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SCHWEINFURT: Über den Tellerrand des Tourismus geblickt

SCHWEINFURT

Über den Tellerrand des Tourismus geblickt

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    Die Schweinfurter Gymnasiastin Johanna Masuch (19) hat sich auf den Weg nach Afrika gemacht, um die Wurzeln dieser Kunst zu erspüren und in ihrer Facharbeit zu erläutern.
    Die Schweinfurter Gymnasiastin Johanna Masuch (19) hat sich auf den Weg nach Afrika gemacht, um die Wurzeln dieser Kunst zu erspüren und in ihrer Facharbeit zu erläutern. Foto: FOTO Masuch

    „Ich war die einzige Frau, die einzige Weiße, die einzige Blonde“, erinnert sich Johanna an ihre Zeit in der Künstlergemeinschaft in Tansania. Von den Vater an den Sohn wird hier die typisch afrikanische Kunst weitergegeben, die es in dieser Ausprägung nur in der Gegend von Dar es Salaam in Tansania gibt. Die Bilder erinnern ein wenig an die in Deutschland bekannte naive Kunst.

    Meist werden afrikanische Tiere und Cartoonartige Figuren in ganz kindlicher Form abgebildet. Ursprünglich waren die Motive der Tinga-Tinga-Malkunst Gestalten aus Mythen und Märchen. Heute sind es überwiegend die afrikanischen Tiere, die sich auf den Leinwänden in bunten Farben tummeln. „Die Künstler sitzen auf dem Boden und malen mit kleinen Stöckchen“, erzählt die Abiturientin und erinnert sich an den Geruch von Autolack, der die Künstler ständig umgibt. „Autolack hat den Vorteil, dass es ihn überall relativ günstig gibt, dass er schnell trocknet und abwaschbar ist“, erklärt die blonde Schweinfurterin die ganz praktische Seite der Farbauswahl. Doch ihre Augen beginnen zu leuchten, wenn sie von dem „einzigartigen Glanz“ spricht, der sich nur in der Tinga-Tinga-Malerei widerspiegeln würde. Es war für die 19jährige eine Zeit der Erfahrung, der ganz tiefen Erlebnisse, nicht nur in der Malerei.

    „Die Maler haben sich nie für den nächsten Tag verabredet“, beginnt Johanna und ergänzt sinnierend, „weil sie nicht wussten, ob sie den nächsten Tag noch erleben würden.“ Kunst und Armut – eine nicht seltene Kombination – und doch hatte sie in dem Künstlerviertel von Dar es Salaam eine ganz besondere Bedeutung. Für ein großes Bild brauche ein Tinga-Tinga-Maler etwa ein bis zwei Wochen, weiß die Pendlerin zwischen zwei Welten. Der viel zu geringe Verkaufpreis reicht den Künstlern gerade so zum Überleben. Erschrocken hat es die Deutsche, wenn ihre eigenen Landsleute den Preis für ein solch begehrtes Mitbringsel dann heftigst herunterdrückten. Sie selbst wurde von den Künstlern nur ausnahmsweise in die traditionelle Malkunst eingeführt, die ansonsten ausschließlich den Männern vorbehalten ist.

    Nur der kleine Finger dürfe sich auf der Leinwand abstützen, erklärt die Schülerin die Maltechnik, die komplett aus Regeln besteht. Anfangs sei sie besonders von den Ehefrauen der Künstler misstrauisch beäugt worden. Nicht nur aus Eifersucht, sondern auch aus Existenzangst. „Die Frauen hatten Angst, ich würde die Kunst mit nach Deutschland nehmen, sie dort nachmachen und ihnen dadurch die Lebensgrundlage entziehen“, weiß Johanna. Doch die Ängste der Frauen waren unbegründet. „Hier zu Hause kann ich diese Bilder gar nicht malen. Es geht einfach nicht. Es fehlt die Atmosphäre“, lächelt die junge Frau.

    Verliebt hat sie sich erst später auf der Reise. Nicht nur in die Künstler und die besondere Kunstrichtung, sondern auch in einen kleinen Jungen aus dem Waisenhaus. „Er wurde in einer Plastiktüte verpackt ausgesetzt und war schon von Insekten angefressen, als er gefunden wurde“, berichtet Johanna entsetzt.

    Das Schweinfurter Ehepaar Michael und Hedwig Lamm mit seiner langjährigen Erfahrung in Tanzania hat Johanna auf die 1000 Kilometer lange Strecke von Dar es Salaam nach Peramiho, einem Missionsdorf, im Südwesten Tansanias „geführt“. Hier hatte sie die Möglichkeit, über den Tellerrand des Afrika-Tourismus zu schauen.

    Krankenhaus, Waisenhaus, Leprastation und Schule durfte Johanna besuchen und miterleben. Beeindruckt von der Lebensfreude und Zufriedenheit der Menschen, war dieser Aufenthalt ein unbeschreibliches Erlebnis voller prägender Erfahrungen, Erfahrungen, die vielen ihrer Altersgenossen wohl für immer verwehrt bleiben.

    „Zahlst du mir drei Finger?“, wird sie von einem kleinen Jungen hoffnungsvoll gefragt, der vier Finger in einem Stammeskampf verloren hat – die Eltern hatten nur Geld für die Operation eines Fingers. Tinga-Tinga – eine Kunst, die wohl weit über die Facharbeit der Abiturientin hinaus strahlen wird.

    Afrikamarkt als Hilfe

    Am Sonntag findet ab 15 Uhr im Restaurant Kugelmühle in Schweinfurt ein Afrika-Markt statt. Veranstaltet wird er vom Rotaract-Club Schweinfurt. Die Einnahmen des Nachmittags gehen an ein Waisenhaus in Tanzania, das unter der Leitung von einigen freiwilligen Benediktinerinnen steht und sonst in Kürze geschlossen werden muss. Auf dem Markt werden Bilder verkauft, die von Afrikanern aus Tanzania gemalt wurden. Daneben wird es ein großes Angebot an Kunstgegenständen geben, die vom Kloster Münsterschwarzach zur Verfügung gestellt wurden. Musikalisch untermalt wird die Veranstaltung von einer Trommlerin, die original afrikanische Trommelmusik spielen wird.

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