Wer garantiert mir, dass sich kein Asbest in meiner Thermoskanne, keine krebserregenden Stoffe in meinem Fahrradgriff oder kein Umwelt schädigendes Cadmium in meinem knallroten Duschvorhang verstecken? Was eigentlich das europäische Chemikalienrecht verbietet, kommt doch immer wieder vor, so die Erfahrung der Marktüberwacher im Würzburger Gewerbeaufsichtsamt. Giftige, entzündbare oder sonstige gefährliche Stoffe spüren die Experten immer wieder in Haushaltsgegenständen, Kinderspielzeug, Freizeit- und Partyartikeln auf.
Ob Asbest, verbotene Weichmacher oder giftige Lösemittel – in welchen Gegenständen lässt sich welcher Stoff vermuten? Wie kann ich den Stoff im Labor aus dem Fahrradkleber oder der Duftkerze isolieren? Wie ist die Rechtslage? Antworten auf all diese Fragen erhalten Marktüberwacher aus ganz Deutschland in Würzburg. Dr.Matthias Zierhut, Leiter des Kompetenzzentrums Marktüberwachung der Regierung von Unterfranken, schult Beamte aus allen Bundesländern. Er und seine Kollegen fungieren als Ansprechpartner, sammeln Ergebnisse und koordinieren die Zusammenarbeit mit dem Zoll. Ihr Ziel: Produkte, die in die EU importiert werden, zu überprüfen, noch bevor sie zum Verbraucher gelangen.
Gefährlich: Giftige Produkte, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können
Ein Beispiel: Noch Ende der 90er-Jahre starben laut Giftinformationszentrale Menschen, die sich an duftenden eingefärbten Lampenölen vergiftet hatten. „Die Öle, deren Verpackung auch an Marmeladengläser erinnert, haben Kinder zum Naschen verführt“, sagt Marktüberwacher Marco Trani. „Dabei können 0,3 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht dieser Substanzen schon schwerste Lungenschäden verursachen und bei Verschlucken oder Erbrechen kann das tödlich enden.“
Mittlerweile dürfen die Öle nur noch in schwarzen, mit kindergesichertem Schraubverschluss und Gefahrenhinweisen versehenen 1-Liter-Flaschen verkauft werden.
Kinder und ältere Menschen seien prädestiniert dafür, sich an Produkten zu vergiften, die mit Lebensmitteln verwechselt werden können, so die Erfahrung der Marktüberwacher. Problematisch sind daher auch die knallgrünen Kapseln gefüllt mit Flüssigwaschmittel. „Kleinkinder können sie mit Bonbons verwechseln“, sagt Marco Trani. „Mittlerweile müssen die auflösbaren Waschmittelverpackungen zumindest Bitterstoffe enthalten, damit Kindern sofort die Lust am Lutschen vergeht. Warum überhaupt die grüne Farbe? „Damit Mami oder Papi sie lieber kaufen“, vermutet der Diplomingenieur. Er rät, im Notfall sofort die Giftinformationszentrale anzurufen und dem Kind keinesfalls etwas zu trinken anzubieten. Das würde alles nur verschlimmern.
Grillanzünder, Waschbenzine, Ventilöle für Musikblasinstrumente, die Liste der gefährlichen Produkte, die im Visier der Marktüberwacher stehen, ist lang. Doch wie kommen die Chemiker diesen Produkten auf die Schliche? „Entweder wir simulieren einen Verbraucher und besorgen die Produkte direkt beim nächsten Baumarkt oder wir beschlagnahmen die Produkte beim Importeur“, sagt Matthias Zierhut. Erregt ein Produkt ihre Aufmerksamkeit, schicken sie es ins Labor nach Erlangen oder München. Bestätigt sich ihr Verdacht, sorgen die Marktüberwacher dafür, dass das Produkt vom Markt genommen wird: im Baumarkt von nebenan, in allen Filialen einer Drogerie-Kette in ganz Deutschland oder weltweit auf Verkaufsplattformen im Internet.
Marktüberwacher werden manchmal angefeindet
„Auch wenn der Händler in Australien, Singapore oder Hongkong sitzt, lasse ich das Angebot bei eBay löschen, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Produkt auch auf dem deutschen Markt landen könnte“, erklärt Marktüberwacher Jürgen Hammer. Dass manche Händler darüber nicht erfreut sind, bekommen die Beamten manchmal am eigenen Leib zu spüren. Auch Jürgen Hammer ist schon sinngemäß mit den Worten „Ich weiß, wo dein Haus steht“ angefeindet worden. In manchen Fällen dauert es allerdings bis zu zwei Jahre, bis alle Varianten eines Produktes im Netz verschwunden sind.
Mittels Röntgenstrahlen verbotene Inhaltsstoffe aufspüren
Um nicht jedes verdächtige Produkt sofort ins Labor schicken zu müssen, gehen die Experten mit modernster Technik zu Werke. Ein mobiles Infrarot-Spektrometer spürt schon vor Ort verschiedene Asbest-Arten auf, ein Röntgen-Fluoreszenz-Analysator (RFA) kann Kunststoffverpackungen auf verbotenes Cadmium testen. Der Strahlenschutzexperte Knut Berlin hat für die Tests eigens einen Bleikoffer und die 40 000 teure Spezialausrüstung dabei.
Über die Jahre haben die Marktüberwacher gute Beziehungen zu Importeuren aufgebaut. Frank Werm von der Osma Werm GmbH in Karlstadt beispielsweise lässt seine Ware bereits in Übersee testen. Auch er hat schon schlechte Erfahrungen gemacht: zum Beispiel mit einem „Sekundenkleber, der Erbgut verändernde Stoffe enthielt“.
Unterfrankens Marktüberwacher verbannen gefährliche Produkte Die Europäische Union hat in diesem Jahr das Verbraucherschutzprojekt mit dem Namen „REACH-EN-FORCE 4“ ins Leben gerufen, an dem 29 Staaten teilnehmen. REACH steht für die wichtigste europäische Verordnung, anhand derer die Experten Chemikalien registrieren, bewerten, zulassen und beschränken.
Zum Projektkoordinator für Deutschland wurde Matthias Zierhut, Leiter des Kompetenzzentrums Marktüberwachung der Regierung von Unterfranken in Würzburg, bestimmt. Ziel ist es, möglichst schnell und vollständig alle gesundheitsgefährdenden Produkte vom europäischen Markt zu verbannen. „Wir sind mehr oder weniger für alles zuständig, was man nicht essen kann und nicht ständig mit dem Körper in Berührung kommt“, erklärt Zierhut. Alles andere bearbeiten meist seine Kollegen der Lebensmittelüberwachung.
Ganz oben auf der Liste der Marktüberwacher stehen krebserzeugende Stoffe wie Asbest, das wegen seiner isolierenden Eigenschaft in China in Thermoskannen, Himmelslaternen, Gartenfackeln, Toastern oder Hitzeschutzhandschuhen verwendet wird. Daneben haben sie andere, ähnlich gefährliche Stoffe im Visier, die sich in so manchem schwarzen Kunststoffartikel (Tischkickergriffe) verstecken. Auch bestimmte hitzebeständige Lacke (Felgenlack, Auspufflack) aus den USA sind in Europa verboten.