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SCHWEINFURT: Vom Motorrad-Bazillus befallen

SCHWEINFURT

Vom Motorrad-Bazillus befallen

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    Vielleicht liegt es an der Entstehung dieses außergewöhnlichen Motorradtreffens, das seit gut 50 Jahren jeden Freitag stattfindet. Die Jungs von damals sind natürlich in die Jahre gekommen, sie sind mittlerweile 81, 78, 75 oder 73 Jahre alt. Aber auf ihrer BMW, Honda, Ducati, Suzuki oder Yamaha sitzen sie noch immer tadellos.

    Eine Gruppe junger Schweinfurter Zweiradfans trifft sich noch unorganisiert in der damaligen Weinstube Kohl am Kornmarkt. Eine englische Triumph Tiger 110 fällt den Teens und Twens auf. Regelmäßig steht die Kultmaschine damals, 1958, da.

    Die jungen Zweiradfreunde machen den Besitzer zwar aus, einen schwarz gekleideten Herrn, mit Rucksack auf dem Rücken. Anzusprechen traut sich den „um die Vierzigjährigen“ zunächst aber keiner, bis sich Manfred Gillgasch, heute 70 und damals stolzer Besitzer einer Horex Regina, doch traut. Beim Triumph-Fahrer handelt es sich um Pfarrer Ludwig Billmann aus Forst. Man vereinbart, sich regelmäßig zu treffen, sich auszutauschen. Und als damals die Kohl-Bedienung „Frau Simon“ – an ihren Vornamen erinnert sich beim jüngsten Treffen keiner – das Frankenstüble an der Ecke Frieden-/Theresienstraße übernimmt, hat der jetzt ja mit dem Segen Gottes versehene Freitags-Motorrad-Treffpunkt seine erste offizielle Heimat gefunden.

    Einige der „Gründer“ des mittlerweile legendären Motorradtreffs leben nicht mehr, wie Günther Scharting oder Hans Bonengel, andere Urväter wie Rudolf Bardolf (82), Walter Leibert (81) oder eben Gillgasch kommen noch immer zu den Treffs. Motorradfahren, das „war damals vorbei“, erinnert sich Helmut Hohe (Schwebheim). Alle seien in diesen Zeiten des Wirtschaftswunders wie wild auf ein Auto gewesen, wer ein Zweirad bevorzugte, „wurde der Vogel gezeigt“, sagt Hohe.

    Motorradtreff sprach sich herum

    Er kommt wie viele der „alten Hasen“ Anfang der 1960er Jahre dazu, wie auch die heute 70-jährigen Günter und Karl Kaufmann. „Alles, was zwei Räder hatte, durfte kommen“, erinnert sich Günter Kaufmann, für den es am Freitagabend seit 50 Jahren einen unumstößlich festen Termin gibt. Aber auch sein Zwillingsbruder Karl erscheint oft, obwohl der heute in Neumarkt wohnt. Willi Stützel etwa (Obereuerheim) war so einer, der damals noch kein Geld für ein Motorrad hatte, aber auch seine K 50 „hat gegolten“.

    Die Zahl der Motorradfahrer ist zu jener Zeit übersichtlich, man kennt sich und der Treff spricht sich herum. Auch außerhalb der Stadt- und Landkreisgrenzen. Aus Kitzingen, aus Würzburg, einer sogar aus Kassel kommt regelmäßig, der Hesse mit einer Zündapp KS 601, ruft einer in die Runde.

    Anfang der 1970er Jahre verlassen die Motorradler die Stadt, ernennen Ilmbach im Steigerwald zum neuen Treffpunkt. 20 Jahre bleibt das so, danach findet der Freitagabend kurz in Wiesentheid, dann in Krautheim und wieder in Ilmbach statt. Immer ist ein Pächterwechsel der Grund. Im vierten Jahr nun ist die Gaststätte Böhlgrund in Eschenau die Freitagsadresse und zu tun hat dieser Wechsel natürlich mit dem Thema Zweirad. Wirt Peter Löbl ist Motorradfahrer. „Einen solchen Stammtisch wollte ich schon immer“, lachte er. Als sich in Ilmbach wiedermal kein Wirt fand, diente er den Motorradfahrern seine Steigerwald-Gaststätte an.

    Auch Bedienung fährt Motorrad

    Bedient werden die Motorradfahrer übrigens von Rosi. Sie fährt eine BMW. 30 Leute sind der gute Durchschnitt, erfährt der Reporter bei einer Art Jubiläumstreff, bei dem er allerdings deutlich mehr als 30 Motorradler zählt. Bei schlechtem Wetter? „Bei ganz schlechtem Wetter rechnerisch sechs Leute“, grinst Günter Kaufmann und betont dabei das ganz beim schlechten Wetter.

    Was sind die Themen? „Alles, nicht nur Motorrad“. Natürlich wird gefachsimpelt, was logisch ist, weil viele der Fahrer Bastler sind. „Auch die Schrauberei ist wichtig“, sagt Willi Stützel. Das ist der mit der K 50. Motorradfahren nennt er „the second best feeling“. An einer Ecke wird über die Sicherheit diskutiert. Otmar Hauck (Gerolzhofen) sagt, dass „wir nie Vorfahrt haben“. Er will damit sagen: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.

    An der Tagesordnung sind natürlich Frotzeleien. Da kriegt die starke Yamaha-Fraktion einen Seitenhieb ab, dann die BMW-Fahrer, was Toni Swiderski (Forst) nicht im geringsten stört. Mit stoischer Gelassenheit kontert der 65-Jährige: „BMW-Fahrer sind auch nur Menschen“. Auch übers Alter wird sinniert. Helmut Hohe etwa sagt, dass seine BMW R 100 R „jedes Jahr um soviel wächst“. Er deutet dabei mit Daumen und Zeigefinger zwei Zentimetern an, die ihm mit seinen 75 Jahren die Maschine beim Besteigen höher vorkommt. Der frühere Meister-Geländefahrer Fritz Witzel (Sennfeld) sitzt neben dem ebenfalls 78-Jährigen Udo Hartmann, dessen Kalauer und Witze nicht fehlen dürfen, wie einer verrät. Und prompt kommt so ein Ding: „Ich hatte 73 Motorräder, 39 Autos, aber ich bin immer noch mit der ersten Frau verheiratet“. Alle lachen, Inge wird es freuen, wenn sie es liest.

    Noch nie Streit

    Richtig Streit habe es bei den Treffen niemals gegeben, berichtet Gillgasch. Was ist der Reiz? Für Dieter Loichinger (Neumarkt, 72 Jahre) und Heinz Roth (Grafenrheinfeld), mit 58 Jahren noch ein Jungspund, ist das Gesellschaftliche der Grund fürs Kommen. Günter Kaufmann spricht von einem Bazillus. Das Motorrad hat sich bei allen von uns „festgesetzt“. Erklären muss er das nicht.

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