Am Anfang hat er sie belächelt. Die Stehpaddler mit „ihrem komischen Zeug“. Die mit wackeligen Knien auf ihren Surfbrettern standen und plötzlich in Massen über den Brombachsee zogen. „Ich war da ganz offener Franke“, sagt Daniel Nagl lachend. Irgendwann aber überwand der überzeugte Kanute seine Vorurteile, stellte sich aufs Brett und „war absolut angefixt“. Jetzt, eineinhalb Jahre später, will der 28-Jährige von seiner Heimatstadt Roth in Mittelfranken bis nach Aschaffenburg paddeln – nicht mit dem Kanu, sondern per SUP (Stand Up Paddling). Rund 400 Kilometer in zwölf Tagen. Bis zu zehn Stunden auf dem Brett, Muskelkater und Erschöpfung inklusive. Nur warum?
„Von Roth bis an den Untermain zu paddeln ist derzeit zwar möglich, aber beschwerlich“, sagt Daniel Nagl. Ein- und Ausstiege fehlen, die Umtragungen für Hindernisse sind oft zugewuchert oder gar nicht vorhanden, Hinweisschilder wie etwa die des Wasserwanderwegs Gelbe Welle existieren nicht durchgehend. Das soll sich ändern, das ist seine Idee. Neu ist die nicht: „Seit etwa 30 Jahren gibt es immer wieder Diskussionen und Anläufe, Teile der Regnitz und des Mains zur Paddel-Strecke zu verbinden“, sagt Nagl.
Passiert sei bisher wenig. Mit seiner 400-Kilometer-Tour will der 28-Jährige neue Aufmerksamkeit schaffen für den lange gehegten Wunsch der fränkischen Paddler. Und nebenbei das „Leben entlang des Flussverlaufs von Rednitz, Regnitz und Main“ per Kamera und Drohne festhalten, eine Art Videoporträt drehen.
„Du sparst dir als SUPler jedes Fitnessstudio.“
„In Unterfranken ist die Mainidentität stark ausgeprägt“, sagt Nagl. Der Fluss werde geschätzt. In seiner Heimat, rund um Rednitz und Regnitz, sei das anders. Leider, so der 28-Jährige. Als Kind paddle hier fast jeder noch auf den Wasserläufen, später geraten sie für die meisten in Vergessenheit. Für den Rother nicht. Mit acht war er bei einer Jugendfreizeit zum ersten Mal im Kanu unterwegs, seit etwa 13 Jahren paddelt er regelmäßig. Auf dem Gardasee oder heimischen Flüssen, auch als Jugendtrainer im Verein Flotte Finne e. V., der seine Tour unterstützt. Auf das SUP-Brett hat sich Nagl allerdings erst spät gewagt. „Das ist ein total anderes Erlebnis als Kanufahren“, sagt er. „Du sparst dir jedes Fitnessstudio und bist psychisch besser drauf, wenn du eine Stunde auf dem Wasser gestanden bist.“ Für den Politikwissenschaftler, der als Abgeordnetenreferent arbeitet, ist das Paddeln „ein Ausgleich zum Büro, um den Kopf frei zu kriegen“.
Zur Vorbereitung hat Daniel Nagl Fahrrinnen gelernt und Signaltafeln studiert.
Bei seiner Tour quer durch Franken muss die Entspannung hinten anstehen: Pro Tag um die 35 Kilometer möchte er schaffen. Gestartet ist er am Dienstag in Roth. Über Stein, Erlangen und Hirschaid hatte er am Donnerstag bereits Bamberg erreicht und verschnaufte dort bei einem Rauchbier. „Ich spüre meine Muskeln“, sagte er am Telefon. Nein, ins Wasser gefallen sei er noch nicht. Aber nass sei er ohnehin – vom Schwitzen. Am Wochenende will Nagl Schweinfurt und Kitzingen passieren, bevor er über Würzburg, Gemünden, Triefenstein, Freudenberg und Wörth nach Aschaffenburg paddelt. „Erst ging es durch Wald und Wiesen, wo ich maximal einen Biber hätte überfahren können. Heute erreiche ich die Bundeswasserstraße Main, da muss ich permanent alles rundherum im Auge haben.“
„Wenn es einen halben Tag gewittern sollte, wird es schwer, im Zeitplan zu bleiben“, sagt Nagl. Bisher aber liege er gut im Zeitplan, ja, er habe am Mittwoch sogar sechs Stunden Vorsprung herausgepaddelt. Der Rother hat seine Tour akribisch vorbereitet, Fahrrinnen gelernt und Signaltafeln studiert. Landkarten gewälzt und mit Google Maps die Strecke geplant. Schlafplätze bei Bekannten, bei seinem Bruder in Würzburg und seiner Freundin in Kitzingen organisiert. Und auf dem SUP trainiert.
Für Stehpaddler sind Sportboote gefährlicher als Kreuzfahrtschiffe
Für die 400-Kilometer-Strecke hat Nagl ein breites, aber kurzes Board gewählt. „Das nimmt mir im Schnitt zwei Stundenkilometer, ist aber auf dem Main entspannter zu fahren“, sagt der 28-Jährige. Denn gefährlich für einen SUPler sind nicht die großen Frachter oder Kreuzfahrtschiffe, „da hältst du Abstand, hast Respekt und gut ist es“. Problematisch seien Sportboote, die andere Wellen erzeugen und Stehpaddler gerne umwerfen oder zumindest in die Knie zwingen.
Stürze aber will Nagl möglichst vermeiden, denn die ersten Etappen paddelt er zeitweise bepackt. Wechselkleidung, Hygieneartikel und die Kamera hat er dabei, aber auch eine Ersatzfinne oder Verpflegung. Später wird ihn seine Freundin im Auto an Land begleiten und Teile der Tour mit einer Drohne filmen. Ob daraus nur ein Youtube-Film wird oder mehr, ist für den Rother zweitrangig. Er möchte ein Stück „fränkisches Leben am Fluss einfangen“ – und selbst erfahren.
Am Ende, wenn Nagl in Aschaffenburg ankommt, „stelle ich das Board so schnell es geht ab und genehmige mir im nächsten Biergarten einen Schoppen“, sagt der 28-Jährige. Und wenn irgendwann die Gelbe Welle weiter ausgedehnt, die paddelbare Strecke auf Rednitz, Regnitz und Main verbessert wird, dann hätte Nagl sein Ziel wirklich erreicht.