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Gerolzhofen: Willkommensgruppe: An der Realschule in Gerolzhofen lernen 16 ukrainische Kinder Deutsch und fühlen sich sicher

Gerolzhofen

Willkommensgruppe: An der Realschule in Gerolzhofen lernen 16 ukrainische Kinder Deutsch und fühlen sich sicher

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    Sabine Belz ist eine von drei Lehrerinnen, die an der Ludwig-Derleth-Realschule in Gerolzhofen ukrainische Schülerinnen und Schüler in der Willkommensgruppe unterrichten. Hinweis: Aus Datenschutzgründen dürfen die Gesichter der Kinder auf dem Bild nicht erkennbar sein.
    Sabine Belz ist eine von drei Lehrerinnen, die an der Ludwig-Derleth-Realschule in Gerolzhofen ukrainische Schülerinnen und Schüler in der Willkommensgruppe unterrichten. Hinweis: Aus Datenschutzgründen dürfen die Gesichter der Kinder auf dem Bild nicht erkennbar sein. Foto: Michael Mößlein

    In ihrer Heimat herrscht Krieg. Ihre Väter und Brüder müssen zum Teil als Soldaten kämpfen. Ob und wann sie diese wiedersehen, wissen sie nicht. Ebenso ungewiss ist, wann sie ihre Freunde daheim wieder treffen, Angehörige in die Arme schließen und zurück zu ihrem Zuhause können. Die ukrainischen Kinder, die seit dem 25. April die Willkommensgruppe an der Ludwig-Derleth-Realschule (LDR) in Gerolzhofen besuchen, leben zwar in einer neuen Umgebung – doch das, was mit und in ihrer alten Heimat passiert, hält sie fest. Sie sind gefangen zwischen zwei Welten. Doch wenigstens dürfen sie sich dort, wo sie jetzt zur Schule gehen, wohlfühlen - und sie sind in Sicherheit.

    Die Kinder honorieren das auch. "Vielen Dank für die Stunde." Mit diesen Worten hat sich eine ukrainische Schülerin bei ihr in einer der ersten Unterrichtswochen bedankt, berichtet Sabine Belz. Sie ist eine von drei Lehrerinnen, die in der pädagogischen Willkommensgruppe eingesetzt sind. Dieser Satz ist ihr allein deshalb so gut in Erinnerung geblieben, "weil ich so etwas von unseren deutschen Schülern eher selten höre", stellt sie im Gespräch mit dieser Redaktion fest.

    Zwei Lehrerinnen der Schule sprechen Russisch

    Anfangs waren es 20 ukrainische Kinder in der Willkommensgruppe. Vier sind zwischenzeitlich umgezogen oder zurück in die Ukraine beziehungsweise nach Moldau. Die LDR ist laut Schulleiterin Elisabeth Grimanelis in der glücklichen Lage, dass zwei der Lehrerinnen, die die verbliebenen 16 Kinder zwischen zehn und 16 Jahren betreuen, Russisch sprechen. Irina Strifsky hat mit vier Wochenstunden den größten Unterrichtsanteil in der Willkommensgruppe. Sie ist darüber hinaus Ansprechpartnerin und Vermittlerin zwischen Schülern, Eltern, Schulleitung und Lehrern. Nadia Boldt heißt die zweite russischsprachige Lehrerin.

    Sabine Belz hat eigene Dateien entworfen, um den jungen Ukrainerinnen und Ukrainern die deutsche Sprache möglichst bildhaft und spielerisch zu vermitteln.
    Sabine Belz hat eigene Dateien entworfen, um den jungen Ukrainerinnen und Ukrainern die deutsche Sprache möglichst bildhaft und spielerisch zu vermitteln. Foto: Michael Mößlein

    Anfangs hat von den ukrainischen Eltern niemand Deutsch gesprochen, berichtet die Schulleiterin. Die deutschen Gastgeber, die die Kriegsflüchtlinge bei sich aufgenommen und nach Ansicht von Grimanelis in allen Bereichen bis hin zu den Behördengängen "großartig unterstützen", behalfen sich meist mit einem Übersetzungsprogramm von Google. Dies funktioniert mehr oder weniger gut.

    Zwischenzeitlich können zumindest die Schüler in der Willkommensgruppe erste deutsche Sätze und machen gute Fortschritte beim Deutschlernen. Denn darum geht es in der Gruppe in erster Linie: Sie sollen die Sprache des Landes lernen, in dem sie Zuflucht gefunden haben. "Daneben war es uns wichtig, die Kinder erst einmal ankommen zu lassen", sagt Grimanelis. Gezielter Schulunterricht sei vorerst zweitrangig.

    Lehrerin aus Syrien weiß wie wichtig das Lernen der Sprache ist

    Die Gruppe kommt in den Räumen der Offenen Ganztagsbetreuung zusammen. Dort ist das Ambiente lockerer und einladender als in den übrigen Unterrichtsräumen. In einem Raum ist Doaa Anjak gerade dabei, den jüngeren unter den ukrainischen Kindern Deutsch beizubringen. Die junge Frau ist studierte Biologie-Lehrerin. Im Jahr 2015 war sie selbst mit ihrer Familie aus Syrien nach Deutschland geflohen. Damals, erzählt sie, habe sie das Wort "Deutschland" noch nicht einmal gekannt. Doch ihr sei immer klar gewesen, dass das Lernen der deutschen Sprache sehr wichtig ist, um sich hier zu integrieren.

    Doaa Anjak (links), die selbst vor sechs Jahren als Geflüchtete aus Syrien nach Deutschland kam, betreut an der Schule als pädagogische Kraft auch die ukrainischen Kinder und bringt diesen Deutsch bei.
    Doaa Anjak (links), die selbst vor sechs Jahren als Geflüchtete aus Syrien nach Deutschland kam, betreut an der Schule als pädagogische Kraft auch die ukrainischen Kinder und bringt diesen Deutsch bei. Foto: Michael Mößlein

    Dies habe sie auch bei ihren eigenen drei Kindern gemerkt. Das Angebot für ukrainische Kinder in der LDR, an der sie schon länger als pädagogische Kraft in der Ganztagsbetreuung arbeitet, "finde ich sehr gut", sagt die Syrerin. Mit Basteln und Bewegungseinheiten möchte sie bei den jungen Ukrainerinnen und Ukrainern die Freude steigern, Deutsch zu lernen. Sie selbst hat Deutsch als Erwachsene gelernt und spricht die Sprache heute fast perfekt.

    Tablet-Computer spielen wichtige Rolle beim Lernen

    Die ukrainischen Kinder lernen auch viel mit Hilfe von Tablet-Computern. Der Grund hierfür liegt auf der Hand: Zum einen haben sie selbst dann, als sie längst in Deutschland angekommen waren, noch am Online-Unterricht ihrer Schulen in der Ukraine teilgenommen; selbst Elternsprechtage wurden so noch angeboten, berichtet Grimanelis. Zum anderen gibt es in digitaler Form mittlerweile eine Vielzahl an Unterrichtsmaterial, aber auch Broschüren und Schulbücher zum kostenlosen Herunterladen, berichtet Lehrerin Belz.

    Wie ihre deutschen Mitschüler nutzen die ukrainischen Schüler Tablets für den Schulunterricht.
    Wie ihre deutschen Mitschüler nutzen die ukrainischen Schüler Tablets für den Schulunterricht. Foto: Michael Mößlein

    Belz hat sich aber auch die Mühe gemacht, für den Unterricht mit den ukrainischen Kindern eigene Dateien zu entwerfen. Diese führen die Schüler spielerisch und in deren eigenem Tempo an die deutsche Sprache heran, abwechslungsreich und anschaulich. "Die jüngsten Schüler mussten ja zunächst auch unser lateinisches Alphabet lernen, sie kannten bislang nur die kyrillischen Buchstaben", erklärt Belz. Einer der älteren Schüler dagegen hatte bereits in der Ukraine Deutsch-Unterricht.

    Die Lehrpläne für die Kinder wurden nach Angaben der Schulleiterin für jede und jeden individuell zusammengestellt. Das heißt, dass die Kinder neben dem Deutsch-Lernen auch beispielsweise regulären Englisch- oder Musik-Unterricht in den Klassen der LDR besuchen.

    Willkommensgruppen werden mit Ende des Schuljahrs aufgelöst

    Mit Beginn des kommenden Schuljahres werden die Willkommensgruppen in den bayerischen Schulen aufgelöst. Laut eines Konzepts des Kultusministeriums wird es dann sogenannte Brückenklassen geben, in denen die ukrainischen Kinder, die dann noch hier leben, unterrichtet werden, schildert Grimanelis. Sie ist als Vertreterin der Realschulen Mitglied in der für den Landkreis Schweinfurt gebildeten Steuergruppe. Diese legt fest, an welchem Schulstandort welche Brückenklasse eingerichtet wird. Es sei geplant, die Jahrgangstufen zu teilen: Fünft- und Sechstklässler werden in einer Brückenklasse zusammengefasst, die Sieben- bis Neuntklässler in einer weiteren. Welche es an der LDR geben wird, stehe noch nicht fest, sagt Grimanelis.

    Dieses Bild hat ein ukrainischer Schüler aus der Willkommensgruppe gemalt. Es stellt die Freundschaft zwischen Ukrainern und Deutschen dar.
    Dieses Bild hat ein ukrainischer Schüler aus der Willkommensgruppe gemalt. Es stellt die Freundschaft zwischen Ukrainern und Deutschen dar. Foto: Sabine Belz

    So wichtig das Ziel, den ukrainischen Kindern möglichst schnell Deutsch beizubringen, auch ist: Viel wichtiger ist den Lehrkräften an der LDR, dass sich die Kinder, von denen zwei in Gerolzhofen wohnen und der Rest in Umlandgemeinden wie Kolitzheim und Dingolshausen, wohlfühlen an der Schule. Dass dies offenbar gelungen ist, zeigt in den Augen von Lehrerin Belz ein Bild, das ein ukrainischer Schüler im Kunstunterricht gemalt hat. Es stellt zwei Menschen in den Landesfarben der Ukraine und Deutschlands dar, die sich umarmen.

    Schlimme Nachricht bedrückt einen Jungen

    Dass der Krieg in ihrer Heimat für die Kinder dennoch ständig präsent ist, zeigt ein Hinweis, den Doaa Anjak am Tag des Besuchs in der Willkommensgruppe gibt. Sie sagt, dass sich ein Junge in ihrer Gruppe heute nicht wohl fühle. Er habe erfahren, dass am Tag zuvor die Schule bombardiert wurde, die sein in der Ukraine zurückgebliebener Halbbruder besucht.

    Und Schulleiterin Grimanelis ist sich bewusst, dass es jederzeit soweit sein kann, dass eines der ukrainischen Kinder noch schlimmere Nachrichten aus der Heimat erhält. Sie sagt: "Bislang hatten wir noch nicht den Fall, dass ein Vater oder Bruder von eines der Kinder gefallen ist." An anderen Schulen habe es solche Fälle schon gegeben. Doch auch dann, das steht fest, ist es goldwert, wenn die Schule für die Kinder ein Ort ist, an dem sie sich geborgen fühlen dürfen. Sie wissen, dass sich dort Menschen um sie kümmern, die für sie Freunde geworden sind.

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