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SCHWEINFURT: Überzeugungstour für den Freihandel

SCHWEINFURT

Überzeugungstour für den Freihandel

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    In der Entwicklungsabteilung: Der amerikanische Generalkonsul in München, William E. Moeller (links), und Horton-Chef Thomas W. Wollin mit dem Prototypen eines Motorkühlsystems, das aus naheliegenden Gründen hier nur von hinten fotografiert ist.
    In der Entwicklungsabteilung: Der amerikanische Generalkonsul in München, William E. Moeller (links), und Horton-Chef Thomas W. Wollin mit dem Prototypen eines Motorkühlsystems, das aus naheliegenden Gründen hier nur von hinten fotografiert ist. Foto: Foto: Martina Müller

    Der amerikanische Generalkonsul ist auf Überzeugungstour. William E. Moeller III möchte über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP sprechen. Oder vielmehr: Unterstützer aktivieren. Zum Beispiel bei Horton im Industrie- und Gewerbegebiet Maintal. Bekanntlich regt sich zunehmend Widerstand gegen das TTIP – Europa fürchtet um seine Umwelt- und Lebensmittelstandards, vor allem aber die unkontrollierte Einfuhr hormonell behandelter oder gentechnisch veränderter Lebensmittel. Bedenken, die die amerikanische Seite nur schwer verstehen kann.

    Horton ist ein amerikanisches Unternehmen mit Hauptsitz in Roseville, Minnesota, seit 1951 in Familienhand. Seit 2003 gibt es den eigenen Produktionsstandort Schweinfurt – den einzigen außerhalb der USA. 2002 hatte das Unternehmen ein Joint Venture mit ZF Sachs gebildet, im Jahr darauf kaufte Horton dann die Sparte Motorkühlsysteme komplett, und aus Horton Sachs wurde Horton Europe.

    Managing Director Thomas W. Wollin ist selbst Amerikaner und seit November für drei Jahre Chef in Schweinfurt. „In den USA haben sie gedacht, ich hätte den Kürzeren gezogen“, scherzt er mit Blick auf seine Versetzung. „Aber ich bin der Meinung, ich habe den Längeren gezogen.“ Moeller, der in München residiert und Bayern liebt, pflichtet ihm mit ironischem Enthusiasmus bei: „In Bayern leben und arbeiten müssen – was kann einem Schlimmeres passieren?“

    Großer Kundenkreis

    Wollin gibt einen Überblick über das Unternehmen, später wird Werksleiter Thomas Tratz durch die Fabrik führen. Horton fertigt und vertreibt Lüfterkupplungen, Lüfter und zugehörige Komponenten für Dieselmotoren in Nutzfahrzeugen vom Lieferwagen bis zum Riesentruck, für Baumaschinen, Busse, Wohnmobile oder Generatoraggregate. Die Liste der Hersteller, in deren Fahrzeugen Horton-Kühlsysteme arbeiten, ist lang.

    William Moeller bemerkt Namen wie Caterpillar und John Deere und fragt als kundiger Wahlbayer nach dem Traktorenhersteller Fendt. Fendt ist eine Marke der AGCO Unternehmensgruppe und zählt damit bereits zu den Kunden von Horton, sagt Wollin. Neue Kunden zu akquirieren sei im Übrigen nicht einfach. „Sie müssen besser oder billiger sein, wenn sie landen wollen. Am besten beides.“

    Horton stellt – vereinfacht gesagt – zwei Sorten von Lüfterkupplungen her: Modelle mit Ein-Aus-Funktion, teilweise mit zwei Gängen, und Modelle mit stufenlos regelbarer Drehzahl. Erstere finden in den USA Anwendung, die anderen in Europa. Während die US-Systeme reparierbar sind und so weitere Einnahmequellen eröffnen, etwa mit Reparatur-Sets, gilt das nicht für das europäische System. Zumal diese Kupplungen, in denen die Kraftübertragung durch Öl stattfindet, extrem haltbar seien, sagt Wollin. Auch deshalb habe die europäische Wirtschaftskrise das Unternehmen getroffen: „Was ist die erste Entscheidung? Der Truck wird eben noch ein Jahr länger gefahren und kein neuer gekauft. Das waren harte Jahre für uns.“

    Als transatlantisch agierendes Unternehmen ist Horton für Moellers Anliegen wie gemacht. Wieviel denn an Zöllen zu zahlen sei beim Warenverkehr zwischen den USA und Europa, will er wissen. Finanzchef Thomas Witha spricht von durchschnittlich vier Prozent – in beiden Richtungen. Hauptschwierigkeit und beträchtlicher Kostenfaktor aber sind die verschiedenen Standards und Zertifizierungssysteme, ergänzt Wollin.

    „Warum haben wir nicht einfach gegenseitige Anerkennung“, fragt Moeller. Er habe gedacht, die Bayern würden sich am meisten für das Freihandelsabkommen begeistern, sagt er. „Nun stellt sich heraus, sie sind die skeptischsten.“ Besonders in der Landwirtschaft gebe es Widerstand. Dabei seien die USA der Exportmarkt Nummer eins für bayerische Produkte. Und BMW sei in den USA der größte Autoexporteur.

    Moeller sieht in diesen Daten starke Argumente für das TTIP. Europäische Politiker seien bislang allerdings nicht sehr hilfreich gewesen – aus Nervosität vor Wahlen. Immer wieder flicht er deutsche Ausdrücke in sein Amerikanisch ein: „Chlorhühnchen“ zum Beispiel, „Mittelständler“, „Verbraucherschutz“ oder „Bio“. „Zig Millionen Amerikaner wollen mittlerweile Bio essen, und es werden immer mehr. Die sind bereit, für bayerische Bioprodukte zu bezahlen“, ist Moeller überzeugt.

    Fehlinformationen

    Die meisten Gegenargumente hingegen seien von Unkenntnis und Fehlinformationen geprägt. „Das Argument Chlorhühnchen macht mich wahnsinnig“, sagt Moeller, „die Europäer reinigen ihren Salat mit Chlor, aber mit Hühnchen geht das nicht.“ Auch beim Hormonfleisch sieht Moeller eine gewisse Inkonsequenz. „Das erste, was Deutsche tun, nachdem sie in New York gelandet sind, ist, in ein Steakhaus zu gehen. Weil dort das Fleisch so gut ist“, hat der Generalkonsul beobachtet.

    Anstatt immer nur „Nein, nein, nein“ zu rufen, könne Europa doch eine Kennzeichnung genveränderter oder hormonbehandelter amerikanischer Lebensmittel verlangen. Schließlich seien auch in der EU bereits 50 genveränderte Produkte zugelassen, die gekennzeichnet werden müssen.

    „Das wollen wir nicht verändern. Wir selbst kennzeichnen nicht, weil es keinerlei Beweise gibt, dass dadurch irgendeine Gesundheitsgefährdung entsteht. Aber warum nicht in Europa?“

    William E. Moeller hofft nun auf Multiplikatoren seiner Argumente. Man müsse auch zeigen, dass es beim TTIP nicht nur um Verbraucherschutz gehe.

    „Es gibt zu wenige Mittelständler, die sagen: Das ist gut für Bayern. Wir brauchen das.“

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