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SCHWEINFURT: Zwischen Traum und wach

SCHWEINFURT

Zwischen Traum und wach

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    Sebastian Kuhn: Porträt des Bildhauers.
    Sebastian Kuhn: Porträt des Bildhauers. Foto: Foto: Kuhn, VG Bildkunst Bonn

    Es ist der Moment in der Morgendämmerung, wenn wir kurz aufwachen, bevor wir wieder in den Schlaf sinken. Es ist die Zeit, in der wir nicht genau wissen, ob wir schon wach sind oder noch träumen, ein Zustand der Unklarheit, der sehr intim und schwer zu beschreiben ist. Der Künstler Sebastian Kuhn nennt ihn „Between Dreams“, und hat ihm eine Arbeit gewidmet, die Skulptur und Installation zugleich ist.

    „Between Dreams“ ist Kuhns Beitrag für die zweite Triennale für zeitgenössische Kunst und beansprucht so viel Platz, dass sie einen eigenen Raum in der Dauerpräsentation der Kunsthalle, ein wenig abseits der Großen Halle, erhalten hat. Im Zentrum steht ein Doppelbett im neusachlichen Stil, das Kuhn zerlegt, neu zusammengesetzt und auf einen Teppich gestellt hat. Auf dem Bett liegt eine Wurzel, die an einen Berg erinnert und mit einer langen Kette geschmückt ist. Ein Vorhang gibt dem Raum eine intime Anmutung, die von den eigenwilligen und sehr dominanten schwarzen Leuchten und dem Kabelgewirr aber wieder gebrochen wird.

    Identität bleibt erhalten

    Sebastian Kuhn, 1977 in Kulmbach geboren, hat Bildhauerei studiert, lebt in Nürnberg und hat ein großes Atelier auf dem ehemaligen AEG Gelände, „Auf AEG“. Ausgangsmaterial seiner Arbeiten sind Objekte, die im Alltag eine eindeutige Funktion haben. Kuhn zerlegt sie in ihre Einzelteile – dekonstruiert sie also –, beraubt sie ihrer Funktion und setzt sie zu dreidimensionalen Skulpturen neu zusammen. Die Geschichten, die die Dinge mitbringen, bleiben auch nach der Transformation lesbar, ihre Identität bleibt erhalten, wird freilich um neue Facetten erweitert. Die beiden beeindruckendsten Beispiele sind die monumentalen Skulpturen aus zwei Konzertflügeln und aus einem BMW Z4.

    Manchmal hat Kuhn zuerst eine Idee und besorgt sich dazu die geeigneten Gegenstände – was beim Konzertflügel oder dem teuren Wagen sicher mehr Überzeugungskunst bedarf als bei einer Holztreppe oder Schlagzeugständern – manchmal löst ein Objekt eine Idee erst aus. Mit Ausnahme der monumentalen Arbeiten für „Kunst am Bau“ liegen den Skulpturen keine ausgefeilten Konstruktionspläne zugrunde, sondern oft nur einfache Skizzen.

    Kuhn schraubt oder sägt die Objekte auseinander und lässt die Teile erst einmal im Atelier stehen. Behutsam nähert er sich ihnen, probiert aus, lässt sich auf das ein, was ihm das Material sagt. Der Schaffensprozess ist eng an diese Kommunikation geknüpft und zieht sich über einen langen Zeitraum hin. Intellekt und Intuition kontrollieren und korrigieren sich.

    Erst an dem Punkt, an dem Kuhn mit der formalen und inhaltlichen Aussage einverstanden ist, werden die Teile fixiert. Bei Installationen wie „Between Dreams“ reagiert er zusätzlich auf den Ausstellungsraum. Während des Aufbaus in der Kunsthalle fuhr er noch einmal nach Nürnberg, um einen Vorhang zu besorgen, weil der Raum das gebraucht habe. Bei der Frage nach der inhaltlichen Bedeutung wird Kuhn wortkarg. Die eigene Alltagserfahrung spiele eine Rolle, bei „Between Dreams“ sei es eine sehr persönliche Geschichte, die er nicht preisgeben will. Er gibt zu, dass er nicht alle Fragen beantworten will – zum Beispiel, was es mit der Wurzel und der Kette auf sich habe – und den Betrachter gerne mit seinen Fragen alleine lasse.

    Indem er Objekte auswählt, die jeder kennt, macht er es dem Betrachter andererseits leicht, sich den Arbeiten zumindest zu nähern. In der Kunsthalle wird der Betrachter gar zum Teil der Installation. Wie ein Voyeur kann er von der Türe aus in das Schlafzimmer hinein spähen, er kann sich vorwagen und um das Bett herumgehen, er kann sich an seine eigenen Schlafzimmer-Geschichten erinnern.

    Sebastian Kuhn gehört zu der jungen Bildhauergeneration, die die Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte, aber auch mit anderen Genres suchen. Er möchte die Wirkung, die eine bestimmte Musik, ein Film oder auch ein anderes persönliches Erlebnis auf ihn hatte, mit Hilfe der Bildhauerei ausdrücken. Während des Schaffensprozess versucht er permanent, wahrzunehmen, was inhaltlich und formal passiert, wenn ein Material verändert wird und reagiert darauf. In einem Zitat des Philosophen Gilles Deleuze erkennt er sich wieder: „Wahrnehmen heißt, die Welt zu pulverisieren, aber auch ihren Staub zu spiritualisieren.“

    In dieser Serie stellen wir die Künstler der Triennale für zeitgenössische Kunst vor. Die Ausstellung ist bis 23. September in der Kunsthalle zu sehen. Mehr über den Künstler auf seiner Website www.sebastiankuhn.com

    ONLINE-TIPP

    Alle Artikel der Serie unter schweinfurt.mainpost.de

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