Dr. Georg Sperber gilt als Kapazität und Pionier auf dem Gebiet des Waldnaturschutzes. Obwohl inzwischen 80 Jahre alt, hat seine Stimme als hartnäckiger Streiter für national und international „mehr Urwald wagen“ weit über Deutschland hinaus Gewicht.
Zuletzt erhielt der Ebracher 2011 den Deutschen Naturschutzpreis verliehen. Dies vor allem auch, weil er trotz aller Widerstände als einer der ersten staatlichen Forstbediensteten versucht hat, in den Staatswäldern um Ebrach den Hebel hin zu deutlich mehr Arten- und Naturschutz umzulegen. Jetzt steht er unweit des künftigen staatlichen Steigerwald-Zentrums für nachhaltige Forstwirtschaft in Handthal im „Krackentännig“ bei Neudorf vor einem gefällten Baum und ist erschüttert.
Vor ihm liegt in einem Waldstück des Staats-Forstbetriebs Arnstein an der B22 die seiner Einschätzung nach schönste und stärkste Stieleiche der Staatswälder ganz Mainfrankens. Was für ein Baumgigant in dem vor der Forstreform zum Revier Oberschwarzach des Forstamts Ebrach gehörenden Krackentännig wohl gezielt als Einzelbaum zum Fällen ausgewählt wurde, vermag man schon daran zu erkennen, dass der von Forstleuten zur Beurteilung herangezogene Durchmesser in Brusthöhe eines Menschen mit von Sperber gemessenen 110 Zentimetern deutlich über der Grenze für Methusalem-Bäume liegt.
Die haben sich die Staatsforstbetriebe selbst gesetzt, um die ältesten und mächtigsten Baumindividuen zu erhalten. Eichen dürfen demnach ab einem Durchmesser von einem Meter alt werden.
Keine Anzeichen von Krankheit
Da der mächtige Stieleichen-Stamm mit über zehn Metern Länge, der von einer gewaltigen, äußerst vitalen Krone überragt wurde, außerdem keine für Sperber erkennbaren Anzeichen auf das Eichen-Sterben aufweist, schmerzt ihn der Verlust umso mehr.
Sperber trauert um den alten Baumfreund. Auf dem Weg zu dem gefällten Eichenriesen hat man „im Vorbeigehen“ noch eine alte Mittelwaldeiche gefällt und zum Abtransport am Waldweg zurechtgelegt. Der abgestorbene Baum durfte vorher viele Jahre als ökologisch wertvolles Biotop stehen bleiben. Er war Brutbaum des Charaktervogels fränkischer Laubwälder, des Mittelspecht. Die Bruthöhle im Stamm ist selbst für Laien unübersehbar.
Weitere ebenfalls gefällte eindeutige Biotopbäume hat Georg Sperber inzwischen im benachbarten „Eichholz“-Wald im Süden von Neudorf entdeckt. Auch diese Eichen seien ökonomisch von geringem Wert, aber für die Waldnatur sehr wertvoll gewesen.
Der pensionierte Forstmann fragt sich, warum sie gefällt wurden, obwohl die Staatsforsten in ihrem Naturschutzkonzept erklären, „dass Biotopbäume und Totholz über die Artenvielfalt in den bewirtschafteten Laubwäldern entscheiden“.
Rekord-Preise
Ein weiterer wertvoller Baum des 30 Hektar großen Walddistrikts, ein Speierling am östlichen Waldsaum mit einem von Georg Sperber gemessenen Durchmesser in Brusthöhe von 64 Zentimetern und einem sechs bis sieben Meter langen Stamm, ist beidseits bereits mit einem roten Schrägstrich versehen. Das ist die Anweisung zum Fällen für den Fahrer des Harvesters, des Holzvollernters.
Georg Sperber, Leiter des Forstamtes Ebrach von 1972 bis 1998 und zuvor maßgeblich am Aufbau des Nationalparks Bayerischer Wald beteiligt, hat nur eine Erklärung für das Opfern derartiger Baumjuwelen. 2011 habe sich der Forstbetrieb Arnstein damit geschmückt, einen Bergahorn als „Weltrekordbaum aus dem bayerischen Staatswald“ verkauft zu haben. 2012 hatte der Nachbarbetrieb Ebrach mit dem teuersten Laubholzstamm Frankens gekontert, einer Elsbeere. Sperber vermutet, dass sich die Verantwortlichen in Arnstein mit einem auffällig mächtigen Eichenstamm den „Titel“ zurückholen wollen. Steckt am Ende also ein Prestige-Duell dahinter? Für Sperber ist es unabhängig davon stets dasselbe: Zwischen der schönen Waldwelt der staatlichen Naturschutzkonzepte, publikumswirksam dargeboten in farbenprächtigen Broschüren der Staatsforsten, und der grünen Realität würden gewaltige Sprünge klaffen.
Und in einem Anflug von Sarkasmus schiebt er nach: „Für die Bürger als die eigentlichen Waldeigentümer könnte man Stammscheiben solcher Bäume im nahe gelegenen Handthaler Nachhaltigkeitsmuseum zur Schau stellen – als Beweisstücke für die staatliche Forstbetriebsphilosophie ,Schützen durch Nützen‘.“