Die bekannte Gerolzhöferin Ilse Detsch, geb. Kohl, ist im gesegneten Alter von 92 Jahren gestorben. Sie ist zeitlebens ihren sudetendeutsch-norwestböhmischen Wurzeln treu geblieben und hat sich über Jahrzehnte im Heimatkreis Bilin für die Versöhnung engagiert.
Geboren wurde sie zehn Jahre nach dem Ende des 1. Weltkriegs im nordböhmischen Bilin, der heutigen Patenstadt von Gerolzhofen. Ihr Vater war der "Leibbursch" von Karl von Habsburg-Lothringen, der später als Karl I. der letzten Kaiser von Österreich wurde. Ihm musste er oft auf der Ziehharmonika vorspielen, wenn Karl Heimweh nach Wien und seiner niederösterreichischen Heimat Persenbeug bekam. Karl hatte 1905 nach der Militärakademie sein erstes Kommando als junger Leutnant bei einem Dragoner-Regiment übernommen, das in Kutterschitz bei Bilin stationiert war.
Ilse Kohl wurde nach dem Ende des 2. Weltkriegs mit ihren Eltern nach Sachsen vertrieben. Nach einigen Irrwegen kam sie über Schweinfurt nach Gerolzhofen, wo sie im Februar 1948 den waschechten Gerolzhöfer Rudi Detsch heiratete. Das Ehepaar bekam drei Kinder. Ihr Mann starb im August 2007.
Das große Engagement von Ilse Detsch, die lange Jahre in Gerolzhofen in der Krankenhausverwaltung arbeitete, galt dem Zusammenhalt ihrer aus Böhmen vertriebenen Landsleute. 1975 lud sie erstmals ihre Schulfreunde des Geburtsjahrgangs 1928 zu einem "Klassentreffen" nach Gerolzhofen ein und war erstaunt, dass unter den rund 50 Teilnehmern sich auch ältere und jüngere Biliner befanden. Alle hatten sich viel zu erzählen über ihr Leben seit der Vertreibung und davor in der alten Heimat. Diese "Klassentreffen" wurden unter der Organisation von Ilse Detsch zu einer, wie sie selbst sagte, "stehenden Einrichtung". Und jedes Jahr kamen mehr Teilnehmer.
So kam es, dass der 1970 in Miltenberg gegründete Heimatkreisverein Bilin seine Jahrestreffen ab 1988 schließlich nach Gerolzhofen verlegte und damals die Stadthalle mit jeweils bis zu 500 Teilnehmern füllte. Am 2. Mai 1992 übernahmen der damalige Gerolzhöfer Bürgermeister Hartmut Bräuer und sein Stadtrat, angeregt von Ilse Detsch, die Patenschaft über den Heimatkreisverein. Und Ilse Detsch wurde die Patenschaftsbeauftragte in Gerolzhofen. 2010 wurde sie angesichts ihrer großen Verdienste zur Ehrenvorsitzenden des Heimatkreisvereins ernannt.
Der Verein bekam im Dachgeschoss der Volkshochschule am "Bilinweg 1" einen Raum zur Verfügung gestellt, der von Rudi Detsch und Ottl Schneider zu einem mustergültigen Ort der Begegnung und der Biliner Heimat-Dokumentation gestaltet wurde. Der Heimatkreisverein ist dankbar, dass die Patenschaftsbetreuung bis heute optimal fortgeführt wird, auch nachdem Thorsten Wozniak Bürgermeister von Gerolzhofen wurde und fast gleichzeitig Ilse Detsch ihre Aktivitäten alters- und krankheitsbedingt nicht mehr wie früher voll ausüben konnte.
Das Alter fiel Ilse Detsch nicht leicht, und der Tod ihres Ehemannes im August 2007 setzte ihr zu, was aber durch die intensive Betreuung durch ihren Sohn Bernd und eine in ihrem Haushalt lebende Pflegekraft gemindert wurde. Corona-bedingt durfte diese Pflegerin dann aber nicht mehr wirken, Ilses Tochter Angelika half drei Wochen aus, aber im April 2020 musste Ilse Detsch schließlich doch in ein Pflegeheim, wo ihr die sechs Wochen dauernde Corona-Isolation sehr schwer fiel.
Am 16. September hat sie der Tod erlöst. Auf ihrer Traueranzeige ist das Balzac-Zitat "Man lebt zweimal: das erste Mal in der Wirklichkeit, das zweite Mal in der Erinnerung" zu lesen. Daneben ist ein Bild des "Borschen", des Biliner Hausbergs, zu sehen - jenes "Borschen", den Ilse Detsch als markantes Steinmodell vor den Bilin-Stuben am Bilinweg 1 einst hatte aufstellen lassen.