Nicht viele haben meine Chance hier.“ Nedal Othman ist dankbar für das Sprungbrett einer Ausbildung. Neben sechs anderen Azubis ist der 25-Jährige seit 1. September im ersten Lehrjahr zum Elektroniker Automatisierungstechnik bei der Firma Trips in Grafenrheinfeld. Zwei Dualstudenten haben ebenfalls begonnen, und mit den Auszubildenden in höheren Jahrgängen ist das Ausbildungsteam 29 Personen stark.
Nedal Othman kam 2014 mit Eltern und Geschwistern aus Damaskus in Syrien nach Deutschland. Er ist einer von 42 Flüchtlingen, die im September in Unterfranken in einem Betrieb der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Ausbildung sind. Das belegen Zahlen von IHK und der Regierung von Unterfranken. Wieviele Flüchtlinge im Landkreis Schweinfurt in Ausbildung sind, kann die IHK auf Nachfrage nicht beantworten. Die Handwerkskammer rechnet mit rund 80 Azubis aus Ländern, die in Deutschland oft Asyl bekommen. Das Kriterium „anerkannter Flüchtling“ dürfe nicht abgefragt werden, sagt eine Sprecher der Handelskammer. Insgesamt wohnen rund 13 200 Flüchtlingen in Unterfranken. Rund die Hälfte der 13 200 sind jünger als 25 Jahre.
Gute Betreuung in der Firma
Othmans Traumberuf wäre Automechaniker gewesen. Doch das Praktikum, das er in einer Werkstatt absolvierte, war ernüchternd. Die Kollegen dort arbeiteten vor sich hin, zeigen wollten sie ihm wenig. „Ich bin bereit, egal welche Ausbildung“, sagt er heute rückblickend. Volle Betreuung bekam Othman bei den beiden Trips-Ausbildungsleitern Tobias Brünner und Ambrosius Friedrich. „Der Mensch muss zu uns passen. Und er muss lernen wollen“, sagt Friedrich, der für die praktische Ausbildung verantwortlich ist.
Und Nedal Othman passte dazu: „Man muss sehen, wie sich einer über einen längeren Zeitraum benimmt“, lautet Friedrichs Überzeugung. „Welche Launen er hat.“ Mehr als ein halbes Jahr verbrachte Othman zwei Tage pro Woche im Praktikum bei Trips, die anderen drei im Berufsvorbereitungskurs an der Alfons-Goppel-Berufsschule. Der Kontakt war bei einer Veranstaltung der IHK entstanden, eine Lehrerin hatte ihn Trips empfohlen. Der 25-Jährige wollte lernen, in Syrien war er zehn Jahre zur Schule gegangen. Einen Beruf hatte er noch nicht gehabt.
Dass Othman schon fast 25 Jahre alt war, spielte für den Ausbildungsplatz keine Rolle, sagt Trips-Sprecherin Sybille Templin. Wenn jemand ein gewisses Alter erreicht habe, sei „er vielleicht sogar noch motivierter“. Im November wird ein 32-jähriger Familienvater die zweijährige Umschulung zum Elektrotechniker beginnen. Zwar hatte der schon in einem vergleichbaren Beruf im Iran gearbeitet, doch ohne Ausbildungszeugnis wird ihm seine Vorerfahrung für den deutschen Arbeitsmarkt nicht anerkannt.
Mit dem Rad zur Arbeit
Jeden Morgen radelt Nedal Othman von seiner elterlichen Wohnung zum Schichtbeginn um 7 Uhr nach Grafenrheinfeld. Manchmal nimmt er auch den Bus. Den Ausbildungsleitern hat er schon ein bisschen Arabisch beigebracht, soviel wie „Guten Morgen“ und „Wie geht's?“.
Auch auf Deutsch läuft die Verständigung gut. Am schwierigsten fallen Othman die Fachbegriffe rund um die Automatisierungstechnik, die Trips weltweit anbietet. An der Tafel im Schulungsraum steht noch der Unterrichtsanschrieb vom Vortag: Den Kern zu „Sicherheitsmaßnahmen“ hat Othman verstanden, sagt er. Wenn auch nicht jedes Wort, das müsste er nachschlagen.
Das Problem: Zu viel Technisches ist in der internationalen Branche auf Englisch erklärt – zum Lernen für Othman willkommen. Doch wenn es dann wieder in die Berufsschule geht, muss auch die deutsche Vokabel parat sein. Trotz der sprachlichen Hürden: Othman will durchziehen. 2020, im Frühjahr, darf er sich dann Elektroniker Automatisierungstechnik nennen. „Und jeder Auszubildende“, sagt Ausbildungsleiter Friedrich, „wird übernommen, wenn er das will.“