Ist das nicht? Ja natürlich. Das ist doch Helmut Schmidt
Ganz entspannt sitzt der Altbundeskanzler in der Sparkassengalerie und liest Zeitung. Und der schlanke Typ mit den kurzen, leicht krausen Haaren, der sieht doch dem Beckenbauer Franzl ähnlich. Oder? Kann schon sein, sagt Bildhauer Clemens Heinl.
Das gab es noch nie: schon Stunden vor der Vernissage drängen sich die Leute in der Sparkassengalerie. Die Schwester des Künstlers ist schon da, hat ihre Oma mitgebracht. Die beiden Damen haben ihre guten Kleider angezogen, jetzt sitzen sie aufrecht an einem Tisch, vor sich ein Topfblümla, und harren der Dinge, die da kommen. Helmut liest derweil in der ZEIT, der Franzl schaut sich um, aber wer ist der stattliche Herr in Anzug und Krawatte? Sicher ein Manager oder vielleicht ein Bänker? Und was haben die beiden Hühner auf der Theke zu suchen?
Es sind starke Typen, die der Bildhauer aus dem mittelfränkischen Schwabach in den Raum gestellt hat. Menschen aus dem richtigen Leben und nicht etwa Prototypen, wie sie ein Stephan Balkenhol schafft, mit dem er in Unkenntnis der Hintergründe oft verglichen wird. Freilich geht es Heinl nicht um das bloße Abbild eines Menschen, sondern darum, dessen Wesen zu erkennen, seine Identität herauszuarbeiten und dafür eine Form zu entwickeln.
Dazu braucht er viel Zeit, bis zu einem dreiviertel Jahr. Sieht man von Prominenten wie dem Helmut und dem Franz ab, wo er nur Fotos als Vorlage hat und sich die dritte Dimension quasi dazu erfinden muss, arbeitet Clemens Heinl traditionell. Wer von ihm porträtiert werden will, muss ihm Modell sitzen. Aber nicht bewegungslos – die innere Steifheit, die sich dabei zwangsläufig zeigt, interessiert ihn nicht. Die Leute sollen sich zeigen, wie sie sind, dürfen sich bewegen, mit ihm unterhalten. Währenddessen macht er viele Skizzen, bis er einen Ansatz hat, mit dem er dann im Stillen, in der Erinnerung weiterarbeiten kann. Das sei wichtig, um dem inneren Bild des Menschen Gestalt zu geben.
Schließlich geht er in die Räumlichkeit, formt Modelle aus Wachs oder Knetgummi, tastet sich langsam an die endgültige Form heran, die er schließlich relativ zügig und grob mit der Kettensäge aus einem Stamm herausarbeitet. Danach will die Figur in Ruhe gelassen, allenfalls beobachtet werden, bevor Heinl die Details herausarbeitet und schließlich – in einem dritten Schritt – die Form verdichtet. Wieder gönnt der Bildhauer sich und der Skulptur eine Pause, bevor sie ihre farbige und damit endgültige Fassung erhält.
So vollendet, stehen die mannshohen Figuren sehr selbstbewusst im Raum, auch die Nackerten. Die Arbeit mit dem unverhüllten Mensch gefällt Heinl. Jeder habe doch eine spezielle Gestalt, sagt er. Aber leider wären Akte nur schwer verkäuflich. Der Kunstmarkt verlange nach angezogenen Menschen. Apropos Kunstmarkt. Als Heinl sein Studium an der Nürnberger Akademie begann, war er fast 30 Jahre alt, hatte schon einige Jahre als Orthopädiemechaniker hinter sich. Aus dieser Zeit stammt sein Wunsch, mit Blech zu arbeiten, das er über Holzmodelle ziehen wollte. Weil seine Holzskulpturen aber so gut beim Publikum ankamen, geriet das Thema in den Hintergrund.
Irgendwann entdeckte Heinl, dass er Wachsplatten mit einer ähnlichen Technik über Holzmodelle ziehen könnte. Diese Modelle wurden zum Ausgangsmaterial für die Bronzegüsse. So entstehen die eindrucksvollsten Arbeiten, bei denen die sichtbaren Körperteile in Bronze ausgeführt sind. Deren glatte Oberfläche erinnert viel stärker an die Beschaffenheit der menschlichen Haut als die grobe Textur des Holzes. Abgesehen von der verblüffenden, ja fast verwirrenden Wirkung, wenn aus einem Holzkragen ein Bronze-Kopf ragt.
Sparkassengalerie, bis 22. Januar.