Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Herzrhythmusstörung. Mehr als 1,8 Millionen Menschen in Deutschland leiden daran, wobei die Häufigkeit mit dem Lebensalter steigt. Hauptgefahr: 30 000 Schlaganfälle gehen in Deutschland jährlich auf Vorhofflimmern zurück. Alarmierende Zahlen. Deshalb behandelte Professor Dr. Karl Mischke, Chefarzt der Medizinischen Klinik I des Leopoldina, im zweiten Teil seiner Vortragsreihe „Herzrhythmusstörungen“ ausschließlich und entsprechend ausführlich das Thema „Vorhofflimmern“.
Zunächst erläutert Mischke Aufbau und Funktion des Herzens. Es besteht aus zwei Vorhöfen und zwei Kammern und schlägt normalerweise etwa 60 bis 100 Mal in der Minute. Ausgelöst werden diese Schläge durch elektrische Impulse im Sinusknoten, sie steuern einen geordneten Ablauf des Pumpvorgangs.
Beim Vorhofflimmern entstehen an verschiedenen Stellen der Vorhöfe unkontrollierte eigene Impulse: Erregungswellen mit einer Flimmerfrequenz von bis zu 350 Schlägen pro Minute kreisen in den Vorhöfen. Der AV-Knoten filtert und reduziert diese Impulse, trotzdem entsteht eine ungeordnete chaotische Herzschlagfolge mit bis zu 160 Schlägen pro Minute und mehr.
Da sich die Vorhöfe nicht regelmäßig zusammenziehen, können Blutgerinnsel entstehen, die zum Schlaganfall und anderen Gefäßverschlüssen führen können. Deshalb benötigen die meisten Patienten eine gerinnungshemmende Therapie. Hier erläutert Mischke die Vor- und Nachteile sowohl der herkömmlichen Medikamente (Marcumar) als auch der neuen Antikoagulantien (Xarelto und andere).
Welches Mittel für welchen Patienten das Beste sei, könne nur individuell entschieden werden.
Beschwerden, Ursachen, Auslöser
Beschwerden des VHF sind Herzrasen, Herzstolpern, Einschränkung der Leistungsfähigkeit, Atemnot, Schwindel, Druckgefühl im Brustkorb, innere Unruhe, Angst. Aber: Bei vielen Patienten tritt VHF ohne Beschwerden auf. Ursachen: Hoher Blutdruck (70 Prozent aller Patienten), koronare Herzkrankheit, Erkrankung der Herzklappen, des Herzmuskels, der Lunge, Überfunktion der Schilddrüse, schwere Infektionen, nach operativen Eingriffen. Auslöser sind oft Alkohol, Schlafmangel, Stress, Koffein, opulente Mahlzeiten.
Mischke beschreibt die ausführlichen Untersuchungsmethoden zur Auffindung der Ursachen des VHF. Außerdem sei eigene Initiative im Vorfeld möglich: Selber den Puls zu fühlen, könne man lernen. Gute Blutdruckmessgeräte (Prüfsiegel der Hochdruckliga) weisen auf unregelmäßigen Herzschlag hin. Beim Arztbesuch Pulskontrolle, bei Unregelmäßigkeiten EKG.
Therapie des Vorhofflimmerns
Die beste Strategie sei die Behandlung der Grundkrankheit, sagt Mischke: Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Klappenerkrankung, Kardiomyopathie (verdickter Herzmuskel), Diabetes, Abbau von Übergewicht. Als spezielle Therapien kommen in Frage: Medikamente gegen das VHF, Katheterablation, selten operative Verfahren. Nochmals betont der Kardiologe die Notwendigkeit einer Behandlung mit Gerinnungshemmern.
Medikamente für den Rhythmus
Mit Rhythmus-Medikamenten will man entweder eine Rhythmuskontrolle erreichen, nämlich die Herstellung des normalen Herzrhythmus (Sinusrhythmus). Bei einer Frequenzkontrolle dagegen soll Herzrasen verhindert werden, mit dem Ziel von 60 bis 90 Schlägen pro Minute in Ruhe, 90 bis 120 Schlägen pro Minute unter Alltagsbelastung. Das Vorhofflimmern bleibt bei diesem Therapieziel bestehen.
„Alle Rhythmus-Medikamente – außer Betablockern – können Herzrhythmusstörungen hervorrufen oder verstärken“, erklärt Mischke, bevor er alle gängigen Produkte und ihre Nebenwirkungen beschreibt.
Deshalb müsse bei jedem einzelnen Patienten eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung eines Medikamentes erfolgen. Bei Herzkranken sollte die Therapie im Krankenhaus, bei sonst Herzgesunden in der kardiologischen Praxis eingeleitet werden. Wichtig sei eine regelmäßige Verlaufskontrolle alle drei Monate.
Kurzer, aber starker Elektroschock
Die sogenannte Kardioversion, ein kurzer und starker Elektroschock, ist die effektivste Methode, Vorhofflimmern zu beenden: Sinnvoll bei deutlichen Beschwerden während des ersten Auftretens von anfallsweisem VHF und bei anhaltendem VHF, um den Sinusrhythmus zu erreichen. Die Kardioversion ist fast immer erfolgreich, es gibt aber häufig Rückfälle. Wenn Medikamente nicht mehr helfen, besteht als Alternative die Katheterablation, eine gezielte Verödung von Herzzellen im Bereich der Vorhöfe mit Hochfrequenzstrom oder Kälte (Kryoablation). Die Ergebnisse bezeichnet Mischke als „mäßig gut“: In 70 Prozent kann anfallsweises VHF beseitigt werden, häufig muss ein zweiter oder dritter Eingriff durchgeführt werden. Bei anhaltendem Vorhofflimmern ist die Erfolgsrate geringer, die Komplikationsrate liegt generell bei fünf Prozent.
Was kann der Patient tun
Der Patient kann den VHF verursachenden Krankheiten vorbeugen: Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit, Diabetes. Dazu sollte ein gesunder Lebensstil kommen: Regelmäßige Ausdauerbewegung, gesunde Ernährung, genug Schlaf, Gleichgewicht zwischen Belastung und Entspannung.
Auf Kalium- und Magnesiumspiegel achten und Auslöser von VHF vermeiden: Alkohol, Koffein, Schlafmangel, üppige Mahlzeiten.
Die nächsten Herzseminare: Am 29. November spricht Professor Mischke über „Das schwache Herz - Herzinsuffizienz“ und am 22. Januar 2018 zum Thema „Herzrhythmusstörungen Teil 3“.