Im Jahr 1927 riefen einige nordamerikanische Frauen unterschiedlicher christlicher Konfessionen den Weltgebetstag der Frauen ins Leben. Alljährlich finden in vielen Kirchengemeinden Gottesdienste am ersten Freitag im März statt, die jeweils ein bestimmtes Land in den Blick nehmen. Besonders die Situation der dort lebenden Frauen wird herausgestellt. Der Gottesdienst für den Weltgebetstag wird immer von Frauen dieses Landes erarbeitet. Um im Gottesdienst möglichst authentisch berichten zu können, gibt es im Vorfeld Treffen und Aktionen, wie eine Zusammenkunft des Seniorenkreises 55-Plus der evangelischen Kirche Schonungen, zu dem Yu-Lan Tsai und Ying-Hsuan Chou eingeladen waren.
Sie stammen aus Taiwan, das heuer im Blickpunkt des Weltgebetstags steht. Taiwan ist ein demokratisch regierter Inselstaat vor dem chinesischen Festland. Die Angst der Bevölkerung sei groß, dass die Volksrepublik China den schon jetzt international sehr isolierten Staat eines Tages zu schlucken versucht.
Die Abgrenzung zur Volksrepublik werde schon in der Schrift deutlich, erläuterten die Referentinnen. Zwar sprechen auch die Taiwanesen chinesisch. Sie machten aber die von der Volksrepublik um 1980 eingeführte Reform der Schreibweise der chinesischen Schriftzeichen nicht mit. Die Bevölkerung halte auch an althergebrachten Festen mit Umzügen und Bewirtung fest. Taiwan sei "ein Land zwischen der Tradition und der absoluten Moderne, westlich orientiert", so Dorothee Wittmann-Klemm, die Leiterin des Seniorenkreises.

Rund 13 Stunden Flug müssen die beiden Taiwanesinnen, von denen eine seit Jahren in Oberwerrn und die zweite in Bad Kissingen lebt, in Kauf nehmen, um ihre Heimat zu besuchen. Sie berichteten von einem sehr differenzierten taiwanesischen Schulsystem, das rund 90 Prozent der Schulabgänger einen unserem Abitur vergleichbaren Schulabschluss ermöglicht.
In der ersten Grundschulklasse müssten die Kinder hunderte chinesischer Schriftzeichen lernen, dazu noch das lateinische Alphabet, da sie auch Englisch im Unterricht lernen. "Schaffen das alle?", lautete eine Frage. Die Antwort der Referentinnen: "Nein". Allerdings sei staatlicherseits das Bildungssystem gut durchorganisiert, sodass in der Schule schwache Kinder sofort Nachhilfe bekommen. Für den Schulbesuch in Taiwan gibt es auch Internate.
Die Referentinnen berichteten von der hohen Qualität der Lebensmittel und der im Vergleich zu Deutschland weit fortgeschrittenen Digitalisierung aller Lebensbereiche. Durch Universitäten angeleitet, werde der traditionelle Reisanbau immer stärker ökologisch ausgerichtet. Was hat ihnen in Deutschland Probleme bereitet? Auf diese Frage erklärten die Referentinnen, dass die Mülltrennung für sie sehr unübersichtlich sei.
Im Gottesdienst am Weltgebetstag der Frauen werden in Schonungen in Taiwan beliebte Lebensmittel wie Ananas und Mango an den Altar gelegt, aber auch Bibel und Computerzubehör. Die in der Messe verlesenen Briefe von Frauen aus Taiwan sprechen die Herausforderungen für die Gesellschaft des Landes an. Die hohe Industrialisierung fordert ihren Preis: In den Familien arbeiten beide Eltern, die Arbeitswoche beträgt oft 60 bis 70 Arbeitsstunden. Meist leisten sich Eltern nur ein Kind, das oft von Personal betreut wird, das wenig Lohn bekommt. Und es gibt internationale Kindergärten.
Der Gottesdienst zum Weltgebetstag im evangelischen Gemeindehaus in Schonungen, zu dem auch Männer herzlich eingeladen sind, findet am Freitag, 3. März, um 18 Uhr statt. Musikalisch gestaltet wird er von Adolf Schwab und Andreas Duft. Hinterher sind die Gottesdienstbesucher zu einem Imbiss mit taiwanesischem Essen eingeladen.