel der Neuen Grippe zwischen 14 und 25 Jahren liegt.
Empfehlen Sie die Impfung bei einem Kind, das an Asthma leidet?
Ibel: Das Robert-Koch-Institut spricht hier von einer eindeutigen Indikation, vor allem beim Asthma, das durch Infektionen ausgelöst wird oder das vorwiegend im Herbst und Winter auftritt.
Ist es richtig, dass Kinder zweimal geimpft werden?
Ibel: Kinder zwischen sechs Monaten und neun Jahren bekommen zweimal die halbe Dosis im Abstand von drei Wochen. Zwischen zehn und 60 Jahren wird einmal geimpft. Ältere Menschen sollen zweimal mit der ganzen Dosis geimpft werden.
Das gilt freilich nur als vorläufige Meinung der Impfkommission beim Robert-Koch-Institut, ergänzt Schott. Hier gilt es die Erfahrungen der ersten Wochen abzuwarten. Dr. Klaus-Ulrich Schmier, Internist und Diabetologe aus Bergrheinfeld betont, dass es keine generellen Empfehlungen gebe und in jedem Einzelfall entschieden werden müsse. Er wurde unter anderem gefragt:
Haben Sie ein Gegenmittel in der Praxis, falls ich allergisch reagiere?
Klaus-Ulrich Schmier: Jeder Arzt, der impft, muss antiallergische Medikamente vorhalten.
Muss ein Patient mit Multipler Sklerose Angst haben, dass die Impfung einen Schub auslöst?
Schmier: Ich würde ihn derzeit eher nicht impfen, weil es darüber keine Erfahrungen gibt. Besser wäre es, die bekannten Hygienemaßnahmen zu beachten und Menschenansammlungen meiden.
Welche Vor-und Nachteile haben Impfverstärker?
schmier: Der Vorteil ist eine breitere Immunität, falls sich das Virus verändert. Der Nachteil sind mehr Nebenwirkungen.
Der Internist betonte noch, dass Patienten antivirale Substanzen wie Tamiflu nicht auf Vorrat hamstern und sie vorbeugend nur nach ärztlicher Verordnung einnehmen sollten. Bei Fernreisen sei eine Mitnahme des Medikamentes nach entsprechender Aufklärung durchaus sinnvoll.
Auch das Telefon von Dr. Andrea Waigand, Gynäkologin aus Schweinfurt, stand kaum still. Sie hatte ähnliche Fragen wie ihre Kollegen zu beantworten. Erstaunlich war, dass keine einzige Schwangere anrief. Andrea Waigand selbst zeigte sich darüber nicht sehr überrascht. Für ihre eigenen schwangeren Patientinnen sei die Impfung kein Thema. Das deckt sich mit ihrer eigenen Erkenntnis, dass der Impfstoff nicht geeignet sei für Frauen, die ein Baby erwarten.
Weitere Fragen, die an mehrere Ärzte gestellt wurden:
Hat jeder Patient das Recht auf den neuen Grippetest?
Nein. Der Hausarzt untersucht und entscheidet, ob ein solcher Test Sinn macht. Beispielsweise bei einer schweren Vorerkrankung des Patienten oder wenn er Kontakt hat mit gefährdeten Personen.
Wie erfahre ich, welche Ärzte impfen?
Entweder über die Homepage der Kassenärztlichen Vereinigung (www.kvb.de) oder beim eigenen Arzt nachfragen. Impft der selbst nicht, vermittelt er an einen Kollegen weiter.
Wie lange dauert es nach der Ansteckung, bis man erkrankt?
In der Regel ein bis vier Tage.