OCHSENFURT Da sitzt er nun, der Affe Rotpeter, und berichtet den Herren einer imaginären Akademie auf dem Höhepunkt seiner Karriere als Varietékünstler von seiner Menschwerdung. Er ist vor der Goldküste angeschossen, in einen Käfig gesperrt und mit dem Schiff nach Hamburg transportiert worden. Auf dem Schiff beginnt er, sich den Menschen anzunähern. Schnaps, vor dem er sich zunächst ekelt, lässt ihn sein erstes Wort "Hallo" sprechen. Mit Hilfe menschlicher Lehrer wird er immer mehr zum Menschen und bleibt doch in Gestik und Mimik äffisch.
Hans Schwab gab am vergangenen Freitag und Samstag eine Vorstellung des "Berichts an eine Akademie" von Franz Kafka im Ochsenfurter Schulladen, der damit seine Qualitäten als Kleinkunstbühne unter Beweis stellte. Der Schauspieler aus dem hessischen Ortenberg hat das Stück in den vergangenen 20 Jahren an die 150 Mal gespielt und die Rolle dabei nahezu zur Perfektion getrieben. Nicht nur seine Maske fesselt den Blick vom ersten Moment an, wenn er zum "Ave Maria" von der Schallplatte Karten verkauft.
Wenn er pfeifend atmet, in Affenmanier den Barhocker erklimmt und das Affengebiss zu einem Grinsen öffnet, spürt man, dass der Affe Rotpeter sich niemals wird wirklich dressieren lassen. Dabei hält er den Menschen einen Spiegel vor, in dem sich ihre Lebensart zeigt. Mehr als einmal kommt einem beim Schwabschen Rotpeter die klassische Situation vor dem Affenkäfig im Zoo in den Sinn. Wer beobachtet wen? Wem hat die Evolution das vermeintlich bessere Leben zugestanden? Wer genießt die Freiheit?
Überhaupt die Freiheit. Sie ist zentraler Begriff des Stücks und dennoch sucht sie der Affe nicht. Aus Angst davor, nachher in einen noch größeren Käfig gesperrt zu werden. Auch, weil er innerlich und trotz aller Qualen der Menschwerdung wohl frei geblieben ist. Es scheint, als habe er seine eigene Freiheit gefunden, indem er das Menschsein nicht vollständig angenommen hat.
Das Stück, das 1917 von Franz Kafka - allerdings nicht für die Bühne - geschrieben wurde, ist typisch für ihn und auch wieder nicht. Es ist keine leichte Kost, der Interpretationsmöglichkeiten gibt es viele und es ist düster. Dennoch ist es auf der Bühne für literarische Laien verständlich, in seinem Blick auf äffische Menschen und menschliche Affen zeitlos und durchaus zum Lachen. Vor schwarzem Vorhang in anregend-rotweinseliger Atmosphäre des Schulladens aufgeführt, faszinierte der einstündige Affenmonolog Hans Schwabs von Anfang bis Ende. Allerdings nur wenige Zuschauer. Von Narrentreiben und Prunksitzungen konnte der Klassiker kaum jemanden weglocken.