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Würzburg: Als Kurt Tucholsky in Würzburg seine Prinzessin traf

Würzburg

Als Kurt Tucholsky in Würzburg seine Prinzessin traf

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    Diese Postkarte zeigt die Alte Mainbrücke im Jahr 1900. 27 Jahre später legte Kurt Tucholsky dem Heiligen Nepomuk einen Glückspfennig zu Füßen.  Foto: Private Sammlung Willi Dürrnagel
    Diese Postkarte zeigt die Alte Mainbrücke im Jahr 1900. 27 Jahre später legte Kurt Tucholsky dem Heiligen Nepomuk einen Glückspfennig zu Füßen. Foto: Private Sammlung Willi Dürrnagel

    Der Würzburger Steinwein führt im Lauf der Jahrhunderte einige Größen an den Main. Neben Goethe reizt die Gegend auch Kurt Tucholsky (1890-1935), der sich mit zwei Freunden auf eine ausgiebige Sauftour begibt, wie wir es heute formulieren würden.

    Im Herbst 1927 bricht er mit Karlchen und Jakopp, die mit bürgerlichem Namen Dr. Erich Danehl und Hans Fritsch heißen, zu einer Runde durch die Kneipen auf. „Von Würzburg aus zechen sich die drei Freunde durch den Spessart“, erzählt die Dichterin Cornelia Boese, die sich mit den Details dieser Reise vertraut gemacht hat.

    Kurt Tucholsky schreibt am 8. September 1927 über den Beginn der Tour: „Würzburg; Sonnabend. Die beiden Halbirren brechen frühmorgens in meine Appartements im ‚Weißen Lamm‘ ein. (…) Die seit einem Jahr angesagte, organisierte, verabredete, immer wieder aufgeschobene und endlich zustande gekommene Fußtour beginnt. Du großer Gott.“

    Die Kumpels bechern ordentlich Frankenwein

    Der Seufzer in Richtung Himmel ist berechtigt: Die Kumpels bechern ordentlich. Schon am Abend desselben Tages notiert Tucholsky: „Wir hätten sollen nicht so viel Steinwein trinken. Aber das ist schwer: so etwas von Reinheit, von klarer Kraft, von aufgesammelter Sonne und sonnengetränkter Erde war noch nicht da.“

    Trotz aller Weinseligkeit steht auch Kultur auf dem Programm. Die Männer besichtigen Festung und Residenz, hören Gästeführern zu. Den Journalisten und Schriftsteller Tucholsky beeindrucken die Ausführungen allerdings wenig. Ein Alternativprogramm wäre ihm lieber gewesen: „Wir hätten sollen in der Gartenwirtschaft Steinwein trinken“, schreibt er – und genießt wenig später„die älteren Jahrgänge vom Bürgerspital“.

    Eine knappe Woche nach Beginn der Fußtour verabschiedet sich Tucholsky von Karlchen und Jakopp. Der Journalist notiert für den 14. September: „Ich habe die beiden auf die Bahn gebracht, mit dem festen Vorsatz, sie nie wieder zu sehen. Welche Säufer! (…) Und mit so etwas muß man nun umgehen! Um Viertelvier läuft die Prinzessin ein.“ An dieser Stelle beginnt Teil zwei der Geschichte.

    Mit der „Prinzessin“ im Schloss Veitshöchheim

    Die lästigen Freunde sind weg, dafür tritt ein Frauenzimmer auf den Plan. Tucholsky nennt sie hier nur Prinzessin. In seinen Feuilletontexten für die Vossische Zeitung taucht sie als Lottchen auf und nimmt eine wichtige Rolle ein. Mit der Prinzessin besucht der Schriftsteller das Schloss in Veitshöchheim und genießt den romantischen Ort: „Wir sagen gar nichts – wir haben uns lange nicht alles gesagt, aber das muß man auch nicht, zwischen Mann und Frau.“

    Die beiden verbringen die Nacht in einem Würzburger Hotel, und Tucholsky fürchtet, hinausgeworfen zu werden. „Weil er in der Badewanne pfeift und denkt, das sei für einen verheirateten Mann zu fröhlich!“, sagt Cornelia Boese. Für welche Prinzessin wagt er denn nun das heimliche Abenteuer in Würzburg?

    Die Dame verrät viele Jahre nach seinem Tod: „Ich war Tucholskys Lottchen.“ Sie sei mit ihm „vom 27. Januar 1927 bis Herbst 1931 so intim befreundet gewesen, wie man das als Frau mit einem Mann sein kann.“

    Bei der Freundin kommt der berühmte Autor nicht gut weg

    Ihr Name ist Lisa Matthias, Verlegerin und Schriftstellerin. Besonders gut kommt der Journalist in ihren Beschreibungen, lange nach seinem Selbstmord, nicht weg. Als Autor sei er „begabt, aber schwach“. Und als Liebhaber sei er rechterbärmlich gewesen. Es werde „ein bißchen viel geliebt ohne wirkliche Liebe“.

    Und auch sonst gibt es Hindernisse, denn kurz nach ihrem Kennenlernen besucht Lisa Matthias den Journalisten in Berlin und notiert über ihren „Tucho“: „Geschlafen habe ich so gut wie gar nicht. Erstens wegen des fremden Bettes, zweitens weil Kurtchen fürchterlich schnarchte.“

    Dennoch findet Lisa Matthias Gefallen an der Liebelei und will Tucho öfter sehen. Sie fragt, warum er neben seiner Frau nicht auch sie lieben könne. Er müsse es nur klug anstellen oder aber – ohne Heimlichtuerei – beide Frauen einverstanden sein. Tucholsky lehnt ab, aus Angst vor Neuem. Auch ihre Bitte, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, bescheidet er mit einem Nein. Da Tucholsky zu dieser Zeit in Paris lebt, bleibt es also bei gelegentlichen Treffen mit der Prinzessin alias Lottchen, und zwar in Lugano, Hamburg, Paris, Berlin und eben in Würzburg.

    Ein Glückspfennig auf der Alten Mainbrücke

    Hier endet die Reise durch den Spessart, die als Männer-Trinktour begonnen hatte, mit einer netten Begebenheit: Tucholsky und die Prinzessin spazieren zur Alten Mainbrücke. An der Figur des Heiligen Nepomuk legen die beiden ihm einen Glückspfennig zu Füßen, „um die Ehrlichkeit des Heiligen und der Bevölkerung zu prüfen“, wie der Schriftsteller festhält.

    Cornelia Boese, als Dichterin an den Vorgängen von damals interessiert, kennt den Ausgang der Geschichte: „Eigentlich wollten Tucholsky und seine Geliebte am nächsten Tag nachschauen, ob das Geld noch da ist. Sie taten es aber nicht, was den Schriftsteller zur Vermutung veranlasste, der Pfennig liege wohl heute noch da“, sagt sie.

    Cornelia Boese macht es wie einst Tucholsky: Sie legt Geld an den Brückenheiligen und hofft auf viele Nachahmer. Foto: Kirsten Schlüter
    Cornelia Boese macht es wie einst Tucholsky: Sie legt Geld an den Brückenheiligen und hofft auf viele Nachahmer. Foto: Kirsten Schlüter

    Diese Begebenheit fand Cornelia Boese so nett, dass sie den Brauch wieder aufleben lassen will. „Ich habe einige Zeit lang beharrlich immer wieder Cent-Stücke zu Füßen des Heiligen Nepomuk gelegt, aber zuerst sind sie immer verschwunden“, erzählt sie. Eines Tages zahlte sich ihre Hartnäckigkeit aus: „Plötzlich lagen da Schweizer Franken und norwegische Öre neben meinem Cent“, sagt Cornelia Boese begeistert.

    Vor allem im Sommer hätten die Touristen ihre Idee fleißig fortgeführt. Die Dichterin beobachtet das Geschehen noch heute neugierig aus der Nähe: „Ich trinke meinen Brückenschoppen oft beim Heiligen Nepomuk und denke an Tucholsky“, sagt sie und schmunzelt.

    Text: Kirsten Schlüter

    Was Würzburg prägte Das neue Buch „Was Würzburg prägte“ enthält 52 Texte über Jahrestage aus der Würzburger Geschichte, also für jede Woche des Jahres einen Text. Präsentiert werden die historischen Geschehnisse jeweils von Würzburger Bürgern. Das Buch der beiden Autorinnen EvaMaria Bast und Kirsten Schlüter entstand in Zusammenarbeit mit der Main-Post. Wir werden in einer ganzjährigen Serie Texte aus dem Buch abdrucken. Erschienen ist das Buch im Verlag Bast Medien GmbH, in dem auch die erfolgreichen „Würzburger Geheimnisse“ veröffentlicht wurden, die ebenfalls in Kooperation mit der MainPost entstanden sind. Erhältlich ist „Was Würzburg prägte – 52 große und kleine Begegnungen mit der Stadtgeschichte“ von Eva-Maria Bast und Kirsten Schlüter Überlingen 2017, ISBN: 978-3-946581-24-6 in den Main-Post-Geschäftsstellen (14,90 Euro).

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