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GEROLZHOFEN: Zweimal besuchte Helmut Kohl Gerolzhofen

GEROLZHOFEN

Zweimal besuchte Helmut Kohl Gerolzhofen

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    Kohls Rundgang durch die Altstadt endet im Mai 2002 an der Erlöserkirche.
    Kohls Rundgang durch die Altstadt endet im Mai 2002 an der Erlöserkirche. Foto: Gülta Barbara (MainPost)

    Es ist vor allem Helmut Kohls Mutter, die lange die alten Verbindungen nach Gerolzhofen und Brünnau aus der Zeit pflegt, als die junge Familie von 1921 bis 1929 hier in der Dreimühlenstraße wohnte.

    Aber auch für Helmut Kohl, den am 16. Juni 2017 im Alter von 87 Jahren gestorbenen späteren Bundeskanzler von 1982 bis 1998, bleiben beide Orte besondere Fixpunkte in seinem Leben. In der Stumpfmühle in der Nördlichen Allee in Gerolzhofen und in Brünnau auf dem Hof der Familie Schwinn, ebenfalls gute Freunde der Eltern aus der Gerolzhöfer Zeit, verbringt er als Jugendlicher ab 1936 bis 1943 regelmäßig die Sommerferien. Mindestens zweimal wird Helmut Kohl 1975 und 2002 auf den Spuren seiner Kindheit wandeln und nach Gerolzhofen zurückkehren.

    Der jüngste Spross der Familie wird im Gegensatz zu seinen beiden älteren Geschwistern, seiner Schwester Hildegard (1922-2003) und seinem bei einem Tieffliegerangriff 1944 ums Leben gekommenen Bruder Walter (1925-1944) allerdings nicht mehr in Gerolzhofen geboren. Helmut Kohl kommt nach dem Wegzug der Kohls am 3. April 1930 in Ludwigshafen auf die Welt.

    Das Gehalt des kurz zuvor von Gerolzhofen in die pfälzische Heimat seiner Frau gewechselten Finanzbeamten Hans Kohl ist zwar auskömmlich, erlaubt aber keine teueren Urlaube. Stattdessen sind in Gerolzhofen und Brünnau meist vierwöchige Ferien auf dem Bauernhof angesagt.

    Erst mit dem Zug, dann mit dem Rad

    Zunächst sind der aus Greußenheim bei Würzburg stammende Vater und Helmuts viereinhalb Jahre älterer Bruder Walter dabei, wenn es mit dem Bummelzug nach Unterfranken geht. Ab 1942 kommt Helmut alleine mit dem Fahrrad. Es ist eine Gewalttour für den Jungen, auf dem Weg in die Ferien an einem Tag von Ludwigshafen über Heidelberg sowie entlang des Neckar- und Maintals hierher zu strampeln.

    Die Arbeit in der Mühle und in der Landwirtschaft macht dem Burschen aber großen Spaß. Er habe hier immer eine wunderbare Zeit verbracht, mit Pferden, Kühen, Schweinen, Tauben, Gänsen und Enten, schreibt er später in seinen „Erinnerungen 1930 bis 1982“ und schwärmt in der Autobiografie vom unterfränkischen „Paradies“.

    Ihre Mutter Renate Hofmann, eine geborene Stumpf, hat Renate Nöth öfter erzählt, wie die Familie Kohl bei ihren Großeltern Johann und Magdalena Stumpf quasi über der Straße in der Stumpfmühle (heute Kraus) Milch und Eier in Gerolzhofen geholt hat. Natürlich haben ihre Mutter sowie deren Schwestern Mathilde (später Kraus) und Kreszentia (ebenfalls Hofmann) mit dem jungen Helmut in den Ferien gespielt. Dem habe es besonders gefallen, die Eier im Hühnerstall aus dem Nest zu nehmen.

    Auch Nikolaus Pfister junior stand zum Beispiel lange in Kontakt mit Helmut Kohls älterer Schwester Hildegard, wie seine Frau Rita zu berichten weiß. Sie hätten auch hin und wieder miteinander telefoniert. Man kannte sich aus gemeinsamen Kindertagen, als beide im gleichen Haus wohnten, nachdem Nikolaus Pfisters gleichnamiger Vater 1927 das Haus von Richard Wagner für seine Kfz-Werkstatt mit Fahrschule, Autohandel und Fuhrunternehmen erworben hatte.

    Nach Gerolzhofen selbst kehrt Helmut Kohl mindestens zweimal zurück. Das erste Mal spontan und abseits des großen Protokolls am Dienstag, 14. August 1975, in seiner Zeit als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Bundesvorsitzender der CDU. Die Familie ist auf dem Weg in den Urlaub. Es ist das Jahr, bevor er 1976 als Oppositionsführer nach Bonn wechseln wird, um 1982 nach dem Zusammenbruch der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt selbst zum Bundeskanzler gewählt zu werden.

    Bei der Rast kehrt Helmut Kohl mit seiner Frau Hannelore und den beiden Buben Walter (12) und Peter (er wird wenige Tage später 10) im Gasthof „Wilder Mann“ der Familie Doll am Marktplatz ein. Die Nachricht von Helmut Kohls Anwesenheit verbreitet sich wie ein Lauffeuer in der Stadt. Zahlreiche Bekannte und Freunde, die seine Eltern oder ihn selbst noch persönlich kennen, kommen zum Händeschütteln vorbei.

    Kohl zeigt sich durch seine Mutter gut über das Geschehen in der Stadt informiert. Auch nach dem Umzug in die Pfalz will sie weiter wissen, was hier passiert. Dazu bezieht sie noch lange die heutige Main-Post. Helmut Kohl selbst berichtet bei einem Schoppen Frankenwein vor allem von seinen Ferienerlebnissen in Gerolzhofen.

    Das zweite Mal kommt Helmut Kohl als Bundeskanzler a.D., mit großem Gefolge am 6. Mai 2002 nach Gerolzhofen. Nach der 1998 verlorenen Bundestagswahl ist er nun auf Wahlkampf-Tour in Bayern für Kanzlerkandidat Edmund Stoiber unterwegs. Vor dem Auftritt bei der Schwesterpartei CSU in Prichsenstadt nutzt er die Gelegenheit, um die Orte seiner Kindheit zu besuchen. In Gerolzhofen trägt er sich an jenem Montag bei dem Kurzbesuch im Alten Rathaus ins Goldene Buch der Stadt ein. Bürgermeister Hartmut Bräuer ist überrascht. Er hatte Kohl aufgrund seiner äußeren Statur ganz anders eingeschätzt, als er ihn erleben soll. Er betont: „In Wirklichkeit war er innerlich ein sehr sensibler Mensch.“

    Dann geht es zur Stadtpfarrkirche. Bürgermeistergattin Evamaria Bräuer weiß noch, wie Kohl vor der Stadtpfarrkirche nicht zuletzt die zahlreichen Journalisten und Fotografen darum bittet, ihn alleine in den „Steigerwalddom“ gehen zu lassen, um dort zu beten und für seine gestorbenen Eltern eine Kerze anzuzünden.

    Beim anschließenden Rundgang durch die Altstadt, der am Haus in der Dreimühlenstraße endet, in dem seine Eltern gewohnt hatten, frischt der prominente Gast alte Bekanntschaften auf. Abschließend lässt er sich von seinem Chauffeur noch in die Hörnau fahren. „Ich kenne hier jeden Winkel“, lässt er die Umstehenden wissen. Evamaria Bräuer: „Er wollte auf einmal unbedingt dahin.“

    Für die Main-Post berichtet damals Barbara Gülta. Es herrschte ihren Worten zufolge ein großes Gedränge und Gerangel unter den Journalisten, um an Kohl heranzukommen. Von der Bild-Zeitung bis zur Welt sind alle großen Blätter vertreten. Barbara Gülta erzählt: „Mich hat keiner beachtet. Ich bin einfach vormarschiert, während sich die anderen gestritten haben, und habe das Interview und ein Bild mit ihm gemacht.“ Der Ex-Kanzler sei sehr freundlich gewesen und habe viel erzählt, so Barbara Gülta.

    Der Verbundenheit Kohls mit der Stadt hat diese auch ein braun-schwarz kariertes Jackett von ihm als Ausstellungsstück im Nähmaschinenmuseum zu verdanken. Welche Größe die Maßanfertigung hat, lässt sich nur erahnen, denn eine Etikettangabe fehlt.

    Natürlich wollte Helmut Kohl 2002 sehen, wo das Sakko im Museum hängt. „Er war danach ganz angetan“, so Beate Glotzmann, die damals im Oktober 2001 gerade als Leiterin der Tourist-Info angefangen hatte.

    Keine vier Wochen, nachdem der Brief mit der Bitte um das Jackett herausgegangen war, sei dieses 1998 da gewesen, freut sich Hartmut Bräuer noch heute über den Coup.

    Frankenwein, Sekt und ein Bildband

    Vielleicht haben dazu auch die Sekt- und Weinflaschen mit Tropfen aus hiesigen Lagen beigetragen, mit denen der verstorbene Vorsitzende des Förderkreises Gerolzhofen und Umland, Dietmar Kordowich, Kohl regelmäßig zu seinen Wahlerfolgen gratulierte.

    Auch über den Bildband „Alt-Gerolzhofen“ hat sich der Bundeskanzler sehr gefreut, mit den ihn Bürgermeister Bräuer überraschte. Kohl schrieb damals aus dem Kanzleramt: „Schade, dass meine Mutter dieses Bilderbuch nicht mehr erleben konnte. Sie hätte ihre helle Freude an diesem Werk gehabt.“

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