Aus den Wasserhähnen der Stadt soll Würzburger Wasser fließen: Die Trinkwasserversorgung Würzburg GmbH (TWV), untergebracht bei der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV), macht sich auf den Weg in die Unabhängigkeit. „Wir werden künftig kein Fremdwasser mehr zukaufen“, kündigt WVV-Chef Thomas Schäfer mit Zuversicht an. Bis Januar 2017 will die TWV auf eigenen Füßen stehen.
Der Plan entspricht den Vorstellungen der Europäischen Union. Die lokalen Wasserversorger sollen unabhängig bleiben – oder es werden. Für die TWV unter Geschäftsführer Armin Lewetz bedeutet dies ein völliges Umdenken, war doch eigentlich eine engere Kooperation mit dem bisherigen Fernwasserlieferanten Zweckverband Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM) angedacht.
„Wir hatten uns bisher verpflichtet, pro Jahr etwa eine Million Kubikmeter Wasser abzunehmen. Doch als es um einen Kooperationsvertrag ging, stellten wir fest, dass die Strukturen der beiden Gesellschaften nicht mehr so recht zusammenpassten“, erläuterte Schäfer die politische Seite der Verhandlungen.
Und da die TWV als kommunaler Wasserversorger mit eigenen Quellen eher in Jahrzehnten als kurzfristig denkt, war die Idee, sich unabhängig zu machen, geboren. Dafür nimmt die WVV nun 5,3 Millionen Euro in die Hand.
Wasserverbrauch sinkt
Hinzu kommt, dass die TWV mit ihren eigenen Wassermengen den prognostizierten künftigen Bedarf für Würzburg, Zell und Gerbrunn wohl leicht erfüllen kann, Reserven inklusive. Geschäftsführer Lewetz spricht von komplexen Berechnungen für die Wassermengen der Zukunft. Doch eines zeichnet sich klar ab: Das Verbrauchsverhalten der Würzburger hat sich stark geändert, es wird deutlich weniger Wasser benötigt als noch vor einigen Jahren.
Zapften die Kunden im Gebiet der TWV vor einigen Jahren noch zwölf Millionen Kubikmeter aus den Leitungen, liegen die Prognosen bei künftig zehn Millionen Kubikmetern. Dafür reichen die eigenen Quellen, zu denen die Wasservorkommen aus Zellingen und Estenfeld zählen. In Estenfeld sind die Würzburger zu 80 Prozent beteiligt.
Auch bei den Tageswerten wird es Schäfer nicht bange. „Wir schaffen es leicht, den Tagesspitzenbedarf abzusichern. Denn auch der ist gesunken, die ganz großen Ausschläge nach oben bleiben jetzt aus. Früher waren es bis zu 60 000 Kubikmeter, heute bleiben davon noch etwa 45 000 übrig. Das Tagesmittel liegt im Jahr bei 28 000 Kubik.“
Um das Wasser in Würzburg anders zu verteilen – Rottenbauer, Lengfeld, ganz Dürrbach und ein Teil von Gerbrunn beziehen schließlich das Fernwasser vom Mittelmain – muss gebaut werden, sagt Lewetz: ein Pumpwerk am Hubland, ein Werk in Rottenbauer, wo der Druck an das Würzburger Wasser angepasst werden muss, und weitere Bauten in der Dürrbachau und Grombühl. Lewetz: „Wir brauchen kein Fremdwasser mehr, die Auslastung der eigenen Anlagen steigt und macht sie wirtschaftlicher.“
Bis 2016 sollen von der Wassergewinnung Würzburg-Estenfeld jährlich zwei Millionen Kubikmeter kommen, aus Main-Spessart noch 0,9 Millionen, der große Rest von etwa sieben Millionen Kubikmeter wird in Würzburg selbst gefördert. Ab 2017 endet die Lieferung von der Fernwasserversorgung Mittelmain (FWM).
Woher nimmt die WVV die Gewissheit, dass die lokale Wasserversorgung dauerhaft sein wird? Immerhin gibt es seit dem vergangenen Oktober eine neue Trinkwasserverordnung, die sich auch mit den Grenzwerten des im Würzburger Wasser vorhandenen Sulfates beschäftigt. Der Grenzwert stieg von 240 Milligramm pro Liter auf jetzt 250. Bislang gab es eine Duldung von 500 Milligramm in Gegenden, deren Böden vorwiegend aus Muschelkalk bestehen. Würzburg kam in der Vergangenheit manchmal an diesen Spitzenwert heran.
Fördererlaubnis bis 2023
„Wir haben mehrere Behörden eingeschaltet und Studien in Auftrag gegeben, um eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen“, sagt Schäfer. Zuständig sind die Gesundheitsämter. Mit gewissen Auflagen darf die TWV jetzt ohne zusätzliche Aufbereitung Wasser fördern bis zum Jahr 2023. Der Mittelwert des gelösten Sulfates liegt bei 300 bis 350 Milligramm.
Lewetz und Schäfer sind vorsichtig mit Aussagen, ob die Investitionskosten der Trinkwasserversorgung auf die Kunden umgelegt werden. Sie betonen die Wirtschaftlichkeit des Projektes und sehen keine Preiserhöhung. Und obwohl das Wasser des FWM jetzt acht Cent mehr kostet pro Kubikmeter, so ihre Auskunft, bleiben die Würzburger von Nachforderungen verschont.
Sulfat im Grundwasser
Die Schwefelverbindung (Sulfat) kommt in Wasser und Boden vor. Die Trinkwasserverordnung gibt einen Grenzwert von 250 mg Sulfat pro Liter vor. Sulfat ist ein wichtiger Mineralstoff für den Körper. In hohen Kontentrationen ab 500 mg Sulfat ro Liter eignet sich das Wasser nicht mehr für die Zubereitung von Säuglingsnahrung. Ferner können hohe Sulfat-Konzentrationen bei empfindlichen Menschen eine abführende Wirklung entfalten. Für Leitungsrohre und Beton bedeutet eine hohe Sulfat-Konzentration Korrosionsgefahr. Auf Dauer kann dies unbemerkt zu Rohrbrüchen führen. Korrosionsschäden mindern die Wasserqualität. Durch Nanofiltration lässt sich Sulfat aus dem Wasser entfernen.