Als sich am Schluss die SPD-Stadtratsfraktion zum Chor formierte und zusammen mit ihrem Kollegen Herbert Wiener das Volkslied „Die Gedanken sind frei“ sang, ging in der Rathausdiele eine Feier zu Ende, die einem Mann galt, dem die Unabhängigkeit immer ganz wichtig war. Sie galt einem Stadtrat, der es in seinem politischen Leben den Kollegen aus den anderen Fraktionen, aber auch aus den eigenen Reihen nicht immer leicht gemacht hat. 40 Jahre gehört der 72-Jährige dem Stadtrat an. Im Juni scheidet er auf eigenen Wunsch aus, seine Partei hat ihn jetzt mit der Willy-Brandt-Medaille ausgezeichnet.
Politische Wegbegleiter aus allen Fraktionen, Alt-Oberbürgermeister Kurt Petzold, aktuelle und ehemalige Mitglieder der Verwaltung sowie viele Parteifreunde waren gekommen, um einen Mann zu ehren, der über 40 Jahre lang bewiesen habe, wie sehr ihm seine Heimatstadt und Mitmenschen am Herzen liegen. So formulierte es die Kreisvorsitzende MdL Kathi Petersen.
„Politik muss anstrengen“
Geprägt durch die 68-er Bewegung, aber auch durch einen Mann wie Willy Brandt, habe Wiener mit großem Sachverstand und Beharrungsvermögen Politik gemacht, sagte Fraktionschef Ralf Hofmann. Dabei habe er sich nie gescheut zu polarisieren, auch Meinungen vertreten, die nicht immer mehrheitsfähig gewesen seien. Dennoch sei Wiener stets offen für die Argumente anderer gewesen. Von Spaßhaftigkeit in der Politik habe Wiener nie etwas gehalten. „Politik muss anstrengen, darf anstrengen“, sei seine Devise gewesen. Damit habe er die Menschen begeistert. Akribie und Leidenschaft zeichneten ihn aus.
Kampf gegen das Kernkraftwerk
Der Kampf gegen das Kernkraftwerk in Grafenrheinfeld und sein Einsatz für den Umweltschutz, die frühe Entwicklung eines Abfallkonzepts oder den Ausbau der Fernwärme, nannte Hofmann als Beispiele. Innerhalb der Partei sei er ein verlässliches Mitglied, der sich nicht scheue, einen Stand zu besetzen oder Plakate zu kleben. Wiener habe die Schweinfurter SPD mitgeprägt.
Bürgermeisterin Sorya Lippert überbrachte die Glückwünsche der Stadt und zeigte sich persönlich beeindruckt von den Leistungen Wieners. Ulrike Schneider von der Schweinfurter Liste würdigte die fraktionsübergreifende Zusammenarbeit in Umweltfragen und bekannte, dass sie oft gehofft habe, dass der Mitbewerber Wiener im Stadtrat Gehör finde.
Gefragt nach seinem Blick auf die Zukunft, warnte Wiener vor einem sich ausbreitenden Populismus und bat auch die Kollegen anderer Stadtratsfraktionen darum, die Städtepartnerschaften zu stärken, um die Jugend für Europa zu begeistern.
Europa stärken
Nur mit einem europäischen Regelwerk nämlich sei den Auswüchsen des Finanzkapitalismus Einhalt zu gebieten. Der Klimawandel sei eine große Herausforderung, er werde noch Flüchtlingsströme in Millionengröße auslösen.
Und eines war ihm auch noch wichtig. Mit der Abschaltung des Kernkraftwerkes sei die Gefahr längst nicht beseitigt. Die Lager in Grafenrheinfeld seien besser zu sichern.