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WÜRZBURG: Applaus ohne einen Ton

WÜRZBURG

Applaus ohne einen Ton

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    Der Festsaal des Gehörlosenzentrums ist bis auf den letzten Stuhl gefüllt. Zwischen den Reihen spielen Kinder, die sich wild mit ihren Händen verständigen, während auf der Bühne ein junges Artistenpaar Kunststücke vorführt. Statt tosendem Applaus gibt es hier erhobene Hände. Doch das ist keineswegs verwunderlich: Am Samstag feierte der Gehörlosenverein Würzburg und Umland e.V. sein 90-jähriges Bestehen.

    Zum Jubiläum war ein buntes Programm geboten: Jongleure, Pantomime, Musik und Tanz versüßten neben Kaffee und Kuchen den Gästen den Festtag. Zur Feier des Tages kamen etliche Ehrengäste, darunter die Stadträtinnen Christiane Kerner und Maria Höpfner, die stellvertretende Landrätin Karen Heußner und CSU-Bezirksrat Peter Motsch.

    Viele Fortschritte

    Bürgermeister Adolf Bauer betonte, wie wichtig es sei, in einer Gemeinschaft, die aufeinander angewiesen ist, jeden Einzelnen zu akzeptieren – egal welches Handicap er habe. Und auch die stellvertretende Bezirkstagspräsidentin Eva-Maria Linsenbreder hob hervor, dass es auf das gegenseitige „Verstehen“ ankomme, denn wo ein Wille wäre, da finde die Kommunikation vielerlei Wege.

    Ebenfalls vertreten waren der Behindertenbeirat der Stadt Würzburg, der Bezirksverband der Gehörlosen Unterfranken, der Gehörlosenverein Aschaffenburg und Miltenberg, der Sozialdienst im Paritätischen Wohlfahrtsverband, die Partnerstadt Suhl, die katholische und evangelische Gehörlosenseelsorge, sowie der Gehörlosensportverein und die Begegnungsstätte für Hörbehinderte.

    Für den Ehrentag besonders wichtig: Die beiden Dolmetscherinnen Christiane Schmitt-Ossig und Erika Bogár-Sendelbach. Stets mit auf der Bühne, übersetzten sie Wort für Wort sowohl für die hörenden als auch für die gehörlosen Gäste.

    Eva Büttner, Vorsitzende des Vereins, strahlt vor Freude. Seit 42 Jahren Mitglied im Verein ist sie stolz auf die Fortschritte. Gerade die Öffentlichkeitsarbeit helfe, die Hemmschwelle sinken zu lassen und Kommunikationsprobleme im Alltag zu überwinden. Besonders die Pflege der Gemeinschaft und der Sprache liegt dem Gehörlosenverein sehr am Herzen. Kulturfahrten stärken das Gemeinschaftsgefühl, während Kommunikationsforen dem Austausch von wichtigen Informationen dienen.

    Trotz der gelungenen Integration gibt es noch einige Hürden zu überwinden. Bernhard Reinhardt, stellvertretender Vorsitzender des Vereins, bedauert den Mangel an Gebärdendolmetschern. Da von den Krankenkassen nur die Übersetzung für Rentenberatung, Arbeitsleben und Gesundheitswesen unterstützt werde, seien fünf Dolmetscher für den Bezirk Unterfranken einfach zu wenig.

    Lange Tradition

    Gebärdensprachdozentin Claudia Meinhardt aus München weist auf die Gefahr hin, die von den neuen Medien wie dem Internet ausgehe. In der heutigen Zeit sei der Verein besonders wichtig für seine Mitglieder, da das Kommunizieren per Handy die Isolation wieder fördere. Umso beeindruckender sei der tolle Zusammenhalt des Würzburger Gehörlosenvereins.

    Im Jahr 1926 im Kolpinghaus gegründet, hat der Gehörlosenverein Würzburg eine lange Tradition. Initiator war Dr. Kroiß, Direktor der Taubstummenanstalt Würzburg. Mit der Hilfe des Münchner Taubstummenlehrers Herzog setzte er die Vereinspläne in die Tat um. Nach der Gründung bestimmten unzählige organisatorische Treffen den Vereinsalltag.

    Als bereits fast 20 Jahre gutes Bestehen gefeiert werden konnte, wurden 1945 die gesamten Unterlagen des Taubstummenvereins von einem Feuer zerstört. Erst mit der Gründung der BRD erwachte auch der Verein wieder zum Leben und es vollzog sich ein Wandel: Für „Taubstumme“ entwickelte sich nun der Begriff „Gehörlose“. Für das Selbstvertrauen war diese Änderung von enormer Wichtigkeit, denn fast jeder Gehörlose hat die Möglichkeit seine Stimme zu nutzen.

    1978 wurde erstmals der „Tag der Gehörlosen“ in der Öffentlichkeit durchgeführt und so wurden auch andere Gruppierungen aufmerksam. Bis heute unterstützen der Frauen- und Seniorenkreis den Gehörlosenverein Würzburg.

    1983 wurde der erste Gebärdenkurs für Hörende abgehalten und auch politisch engagierte sich der Verein mit der Zeit immer mehr. Der Wunsch nach einem „Kulturellen Zentrum“ wuchs stetig, bis er schließlich im Jahre 2005 in Erfüllung ging. Seither dient das Bootshaus des Würzburger Rudervereins Bayern als Begegnungsstätte für die Gehörlosen Würzburgs und der Umgebung.

    Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte wurde 2008 mit Eva Büttner eine weibliche Vorsitzende gewählt. Im Gründungsjahr durch nur 45 Mitglieder vertreten, zählt der Verein heute stolze 126 Mitglieder und arbeitet mit vielen anderen Verbänden zusammen.

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