Es war irgendwann zu erwarten. Der von den Behörden zur Erteilung der Baugenehmigung für das Steigerwald-Zentrum in Handthal angewandte Kniff zur Vereinfachung und somit Beschleunigung des Verfahrens könnte jetzt weitere Kreise ziehen, nämlich am Main bei Volkach. Das Hotel soll nicht nur im Hochwasserschutzgebiet, sondern auch im sogenannten Außenbereich entstehen. Aber, „wenn keine öffentlichen Belange entgegenstehen, geht das auch“, sagt Volkachs Bürgermeister Peter Kornell und nennt als Beispiel eben das Steigerwald-Zentrum – Nachhaltigkeit erleben in Handthal. Das Hotel auf Stelzen im und am Main würde dann behandelt wie ein Aussiedlerhof.
Dreh- und Angelpunkt ist der Paragraf 35 im Baugesetzbuch. Genau ihn hatte die Regierung von Unterfranken als höhere Bauaufsichtsbehörde damals angewandt und das in Handthal geplante Zentrum Nachhaltigkeit Wald (ZNW), so lautete der ursprüngliche Arbeitstitel, 2012 als privilegiertes Bauvorhaben eingestuft.
Ob der Paragraf auch in Volkach zur Anwendung kommen könnte, muss sich noch zeigen. Erst kommt es am Sonntag in Volkach zum großen Showdown, wenn die Bürger zu den Urnen gerufen sind. Ein Bürgerbegehren des Bündnisses aus den örtlichen Grünen, dem Bund Naturschutz und dem Verein Landschaftsschutz Mainschleife (Lama) spricht sich gegen das umstrittene Bauvorhaben aus, ein vom Stadtrat dagegen gestelltes Ratsbegehren dafür.
Zur Erläuterung: Der Paragraf 35 regelt die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Außenbereich. Er dient dabei primär dessen Schutz vor (weiterer) Zersiedelung, weshalb der Genehmigungsspielraum normalerweise relativ eng ist. Das hat sich vor allem bei privaten Vorhaben im Außenbereich immer wieder gezeigt.
Auf Nachfrage dieser Redaktion hin, hatte die Regierung von Unterfranken damals erklärt, ob ein Vorhaben als privilegiert anzusehen ist, ergebe sich demnach aus dem erwähnten Paragrafen 35 im Baugesetzbuch. Die dort aufgeführten Vorhaben weise der Bundesgesetzgeber ausdrücklich dem Außenbereich zu. Dazu gehörten auch Vorhaben, die mit ihrer Zweckbestimmung nur im Außenbereich verwirklicht werden können, also wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung geradezu auf den Außenbereich angewiesen sind.
Das ZNW falle in diese Kategorie, hieß es weiter, weil es auf eine typische Nutzung des Außenbereichs, nämlich den Wald, in ganz besonderer Weise angewiesen und hingeordnet sei. Für die Besucher von Schüler- bis hin zu Touristengruppen soll dabei ein unmittelbares Wald- und Naturerlebnis möglich sein. Das direkt am Waldrand gelegene Zentrum sei Treff- und Ausgangspunkt für diese Aktivitäten. Die unmittelbare Waldnähe sei ebenfalls entscheidend für praxisbezogene Aktivitäten in Waldwerkstatt und Waldlabor.
Elementares Konzept dieses Zentrums sei es, auch im gebäudenahen Freibereich die praktische Erfahrbarkeit des Waldes und dessen Nutzungen beziehungsweise Bewirtschaftung zu ermöglichen und einen permanenten thematischen und emotionalen Bezug zum angrenzenden realen Wald zu erleben. Das ZNW solle somit sozusagen „den Wald im Wald“ vermitteln.
Anders wäre die Frage der Privilegierung gegebenenfalls zu beurteilen, wenn nur eine individuelle Nutzung möglich wäre, das heißt nur Einzelne – und dies zumeist privat – davon profitieren würden, so die Regierung damals weiter. Auch dies sei aber bei dem kostenfrei und allgemein zugänglichen Nachhaltigkeitszentrum als Vorhaben des Freistaats gerade nicht der Fall. Außerdem wurde auf den „singulären Charakter“ des Vorhabens verwiesen.
Zur Frage, warum hier keine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliege, nachdem das Vorhaben nicht dem gültigen Flächennutzungsplan entsprochen hatte und auch das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt wird, teilte die Regierung von Unterfranken mit: „Ist ein Vorhaben privilegiert, ist es erst dann unzulässig, wenn öffentliche Belange nicht nur beeinträchtigt werden, sondern entgegenstehen. Auf die Darstellungen des Flächennutzungsplanes komme es dabei grundsätzlich nicht an, weil solche Vorhaben kraft Gesetzes gezielt dem Außenbereich zugeordnet seien.
Ausnahmen habe der Bundesgesetzgeber nur für solche Fälle vorgesehen, in denen der Flächennutzungsplan gerade die Standorte für solche privilegierten Vorhaben regeln will - zum Beispiel bei Windenergieanlagen - oder eine konkrete projektbezogene Standortentscheidung treffe. Beides liege hier aber nicht vor.
Zudem werde jedes privilegierte Vorhaben im Außenbereich im Regelfall Auswirkungen auf das Landschaftsbild haben. Die Eingriffe in das Landschaftsbild seien beim Nachhaltigkeitszentrum aber nicht so gravierend, dass sie zur Unzulässigkeit des privilegierten Vorhabens führen würden.
Im Übrigen sei eine besondere landschaftsbezogene und -schonende Bauausführung vorgesehen. Die Belange des Naturschutzes würden sowohl im Verfahren, als auch bei der Art und Weise der Bauausführungen in Gänze berücksichtigt.
Auf die seinerzeitige Frage, ob Privatpersonen künftig bei ähnlichen und vergleichbaren Bauvorhaben im Außenbereich ebenfalls damit rechnen können, in den Genuss der „Privilegierung“ zu kommen, um so ihre Bauvorhaben relativ zügig genehmigt zu bekommen, ohne dass erst eine relativ zeitaufwendige Änderung des sogenannten Flächennutzungsplans der Gemeinde vorgenommen werden muss, antwortete die Regierung von Unterfranken: „Welche Vorhaben im Außenbereich als privilegiert anzusehen sind, ergibt sich aus dem Gesetz. Diese Regelungen gelten sowohl für öffentliche als auch private Vorhabensträger.“
Man darf also gespannt sind, wie es in Volkach weitergeht. Sollte es hier zur Anwendung des Paragrafen 35 kommen, hat das Steigerwaldzentrum in Handthal quasi dem Hotel am Main bei Volkach die Tür zur zügigen Baugenehmigung geebnet und geöffnet, wenn man nach Bürgermeister Kornell geht. Einzigartig wäre es dort auf jeden Fall. Doch sind Hotels am Main in der Tat auch privilegiert?
