Die Schilddrüse, ein kleines schmetterlingsförmiges Organ an der Vorderseite des Halses, ist eine wichtige hormonelle Steuerzentrale im menschlichen Körper. Daher können Schilddrüsenerkrankungen weitreichende Folgen für die Gesundheit haben. Abhängig von der Diagnose ergeben sich als Therapiemöglichkeiten Medikamente, eine Radiojod-Therapie oder eine Operation. Darüber sprach in einem Leopoldina Arzt-Patienten-Seminar Dr. med. Dan-Grigore Udrescu, Oberarzt an der Chirurgischen Klinik (Chefarzt Prof. Dr. Detlef Meyer).
Aus Jod und Eiweißbausteinen bildet die Schilddrüse die Hormone Trijodthyroxin (T3) und L-Thyroxin (T4). Diese wirken auf Erhöhung von Herzfrequenz und Blutdruck, Erweiterung der Blutgefäße, Energiestoffwechsel sowie auf die Darmmotorik. Sie sind wichtig bei der Reifung von Ungeborenen im Mutterleib und bei der Entwicklung von Neugeborenen und Kindern. Und schließlich beeinflussen die Hormone Persönlichkeit, Psyche, Sexualität und Fruchtbarkeit.
Immer noch zu geringe Jodzufuhr
Die Schilddrüse ist zur Bildung der Hormone dringend auf Jod angewiesen. Doch trotz Verbesserung der Jodzufuhr in den letzten 20 Jahren liegt ein Drittel der Bevölkerung unter der von der WHO geforderten Mindestmenge, betont Udrescu. So liegt in dieser Gruppe bei Schwangeren und Stillenden die empfohlene Jod-Tagesration bei 230 bis 260 Mikrogramm, tatsächlich werden nur etwa 110 bis 125 Mikrogramm aufgenommen.
Ausführlich erläuterte Udrescu die Schilddrüsenerkrankungen und ihre Symptome. 30 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat einen Kropf (Struma), Knoten oder beides zusammen, bei über 45-Jährigen sogar jeder Zweite. Probleme sind Funktionsstörungen (Über- oder Unterfunktion), Gewebeveränderungen oder mechanische Symptome. Beschwerden bei einer Überfunktion: vergrößerte Schilddrüse, Nervosität, Gereiztheit, Schlaflosigkeit, Depression, Gewichtsverlust, starker Hunger, Durchfall, brüchige Fingernägel, warme feuchte Haut, erhöhte Temperatur, Haarausfall, erhöhte Herzfrequenz, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Muskelschwäche und Muskelkrämpfe, Zyklusstörungen bei Frauen.
Schilddrüsenunterfunktion: Müdigkeit, Gedächtnisschwäche, Depression, geschwollenes Gesicht, heisere Stimme, Gewichtszunahme, Verstopfung, Muskelkrämpfe, langsamer Puls, verminderte Potenz und Zeugungsunfähigkeit. Gewebeveränderungen sind Kropf, heiße oder kalte Knoten, bösartige Tumore, Entzündungen, Zysten. Schließlich mechanische Symptome der Struma: Druck-, Enge- oder Kloßgefühl, Schluckbeschwerden, Luftnot bei Belastung, krankhafte Atemgeräusche.
Diagnose und Operation
Zur Diagnose gehören der Ultraschall, die nuklearmedizinische Untersuchung (Szintigrafie) zur Knotenabklärung und eventuell eine Feinnadelpunktion – bei verdächtigen Knoten über einen Zentimeter Größe, bei schnell wachsenden Knoten, bei großen Zysten. Eine Operation ist notwendig bei einer Strumagröße Grad II bis III, bei einer mechanischen Beeinträchtigung (Luftröhre, Speiseröhre), Stauung der Halsvenen, Strumawachstum hinter dem Brustbein, Bösartigkeit und bei einem Wiederauftreten von Gewebeveränderungen.
Während der Operation wird ein System zum Neuromonitoring eingesetzt. Damit kann der Chirurg die direkt hinter der Schilddrüse verlaufenden Kehlkopf- und Stimmbandnerven identifizieren, um sie vor Verletzung zu schützen. Wird einer der überwachten Nerven gereizt, etwa durch Kontakt mit dem Operationsbesteck, warnt das System den Arzt durch optische und akustische Signale – "ein Nerv ist gefährdet".
Udrescu schließt mit der Schilderung des üblichen Ablaufs einer stationären Behandlung. Aufnahme nüchtern am OP-Tag, Dauer der OP etwa 60 bis 120 Minuten. Am ersten Tag Entfernung der Drainagen, sofern vorhanden. Ab dritten Tag Entlassung möglich, Gespräche über das endgültige feingewebliche Ergebnis, Beginn der lebenslangen Schilddrüsenhormon-Einnahme. HNO-Kontrolle nach drei bis vier Wochen. Kontrolle der Schilddrüsenwerte vier bis sechs Wochen nach der OP, später zwei- bis dreimal jährlich durch den Nuklearmediziner und Hausarzt.