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SCHWEINFURT: Volker Gerull und der Einzelhandelsblues

SCHWEINFURT

Volker Gerull und der Einzelhandelsblues

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    Volker Gerull.
    Volker Gerull. Foto: Foto: Inge Bormann

    Mit so einer Aufmerksamkeit hatte er gar nicht gerechnet. Volker Gerull aus Schweinfurt singt den Einzelhandelsblues, sein Video auf dem Internetkanal youtube wurde bisher 763 Mal abgespielt. Natürlich hat sein Song auch in der Region Aufmerksamkeit auf sich gezogen, vor allem bei den Händler-Kollegen, denen Gerull, der sich auch 17 Jahre lang ehrenamtlich im Kreisverband des Handelsverbandes engagierte, aus dem Herzen sprach.

    Keine Anklage

    Das Thema Leerstände in der Innenstadt von Schweinfurt beschäftigt Händler, Bürger und die Kommunalpolitik seit geraumer Zeit. Wie man wieder mehr Belebung in der Innenstadt hinbekommt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Es wird sicher keine leichte Aufgabe für die neue Citymanagerin Svenja Melchert, die seit Anfang März im Amt ist.

    Mit seinem Lied, darauf legt Gerull ausdrücklich Wert, will er nicht anklagen und niemanden als Schuldigen einer durch komplexe Gründe verursachten Misere ausdeuten. „Ich will Bewusstsein erzeugen, einen Denkanstoß geben. Bei Politikern, bei uns Händlern und beim Kunden“, sagt der 67-Jährige.

    Gemeinsam mit seiner Frau Ute führt er die beiden Filialen von Sell Mode Plus in Würzburg und Bamberg, welche Mode in großen Größen anbieten. Seine Schwiegertochter leitet das Geschäft in der Schweinfurter Rückertstraße. Das besteht im übrigen schon seit 1929, ursprünglich als Hutgeschäft am Markt gegründet. Man hat sich mit dem Verkauf von Damenmoden in den Größen 42 bis 54 einen guten Ruf bei der Kundschaft erworben, weswegen Sell auch unverdächtig ist, seinen Einzelhandelsblues aus Eigennutz zu singen.

    Grundsätzliche Entwicklungen

    Durch seine Tätigkeit im Handelsverband hatte Sell Einblick in die grundsätzlichen Entwicklungen der Gesellschaft. Und da ist natürlich der Trend zum Online-Kauf deutschlandweit ein Phänomen, mit dem alle Händler zu kämpfen haben. Volker Wedde, Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbandes Bayern, weiß natürlich, dass sich Händler jeder Branche auch der Digitalisierung und dem Onlinehandel nicht verschließen dürfen. Dennoch müsse man sich vergegenwärtigen, dass „der stationäre Handel nach wie vor die Hauptrolle spielt und über 80 Prozent der Umsätze dort getätigt werden.“ „Die Menschen“, so Wedde, „werden immer mehr zu Cross-Channel-Käufern, sie entscheiden sich nicht mehr nur für einen Vertriebskanal.“ Der Einzelhandelsumsatz in ganz Unterfranken lag im vergangenen Jahr laut GfK-Schätzung bei 6,7 Milliarden Euro. Der Online-Anteil liegt bei etwa zehn Prozent davon. Die wichtigsten Einzelhandelszentren sind nach wie vor mit weitem Abstand Würzburg und Schweinfurt.

    Probleme beim Namen nennen

    In seinem hintergründigen, mit flotter Musik unterlegten Video, nennt Gerull die Probleme humorvoll, aber durchaus deutlich beim Namen. „Das ist der Einzelhandelsblues, kaum jemand kauft noch ein zu Fuß“, beginnt das Lied. Gerull beschreibt das Verhalten mancher Kunden, das er auch selbst schon beobachtet hat. Den bequemen Mausclick im Bett am Sonntagnachmittag, das Vergleichen von Preisen online, das Scannen eines Preisetiketts per App im Laden – natürlich, das ist der Trend des 21. Jahrhunderts, das ist auch an sich nicht verwerflich, doch der ernste Hinweis von Gerull zu den Konsequenzen ist genauso richtig: „Ist dann der kleine Händler weg, dann ist nicht allzu groß der Schreck; von denen gibt's ja noch genug, das grenzt jedoch an Selbstbetrug; Schaut euch doch um in Eurer Stadt, die immer weniger Läden hat, so viele Händler sind schon platt.“

    Eine lebenswerte Innenstadt mit einer gesunden Mischung aus Einzelhandel und Wohnen, aus Festen und Veranstaltungen – ein Schweinfurt, das man gerne besucht, in dem man gerne flaniert und auch was kauft. Ein Traum nicht nur von Gerull, sondern eigentlich von jedem, dem die Stadt am Herzen liegt. Insofern sollte man sich das Lied durchaus mal anhören und vielleicht entsprechende Schlüsse daraus ziehen.

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