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SCHWEINFURT: „Wie in einer Ersatzfamilie“

SCHWEINFURT

„Wie in einer Ersatzfamilie“

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    Die Bahnhofsmission im Einsatz: Klaus Pröschel (links) und Ingeborg Fuchs helfen einer älteren Dame beim Einsteigen in den Zug.
    Die Bahnhofsmission im Einsatz: Klaus Pröschel (links) und Ingeborg Fuchs helfen einer älteren Dame beim Einsteigen in den Zug. Foto: FOTO Katja Glatzer-Hellmond

    Heiko Steinmann (Name von der Redaktion geändert) trinkt genüsslich seinen Kaffee und liest Zeitung. Der 33-Jährige ist obdachlos, sucht regelmäßig die Bahnhofsmission auf, um einen Tee oder Kaffee zu trinken. Und um soziale Kontakte zu knüpfen – mit dem Personal oder mit Menschen, die ein ähnliches Leben führen wie er.

    Für Obdachlose sehr wichtig

    „Die Bahnhofmission ist für mich als Obdachloser essenziell. Da ich bedürftig bin, aber aus politischen Gründen kein Harz IV beantrage, bin ich darauf angewiesen“, sagt er. Ein bisschen „wie in einer Ersatzfamilie“ könne man das Ambiente in dem kleinen Aufenthaltsraum mit den Holztischen und Stühlen im Schweinfurter Bahnhof beschreiben, „die Mitarbeiter geben sich hier sehr viel Mühe“.

    „Entschuldigung.“ Ein Durchreisender, der mit dem Fahrrad und seinem Hund unterwegs ist, steht an der Tür. Er will wissen, wo er in Schweinfurt das den Obdachlosen zustehende Tagesgeld (11,70 Euro) abholen kann. Ingeborg Fuchs, die zusammen mit Sonja Rudloff die Bahnhofsmission leitet, erklärt ihm den Weg zum Adolf-von-Kahl-Haus (auch Wärmestube und Übernachtungsunterkunft für Obdachlose), brüht aber erst einmal einen frischen Kaffee auf und schmiert ein Wurstbrot. „Etwas zu essen und zu trinken bekommt man bei uns immer“, sagt sie und lächelt. Das macht das Aufeinanderzugehen leichter – der erste Schritt ist getan.

    Immer mehr Zulauf

    „Viele Bedürftige besuchen uns immer wieder, mit der Zeit kennt man sich, unterhält sich und gibt auch mal hier und da ein paar gute Tipps, wie sich die Zukunft gestalten könnte“, sagt die 51-Jährige. Es sei auffällig, dass sich der Zulauf in den vergangen Jahren gesteigert habe, „in diesem Jahr sind vermehrt jüngere Leute dabei und mehr Frauen als früher“. Auch die Zahl der Menschen mit psychischen Auffälligkeiten sei gestiegen.

    Laut der Arbeitsgemeinschaft der kirchlichen Bahnhofmissionen verzeichneten Bayerns Bahnhofsmissionen 2007 mehr als 670 000 Hilfeleistungen. In Schweinfurt, so Fuchs, suchten monatlich etwa 1000 Menschen aus verschiedenen Gründen die Bahnhofsmission auf. Tendenz steigend.

    Junge Leute kommen, weil die Partnerschaft zerbrochen ist und sie von heute auf morgen auf der Straße sitzen oder weil sie ihren Job verloren haben, so Fuchs. „Es scheint, als würde der Druck, der auf den jungen Erwachsenen lastet, immer größer.“ Dann suchen sie die „blauen Engel“ auf, wie die Mitarbeiter der Bahnhofsmission von vielen genannt werden – sticht doch die blaue Weste mit dem aufgedruckten Logo sofort ins Auge.

    Nicht wenige der Bedürftigen, so die Leiterin, haben ein Alkoholproblem, Schlägereien oder größere Auseinandersetzungen gebe es zum Glück aber nur selten. Schon vorgekommen ist, dass Fuchs oder ihre Kollegen jemanden davor bewahrt haben, auf die Gleise zu springen. „Das ist sehr belastend. Die Minuten bis endlich die Polizei vor Ort ist, kosten Nervenkraft.“

    Aufgabe der Bahnhofsmission ist es auch, Fahrkarten zu vermitteln, „das heißt, wir legen Bedürftigen das Geld für eine Zugfahrkarte aus. Wir kaufen sie gemeinsam und beobachten auch, dass derjenige wirklich in den Zug steigt“. Aber auch Normalbürgern wird im Unglücksfall mal ausgeholfen: So einem Ehepaar, das auf Reisen seinen Geldbeutel verloren hatte. „Wenn man länger in diesem Job arbeitet, hat man ein Auge dafür, wer die Wahrheit sagt.“ Sie habe das Geld vorgestreckt und es – zusätzlich einer Spende für die Bahnhofsmission – zurück bekommen.

    Auch Schulkinder

    Ansprechpartner ist die Mission auch für Schulkinder, die vom Landkreis aus mit dem Zug nach Schweinfurt in die Schule fahren oder für ältere Menschen, die Probleme beim Ein-, Aus- oder Umsteigen haben. So kommt die 69-jährige Erna W. (Name geändert) jeden Donnerstag am Schweinfurter Bahnhof vorbei, wenn sie auf der Durchreise zu ihrem Sohn ist. Sie ist dankbar für die Unterstützung, ist sie doch schlecht zu Fuß und braucht einen Rollator. Auch eine andere ältere Dame hat solch gute Erfahrung gemacht, bringt seitdem immer wieder mal einen selbst gebackenen Kuchen oder eine Packung Tee im Missionshäuschen vorbei – wie heute.

    So wichtig die Bahnhofsmission ist, so groß ist der Kampf „dass es uns noch gibt“, sagt Fuchs. Insgesamt sechs Hauptamtliche sind abwechselnd im Dienst, zwei Ehrenamtliche packen – wenn nötig – mit an. „Wir suchen dringend weitere Ehrenamtliche“, so die 51-Jährige. Die Räume hat die Deutsche Bahn (DB) zur Verfügung gestellt, Träger der Bahnhofsmission sind Diakonie und Caritas. Einen Zuschuss in Höhe von fast 1300 Euro pro Jahr gibt es von der Stadt Schweinfurt dazu, trotzdem: „Ohne Spenden würde sich unsere Arbeit schwierig gestalten“.

    Hilfe von der DB-Regio

    Die Zusammenarbeit mit der DB-Regio beschreibt Fuchs als konstruktiv. So ist auch Regio-Team-Leiter Thomas Klüh „heilfroh, dass es die Bahnhofsmission gibt“. Kürzlich, so die Leiterin, habe die Mission einen Scheck über 500 Euro überreicht bekommen – von der DB Regio, die in Würzburg zusammen mit der Fitnesskompanie Mc Fit einen Kilometergeldlauf veranstaltet hat. Das gibt Hoffnung und motiviert die Mitarbeiter.

    Trotz manch schwieriger Situation, die es zu meistern gilt, macht die Arbeit in der Bahnhofsmission viel Spaß, sagt Fuchs. Kollege Klaus Pröschel, der die nächste Schicht übernimmt, nickt: „Wir geben nicht nur, wir bekommen auch ganz viel Dank zurück. Das sind sehr schöne Momente.“

    Die Öffnungszeiten der Bahnhofsmission sind montags bis freitags 7 bis 17 Uhr, samstags 9 bis 15 Uhr. An Sonn- und Feiertagen ist geschlossen.

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