Alleinerziehende, die in Armut leben, Menschen, die sich keine Krankenversicherung mehr leisten können und Rentner, die sich das Geld für die letzte Mietsteigerung vom Munde absparen müssen – „Wenn wir genau hinschauen, sehen wir, welche scharfen Gegensätze es in Deutschland und auch in Bayern gibt“, sagte der Präsident der Diakonie Bayern, Michael Bammessel, in Würzburg anlässlich des 170-jährigen Bestehens der dortigen Diakonie laut Pressemitteilung. Und er fordert: „Notleidenden zu helfen alleine reicht nicht. Diakonie muss die Verbindung zwischen den verschiedenen Welten unserer Gesellschaft wieder herstellen.“
Die Diakonie, so Bammessel, erlebe in ihrer täglichen Arbeit die harten Gegensätze in der Gesellschaft. Die Kluft zwischen Arm und Reich aber tue sich längst nicht mehr nur zwischen Armen und Superreichen auf. „Auch Menschen, die sich der Mittelschicht zurechnen, leben oft meilenweit von den Problemen anderer entfernt.“ Welcher „gestresste Büromensch“, so Bammessel, habe schon mal mit einem Flüchtling gesprochen, der in einer Gemeinschaftsunterkunft lebe und psychisch krank werde, weil ihm die Behörden verböten zu arbeiten? Viele Menschen wüssten schlicht nicht, welchen Kampf ums Überleben andere führten. „Sie kennen den bulgarischen Wanderarbeiter nicht, der von seinem deutschen Arbeitgeber um seinen schmalen Lohn betrogen wird, und der sich nicht wehren kann, weil er so schlecht Deutsch spricht.“
Anstoß kam vom berühmten Kirchenmann Wichern
Aufgabe der Diakonie sei es darum nicht nur, Notleidenden zu helfen. Sie könne sich nicht damit zufrieden geben, dass der Blick auf die schreiende Not in der Gesellschaft den Profis, und damit ihr, überlassen werde. Als Beispiel nannte Bammessel die Vesperkirchen. Hier öffneten sich Kirchen für einen bestimmten Zeitraum für alle Menschen der Umgebung und ermöglichten eine Begegnung zwischen den unterschiedlichen Gruppen der Gemeinde: „Wer da aus einer gut bürgerlichen Familie kommend am Essen teilnimmt oder gar ehrenamtlich mitarbeitet, bekommt einen scharfen Blick für die Lebenslagen, in denen sich manche Menschen befinden. Da treffen sich Welten.“
Bammessel predigte anlässlich des 170-jährigen Jubiläums der Diakonie Würzburg. Die Gründung geht zurück auf eine Predigt von Johann Hinrich Wichern im Jahr 1849 in der Würzburger Stephanskirche. Wichern, der als einer der Väter der modernen Diakonie gilt, gab damit den Anstoß zur Gründung der „Inneren Mission Würzburg“, aus der später das Diakonische Werk wurde. Es hat heute knapp 1000 Mitarbeitende und ist unter anderem in der ambulanten und der stationären Altenhilfe, der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie der Sozialpsychiatrie tätig. Zur Diakonie Würzburg gehört auch die Brauchbar GmbH, die sechs Sozialkaufhäuser in Würzburg sowie Ochsenfurt betreibt, und in denen täglich circa 300 Personen einkaufen.