Was ist denn der Film? Was zieht die Menschen seit der Erfindung der bewegten Bilder in den Bann, was hat die künstliche Wirklichkeit mit uns zu tun? Besonders im Kino, wo das Geschehen überlebensgroß auf uns einströmt? „Es sind alle elementaren Bereiche des Lebens, Geburt, Liebe, Tod, mit allem dazwischen“, sagt Diana Schmeltzer und sie weiß wovon sie spricht, denn sie betreibt das KUK, Schweinfurts preisgekröntes Programmkino, seit 20 Jahren. Mit ihrem Bruder Jürgen Köhler hat sie das Kino damals von ihren Eltern übernommen und neu ausgerichtet.
Unvergessene Szenen
Im Kino werden Geschichten des Lebens erzählt und vielleicht, weil das Unbewusste in den Träumen ebenfalls auf Bildebene funktioniert, werden wir bis in die tiefsten Ebenen unseres Seins angesprochen und vergessen manches nie. Zum Beispiel, den weißen Hai, wie er zum ersten Mal aus dem Wasser auftaucht oder der tiefe Augenblick in Casablanca, wo das Flugzeug schon wartet. Oder der zärtlichste Liebesakt zweier Weinbergschnecken in Mikrokosmos. Oder oder.
Schmeltzer weiß, was Bilder bei den Menschen bewirken können. Sie hat zum Beispiel seit 49 Jahren keinen Horrorfilm mehr gesehen, der erste und einzige war zu früh. „Bilder machen die Menschen auf.“ Sie verbindet das gerne mit realen Menschen und realen Themen. Für diesen Ansatz bekommt sie seit vielen Jahren Preise.
Zahlreiche Auszeichnungen
Zwei Preise gab es im vergangenen Jahr für das KuK: einmal den Deutschen Kinoprogrammpreis und zum anderen den Bayerischen Kinoprogrammpreis. Letzteren gibt es für das KuK seit 17 Jahren regelmäßig. Dabei werden Veranstaltungen, Sonderveranstaltungen und kulturelles Rahmenprogramm besonders gewertet. „Wir laden gerne Gäste ein, die passend zum Filmthema referieren. Wir hatten beispielsweise jemand vom Hospizverein, als es um das Thema Sterben ging oder die Diakonie, als es um Flüchtlinge ging.“ Die Gespräche im Kinosaal sind oft so emotional wie der Film. „Das ist das Kostbare, wenn Menschen offen und berührt ein gemeinsames Erlebnis teilen“, findet Schmeltzer. „Ich habe das Glück, ein Kino betreiben zu können“, sagt Schmeltzer und hat dabei ein lachendes und ein weinendes Auge. Denn wuchtig ist der Tod eingeschlagen in ihr Leben.
Vor einem halben Jahr starb ihr Bruder völlig unerwartet, vor ein paar Wochen der Vater. Der eine, der Vater, ein Fels in der Brandung, der andere ein guter Geschäftspartner. Seit 60 Jahren gab es keinen einzigen Tag, an dem nicht jemand aus der Familie fürs Kino da war. „Der Verlust von Bruder und Vater ist in einem Familienbetrieb vollkommen umfassend.“ Nach dem Tod des Bruders hat sich der schwerkranke Vater noch einmal aufgerichtet und der Tochter so weit wie möglich beim Übergang geholfen. „Die Verantwortung für die Existenz ergreift einen komplett“, schildert Schmeltzer den Prozess, in dem sie sich gerade befindet. Aber: „Es geht, ich stehe.“
Neue Programmplanung
Nun muss sie das alleine wuppen. Der operative Bereich wird momentan neu aufgestellt, die Programmplanung läuft bereits gut. „Das Angebot ist klasse und passt zu unserem Publikum. So komme ich selbst auch immer wieder in Energie und Fantasie für die Anforderungen der Gegenwart“. Das höchste Gut ist für sie die Programmvielfalt, die Filme laufen nur kurz, es sind bei zwei Leinwänden über 200 Filme im Jahr. „Die Nostalgie ist das eine, die Technik das andere. Wir sind voll digitalisiert und haben die gleiche Qualität wie die Multiplexkinos.“
Im Jahr 1957 begann die Kinogeschichte. Da brachte die Großmutter Maria Köhler, die ein paar Jahre lang in Berlin gelebt hatte, die Idee aus der Hauptstadt mit. Und eröffnete als Kriegswitwe mit vier Kindern das CC Filmtheater in der Wälzlagerstadt. Einer der Söhne, Schmeltzers Vater, war leidenschaftlicher Musiker. Die Eltern führten das Kino 40 Jahre lang. Ein Familienbetrieb in der dritten Generation also. Schmeltzer ist sich bewusst, dass sie den Geist der Großmutter in sich trägt.
Kino ist noch lange nicht tot
„Jaja, es gibt genug Leute, die seit 40 Jahren das Kino beerdigen, zuerst die Fernsehgeräte, heute die Streamingdienste, wir haben auch schon stürmische Zeiten umschifft, es gab in den 70ern auch ein paar Jahre als Pornokino.“ Große Einbrüche gab es auch durch das Multiplexkino, das seit einigen Jahren in Schweinfurt bespielt wird. Und heute? „Bald wird es parallele Filmstarts im Kino und im Internet geben“, prognostiziert Schmeltzer, aber auch davor ist ihr nicht bang, denn „das KuK ist alles andere als Mainstream, die besonderen Angebote haben wir.“
Allerdings müssen die Kinosäle und der Eingangsbereich renoviert werden und noch befindet sich Schmeltzer in dem Katastrophenmodus, in den einen das Sterben naher Menschen hineinkatapultiert. „Zwischen 40 und 50 kommt sowieso noch einmal alles auf den Prüfstand und es hat sich gezeigt, dass mein Leben und mein Tun gut ist, so wie es ist“, ist sie aber zuversichtlich. Sie zeigt jene felsenfeste Zuversicht des Vaters, die sie wohl auch geerbt hat.
Langfristige Planungen
„Man wird nicht reich damit, ein Programmkino als kulturellen Raum zu erhalten und zu pflegen“, erklärt Schmeltzer. Es komme ihr aber darauf an, ihren Herzenswunsch leben zu können. „Ich liebe es, unabhängig zu arbeiten“, sagt sie, die auch gerne mal als Projektleiterin an der Fachhochschule gearbeitet hat. Aber ein Kino zu erben ist für sie dann doch die intensivere Herausforderung. „Und ich will das noch 20 Jahre machen und Freude daran haben“.
Seit drei Jahren ist der Gastronomiebereich verpachtet, das macht es leichter. „Der Pächter ist sehr innovativ. Es gibt fruchtbare Kooperationen wie zum Beispiel Sonntagsbraten und Familienkino.“ Zwischen Kneipe und Restaurant, zwischen „Erkundungsstation und Entschleunigungszone“ greift das Lokal wohl jenen Zwischenraum auf, in dem Kino traditionell seine Wirkungskraft entfaltet.
„Es sind alle elementaren Bereiche des Lebens, Geburt, Liebe, Tod, mit allem dazwischen.“
Diana Schmeltzer, Betreiberin des Programmkinos KuK