(rdf) Der amerikanische Bürgerkrieg, der von 1861 bis 1865 dauerte, ist in unzähligen Büchern geschildert worden; vor einigen Jahren lief eine neunteilige Serie im Fernsehen, und jüngst ist E. L. Doctorows vielgelobter Roman zum selben Thema („Der Marsch“) auf Deutsch erschienen.
Dass nur ein Jahr nach dem Friedensschluss in den USA auch in Deutschland ein Bruderkrieg tobte, ist dagegen kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert. Dabei ist dieser Krieg, in dem die Mehrheit der deutschen Staaten an der Seite Österreichs gegen das von Ministerpräsident Bismarck geführte Preußen stand, einer der wichtigsten Wendepunkte unserer Geschichte. In jenem Jahr entschied sich die preußische Vorherrschaft.
Da Bayern Verbündeter des späteren Kriegsverlierers Österreich war, wurde auch die Gegend um Würzburg zum Kriegschauplatz. In seiner 1986 erschienenen 98-seitigen Broschüre „Der Deutsche Krieg von 1866 im Raum Würzburg“ hat Axel Tittmann das Geschehen detailliert geschildert: die Gefechte bei Bad Kissingen, Gerchsheim, Helmstadt und Roßbrunn ebenso wie das Vorrücken der Preußen auf Würzburg und die Beschießung der Festung Marienberg am 27. Juli 1866 – wobei einige Kugeln auch in der Stadt einschlugen, beispielsweise in der Alten Universität und im Mainviertel. Mehrere Würzburger wurden verletzt, einer getötet.
Die preußischen Geschütze standen auf dem Nikolausberg und am Hexenbruch, die der bayerischen, österreichischen und württembergischen Verteidiger in den Kasematten der Festung, am Galgenberg, auf der Keesburg und am Schenkenturm. Die Preußen schossen das Zeughaus der Festung (heute Mainfränkisches Museum) in Brand, doch der Schusswechsel und die begleitenden Scharmützel dauerten nicht lange, da die Preußen unter Munitionsmangel litten und überdies ein Waffenstilstand geschlossen wurde. Am Ende des Tages beliefen sich die Verluste der Preußen auf sechs Gefallene, 19 Verwundete und fünf Gefangene, die der Bayern auf neun Verwundete.
Am 2. August 1866 zogen die Preußen in Würzburg ein; fünf Wochen dauerte die Besatzung.
Der Beschießung der Festung, in der 3700 bayerische Soldaten saßen, ist auch ein kurzes Kapitel in dem neu erschienenen Buch „1866: Bismarcks deutscher Bruderkrieg. Königgrätz und die Schlachten auf deutschem Boden“ von Klaus Müller gewidmet. Wo Tittmann sich auf die Region um Würzburg beschränkt, zeichnet Müller ein größeres Bild. So behandelt er auch die Gefechte im Spessart (Laufach und Frohnhofen, 13. Juli), Aschaffenburg (14. Juli) und Tauberbischofsheim (24. Juli).
Beide Autoren stellen in Bild und Text dar, was vom Bruderkrieg übrig geblieben ist: Denkmäler und Friedhöfe, die meist ebenso vergessen sind wie die Schlachten, an die sie erinnern.
Klaus Müller, 1866: Bismarcks deutscher Bruderkrieg. Königgrätz und die Schlachten auf deutschem Boden, 278 S., zahlr. Farb- und Schwarzweiß-Abbildungen, Ares Verlag, Graz, 24,90 Euro.