In Würzburg kennen viele Hubert Noras nur als Karnevalisten. Was ihn im wahren Leben beschäftigt, zeigt er mit seinem Ingenieur und Projektleiter Sebastian Außenhofer: eine weiße Tonne, so groß wie ein Abfalleimer, ausgestattet mit einem hochtechnischen Innenleben.
Noras und seine Techniker arbeiten an einem Forschungsprojekt, das von der EU gefördert wird. Es soll die Untersuchungsmöglichkeiten bei Hirnerkrankungen verbessern, indem die Kernspintomographie (MRT) mit der Positronen-Emissionstomografie (PET) verknüpft wird. Noras hat bahnbrechende Entwicklungen auf dem Gebiet der Magnetresonanztomographie (MRT) auf den Weg gebracht, eine Technik, die bei medizinischen Untersuchungen ohne Röntgenstrahlen auskommt.
Das Unternehmen hat 30 Mitarbeiter, überwiegend Ingenieure, Elektrotechniker, Physiker und auch ein Doktor der Medizintechnik ist im Boot. Es hat sich auf die Herstellung von Spulen, also Antennen, für die Magnetresonanz-Technik spezialisiert. Die Produkte sind weltweit gefragt.
Hubert Noras, Jahrgang 1948, ist ein Tüftler. Sein Spielplatz als Kind waren die Ruinen Würzburgs. Schon als kleiner Junge hat er repariert, was er im Sperrmüll fand. Seine Lehre machte er als Kfz-Elektriker bei der Firma Boschdienst Jhle und betreute danach die Abteilung „Anlasser und Lichtmaschinen“ bei der Firma Schleyer.
Weil ihm auch komplizierteste Reparaturen gelangen, wurden Kunden auf ihn aufmerksam. „Einer war so begeistert, dass er mich gleich einer Firma vorstellte, die Röntgen- und Medizintechnik vertrieb und für die Reparaturen und Wartung von chirurgischen Geräte der Würzburger Uni zuständig war“, erzählt Noras. So kam er sozusagen über Nacht zur Firma Frank in Höchberg. Hier begann er, Operationssäle zu warten, stellte Röntgengeräte auf und stattete Praxen aus. Dann arbeitete er für die Röntgenpraxis von Dr. Wolfgang Keil.
Die Idee für die erste eigene Spule kam Noras 1985 nach einem Besuch bei Siemens. Eine Frage ließ Noras hinterher keine Ruhe: Warum ist die Spule für Wirbelsäulenuntersuchungen kreisförmig, wenn die Wirbelsäule doch gerade ist? Also baute er in seinem Heizungskeller am Winterleitenweg die erste ovale Wirbelsäulenspule, damals noch aus dünnem Kupferrohr. „Ich habe mir eine kleine Drehbank gekauft, Regale geschweißt und losgebastelt.“ Einen Monat später ist er mit der Spule zu Siemens marschiert: „Die waren begeistert“, sagt Noras. Damit war der Grundstein gelegt für sein eigenes Unternehmen Noras Röntgen- und Medizintechnik.
Weiter ging es in einer alten Garage und später in der Schillerstraße. Bis zu dieser Zeit hatte er bereits 40 Spezial-Spulen für alle Körperregionen hergestellt. Durch den Einsatz seiner an der Körper angepassten und teilweise flexiblen Spulen konnten in der Praxis Dr. Keil Patienten mit hochauflösender Detailerkennbarkeit in der MR-Tomographie untersucht werden. 1985 bekam die Praxis eines der ersten 1T MR-Geräte (T=Tesla, die Magnetstärke) von Siemens in Deutschland.
Hubert Noras entwickelte zu dieser Zeit eine spezielle Wirbelsäulenspule, die unter dem Patienten verschoben werden konnte, um eine bessere Lagerung und eine schnellere Untersuchungszeit der Wirbelsäule zu erreichen.
Im Prinzip funktioniert die Spule im MRT wie eine Antenne, erläutert Daniel Gareis, Physiker und technischer Leiter bei Noras. Im MRT wird der Körper magnetisiert und die darin enthaltenen Protonen dann mit HF-Strahlung angeregt, die dann Radiostrahlung aussenden, die von der Spule empfangen werden. Für jede Körperregion gibt es verschiedene Spulen, erklärt Gareis: Je nachdem, was der Mediziner untersuchen möchte, muss er eine Kopf-, Knie- oder Herzspule benutzen. Das MRT wäre zwar in der Lage, auch ohne eine zusätzliche Spule Messsignale des Körpers zu empfangen. Aber je spezialisierter die Spule ist, desto genauer ist das Bild.
Durch die Unterstützung von Prof. Dietbert Hahn und seinem Team konnten die notwendigen Sicherheitstests und klinischen Erprobungen der Spezialspulen und Biopsie-Geräte gemeinsam mit der Abteilung für Experimentelle Radiologie, Leiter Prof. Herbert Köstler, an den hochmodernen MR-Geräten des Instituts für Röntgendiagnostik des Universitätsklinikums Würzburg durchgeführt werden. Eine enge Beziehung hat die Firma auch zum MRB Forschungszentrum für Magnet-Resonanz-Bayern. Hier besteht die Möglichkeit, regelmäßig Produkte zu testen und wichtige Entwicklungserkenntnisse zu bekommen.
Zu den erfolgreichen Entwicklungen von Noras gehört ein System für die MRT-gestützte Brustbiopsie, das er 1996 patentieren ließ. Eine weltweite Koryphäe auf dem Gebiet der MR-gesteuerten Brustbiopsie war Prof. Werner Kaiser. Durch seine Unterstützung in Publikationen und Kongressen war er maßgeblich am Erfolg des Noras Biopsie Systems beteiligt. Nach seinem Tod wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen.
Danach erfolgte die Entwicklung eines MR-tauglichen Kopfhalters in Zusammenarbeit mit den Universitäten Heidelberg und Erlangen, der zur MR-Bildgebung bei Operationen am Gehirn eingesetzt wird, das inzwischen weltweit verkauft wird.
Seit 2006 entwickelt Noras MR-Spulen am Standort Höchberg und konzentriert sich nur noch auf den Spulenbau für die Magnetresonanztomografie. Die hochauflösende Acht-Kanal-Spule zur Untersuchung und Erforschung von Gelenken, Nerven und Blutgefäßen wurde in Göttingen zur ersten Echtzeit-Sprach-Studie eingesetzt. Danach entwickelte Noras eine Brust-Biopsie-Spule für Siemens. Es folgte eine Multipurpose 16-Kanal-Spule, die auf dem größten Radiologenkongress der Welt, der RSNA in Chicago, auf dem Siemens Messestand vorgestellt wurde.
Neu entwickelt wurde ein MRT-tauglicher Beinhalter, der bei einer neuartigen Prostata-Therapie eingesetzt wird. Die Entwicklung der ersten hochauflösenden Zahn- und Kieferspule erfolgte in Zusammenarbeit mit den Universitäten Hamburg und Heidelberg. Auch eine Rektalspule wurde bei Noras konstruiert, die zur Untersuchung des Schließmuskels dient und die zurzeit für Studien in der Schweiz beim Einsatz eines künstlichen Schließmuskels verwendet wird.
Zusätzlich wird mit den Universitäten Aachen und Wien ein Projekt zur Bildfusion von nuklearmedizinischen und MR-tomographischen Untersuchungen entwickelt.
Um das Unternehmen für die Zukunft zu rüsten, ist im Jahr 2014 Manuel Noras, der Sohn des Eigentümers und studierter Betriebswirtschaftler, in die Geschäftsleitung eingestiegen.
Für die stetig steigenden Herausforderungen mit den Zulassungsverfahren und Qualitätsmanagement-Themen hat der 32-Jährige mit Hilfe des gesamten Teams mehr Struktur und Stabilität geschaffen. Eine weitere Herausforderung für ihn ist, das Unternehmen an die geänderte Marktsituation anzupassen. „Mein Vater hat viel einfach mal ausprobiert. Das hat früher gut funktioniert“, sagt Manuel Noras. Heute sei es kaum noch möglich, ohne strategisches Geschäftsmodell in der MRT-Branche zu bestehen.
Deshalb hat Manuel Noras die letzten zwei Jahre genutzt, um Produktgruppen zu definieren, eine Corporate Identity aufzubauen und das Controlling und die Kostenrechnung zu modernisieren.
Besonders wichtig ist ihm der Kontakt mit den Endkunden. „Wenn wir ein neues Produkt entwickeln, dann lassen wir es die Radiologen ausprobieren und nehmen Verbesserungsvorschläge an“, so der Junior-Chef.
Fast ein Drittel der Angestellten arbeitet in der Entwicklungsabteilung und produziert in Würzburg Spulen für die ganze Welt. Hauptmärkte sind USA und Europa, aber auch in Thailand, Südafrika, Australien oder Japan benutzen Radiologen die Spulen von Noras. Der Vertrieb läuft hauptsächlich über Siemens, da der Technologiekonzern einer der größten Hersteller für MRT-Geräte ist.
Firmengründer Hubert Noras ist zwar noch Geschäftsführer, aber hauptsächlich als Berater tätig. Zusammen mit dem leitenden Physiker Daniel Gareis bereiten Vater und Sohn den Generationswechsel vor.
Doch reif für den Ruhestand ist Hubert Noras noch nicht: „Ich möchte weiterhin kleine Projekte betreuen, die mir am Herzen liegen. Es gibt noch viel zu tun und meine Ideen, die mir meistens gegen vier oder fünf Uhr morgens im Kopf rumgehen, sind immer noch da.“
Firmendaten Firma: Noras MRI products GmbH, Eigentümer: Hubert Noras Standort: Leibnizstraße 4, 97204 Höchberg Gründungsjahr: 1986 in Würzburg als „Noras Röntgen- und Medizintechnik“; Umfirmierung 2005 in Noras MRI products GmbH Mitarbeiter: 30, vor allem Ingenieure, Elektrotechniker, Physiker, Feinmechaniker; Umsatz: über 4 Millionen pro Jahr; Hauptprodukte: Spezialspulen für die Magnetresonanz-Technik Noras ist Ausbildungsbetrieb und unterstützt Studenten bei Abschluss- oder Diplomarbeiten und Wissenschaftler bei ihren Doktorarbeiten.